Die 4 größten Hindernisse auf dem Weg zu zukunftsfähigen Organisationen der Sozialwirtschaft

Inhalt:

Hier – in Teil II meiner kleinen Serie zur Frage, warum, wie und was zukunftsfähige Organisationsgestaltung in Sozialen Organisationen denn eigentlich sein kann – halte ich den Spannungsbogen aufrecht:

Bevor Ihr erfahrt, was ich konkret unter zukunftsfähiger Organisationsgestaltung verstehe und welche Punkte aus meiner Sicht dazu gehören, habe ich mich gefragt, wo es denn große Herausforderungen in der zukunftsfähigen Organisationsgestaltung, auch und gerade für soziale Organisationen, gibt.

Ich habe dies ziemlich an den Anfang der Serie gestellt, da man die Besonderheiten von Beginn an im Blick halten sollte: Am Ende zu erfahren, warum denn alles doch nicht geht, wäre irgendwie komisch gewesen. Ich bewege mich mit anderen Worten lieber im Machbaren als in Wolkenkuckucksheimen.

Der Blick auf die stetige wachsende Beraterbranche, die unterschiedlichste Maßnahmen zur Organisationsentwicklung vornehmlich für große und mittelständische Organisationen der Privatwirtschaft anbietet, zeigt, dass ein enormer Bedarf bezogen auf die Entwicklung und Gestaltung von Organisationen besteht. Ob die Berater einen wirklichen Mehrwert liefern, sei einmal dahin gestellt.

Der Bedarf für die Entwicklung von Organisationen der Sozialwirtschaft ist ebenfalls – mit einer in meinen Augen sogar noch höheren Dringlichkeit – gegeben.

Aber: Wo ist das Geld, wo sind die Mittel, die für Maßnahmen der Organisationsgestaltung und -entwicklung vorhanden sind?

Ja, natürlich, da gibt es eine Menge Supervision, Teamentwicklung, Konfliktklärung, Burn-Out-Präventionsveranstaltungen, die alle richtig Geld kosten und die auch – das ist wichtig – notwendig sind.

Aber sie sind wichtig und notwendig zur Durchführung der täglich anfallenden, fachlichen und auf unterschiedlichsten Ebenen enorm anspruchsvollen Arbeit. Die Struktur selber, die Gestaltung der Organisation, die Art der Zusammenarbeit, das „Warum“ der Organisation, wird nicht oder kaum in Frage gestellt. Das ist auch nicht die Aufgabe der Supervisoren und Teamentwickler.

So lässt sich als erster Punkt festhalten, dass es an Ressourcen für professionelle, zukunftsfähige Gestaltung der Organisation mangelt:

Die Arbeit bewältigen? Gerade so! Aber darüber hinaus? Ressourcen für Organisationsgestaltung?

Ressourcen beinhalten auch zeitliche und räumliche Ressourcen, nicht nur Geld, wobei das wiederum zusammenhängt.

Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Organisationsgestaltung sehe ich in der Historie und damit in der existierenden Rechtsform vieler, vor allem kleiner und mittelgroßer Sozialer Organisationen:

Wenn man sich diese anschaut, dann basiert das Sozialwesen zu großen Teilen auf Initiativen und Vereinen. Motivierte Menschen haben in der Vergangenheit ein soziales Problem gesehen und eine Initiative gegründet, die dann ggf. in einen Verein umgewandelt und damit strukturiert wurde.

An dem Vorgehen ist überhaupt nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil: Ohne diese Vereinsstrukturen sähe es im Sozialen Sektor ziemlich düster aus (da ändern übrigens auch die „Social Entrepreneurs“ nicht viel dran…).

Aber, und das ist die andere Seite: die Vereine und Initiativen basieren nicht auf professionellen Strukturen. So kenne ich Vereine, die eine ganze Menge Mitarbeitende hauptberuflich beschäftigen, der Vorstand der Vereine kommt jedoch aus teilweise völlig anderen professionellen Hintergründen.

Dieser hoch engagierte Vorstand soll dann – meist noch ehrenamtlich – über Finanzierungen, Neueinstellungen, Strategien etc. entscheiden? Gleichzeitig halten die Vorstandsmitglieder persönlich den Kopf hin für Fehlentscheidungen, sie tragen das Risiko. Ein Wahnsinn, vor allem in rechtlich oft waghalsigen und personalintensiven Gebieten der Sozialen Arbeit (wenn ich eine „Humanressource“ kaufe, binde ich mich immer verhältnismäßig lange daran. Eine Maschine, die nicht funktioniert kann ich sogar noch weiterverkaufen – üble Wortwahl, trifft den Nagel aber).

Und für eine zukunftsfähige Organisationsgestaltung bedeutet dies, dass schon allein die Notwendigkeit für das zur Verfügung stellen von Ressourcen für Organisationsgestaltung von den Vorstandsmitgliedern nicht gesehen, geschweige denn unterstützt wird. Die Arbeit soll getan werden, der Zweck des Vereins soll vorangetrieben werden, aber darüber hinaus? Sie können auch gar nicht anders, da oft ein gut funktionierender „Filter“ zwischen den „offiziellen“ Informationen, die an den Vorstand herangetragen werden können/dürfen/müssen und der Realität „an der Basis“ herrscht.

Der Vorstand hält dann auf der Jahreshauptversammlung Sonntagsreden über den Zustand der Organisation, alle freuen sich, Sekt und Häppchen.

Und die Mitarbeitenden? Bekommen auch Häppchen. Aber echtes Interesse für ihre Anliegen? Oder vielleicht unbefangenes Zusammensitzen der Mitarbeitenden mit den Mitgliedern des Vorstands, vielleicht sogar ohne Geschäftsführung? Und dann mal die Karten auf den Tisch?

Neben den finanziellen Ressourcen sehe ich die Organisationsstruktur der Sozialen Organisationen als einen Hinderungsgrund für die Auseinandersetzung mit zukunftsfähiger Organisationsgestaltung.

Den nächsten kritischen Punkt sehe ich darin, dass die Professionellen, die Menschen, die die Soziale Arbeit machen, wenig Interesse an Fragen der Gestaltung von Organisationen haben.

Merchel hat dies als „fehlendes Organisationsbewusstsein in der Sozialen Arbeit“ bezeichnet.

Aus meiner Perspektive: Da ist was dran.

Was zählt denn? Zunächst einmal zählt, dass gute Arbeit geleistet wird. Gute Arbeit bedeutet in dem Fall, dass die Klientel möglichst gut, nachhaltig, zielführend, angemessen, effektiv und effizient die Leistungen bekommt, die sie gerade braucht. Sehr individuell natürlich und damit eben auch völlig unterschiedlich: Der Jugendliche braucht anderes als die Oma im Pflegeheim (etwas einfach gesagt).

Aber die Organisation?

Solange die mich in Ruhe lässt, läuft es.

Mit diesem Verständnis und dieser Haltung fällt die Veränderung natürlich auch enorm schwer: Wenn ich nicht aufgeschlossen bin für Neues, neue Wege gehen will, über mich und meine Arbeitsbedingungen, über Führung und Organisation nachdenken will, dann wird das nichts mit der Veränderung.

Ja, das ist eine Unterstellung und ich hoffe natürlich, dass sich diese Haltung zunehmend ändert, mein Ziel mit diesem Blog, sozusagen.

Der vierte, ebenfalls hinderliche Grund, warum zukunftsfähige Organisationsgestaltung in Sozialen Organisationen nicht einfach ist, liegt in den politischen Rahmenbedingungen und hängt damit natürlich direkt mit den fehlenden finanziellen Mitteln zusammen:

Soziale Arbeit darf quasi nicht sein.

Drogenabhängige sind ein Problem, mit dem sich irgendwer beschäftigen soll, das aber Bitteschön nicht mich betrifft. Nervige Jugendliche genauso wenig wie Alter und Tod, Pflegebedürftigkeit und Krankheit. Alles Themen, die öffentlich nicht so richtig gut ankommen. Was zieht, sind krebskranke Kinder. Harter Satz, aber fasst es ganz gut zusammen. Ales andere scheint ja irgendwie selbst verschuldet zu sein. Und warum bitte sollte die Politik und damit die Kostenträger mehr Geld in das System stecken?

Der Punkt trifft auch in gewisser Weise die Frage nach den „Erfolgsgeschichten“ Sozialer Arbeit.

Es ist eben nicht einfach, Geschichten in unserem Bereich zu schreiben, die über die Negativ-Schlagzeilen hinausreichen. Ich bin gespannt, ob die Integration von Flüchtlingen über Deutschlands abebbende Willkommenskultur (irgendwann sind alle alten Spielsachen verteilt) hin zu einer wirklichen Erfolgsgeschichte weiter geschrieben werden kann. Das wird nicht einfach und einige positive Geschichten gibt es bereits. Aber flächendeckend bin ich auf die „Geschichten“ gespannt.

Berichtet darüber!

Vielleicht, so eine Hoffnung, verändert sich (langsam) die gesellschaftliche Haltung und damit die Anerkennung weg von betrügerischen Machenschaften in der Wirtschaft hin zu dem, was wirklich wirklich wichtig ist: den Menschen, Kindern, Jugendlichen, Alten, allen.

Zusammenfassend noch einmal die bislang gefundenen, hinderlichen Gründe für zukunftsfähige Organisationsentwicklung in Sozialen Organisationen:

  1. Fehlendes Geld,
  2. Organisationsstrukturen, die nicht auf Entwicklung ausgerichtet sind,
  3. fehlendes Organisationsbewusstsein bei den Professionellen und
  4. hinderliche politische Rahmenbedingungen.

Wie sieht es aus? Seht Ihr das ähnlich? Fallen Euch noch mehr und weitere Punkte ein? Bin gespannt…


Organisationen kommen uns häufig vor wie träge Maschinen. Menschen sind die Zahnräder. Das Geld ist das Öl, damit die Zahnräder ineinander greifen und möglichst nicht quietschen.

Kaputtes Zahnrad? Austauschen!

Keine Lust, weiter am Rad zu drehen? Gehen oder „low performen“, Dienst nach Vorschrift, Kaninchen züchten!

Zu wenig Öl? Mehr fordern oder weniger leisten!

Motivation? Wenn überhaupt, dann durch mehr Öl, extrinsisch, sozusagen.

Mitbestimmung? Engagement? Sinn? Innovation? Flexibilität? Fehlanzeige!

Das ist alles sicherlich etwas überspitzt, oder wie geht es Euch?

In meinen Augen lohnt es sich entsprechend, darüber nachzudenken, wie Soziale Organisationen anders, besser, sinnvoller und zukunftsfähiger gestaltet werden können.

Mit dem vorliegenden und ggf. folgenden Beiträgen will ich versuchen – sozusagen in loser Reihenfolge – Antworten auf die folgenden Fragestellungen zu liefern:

  • Warum ist zukunftsfähige Organisationsgestaltung gerade für Organisationen der Sozialwirtschaft so wichtig?
  • Welchen Hindernisse auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Organisationsgestaltung lassen sich spezifisch für Organisationen der Sozialwirtschaft ausmachen?
  • Was bedeutet zukunftsfähige Organisationsgestaltung eigentlich?
  • Und wie ist es trotz möglicher Hindernisse machbar, die Organisation zukunftsfähig zu gestalten?

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3 comments on “Die 4 größten Hindernisse auf dem Weg zu zukunftsfähigen Organisationen der Sozialwirtschaft

  1. Antonia am

    Ich sage es nur ungern, aber: Fehlender Sachverstand. Wer ein soziales Problem lösen oder bearbeiten will, hat in der Regel viel soziale Kompetenz, umfangreiches Wissen in der sozialen Arbeit und oft auch ein gutes Netzwerk. Das ist viel Wert und hilft den Klienten. Allerdings nicht der Organisation. Um die zu leiten, managen und gar zu entwickeln, braucht es noch anderes Wissen. Allerdings stöhnen 80% der Studierenden im sozialen Bereich immer noch gelangweilt auf, wenn sie mal ein Management oder Organisationstheorie Seminar besuchen sollen. Ein Stück weit kann ich das verstehen. Das ist nun mal nicht das, was sie eigentlich machen wollen. Dann muss man sich aber in der Praxis auch auf die Ratschläge von Menschen einlassen, die sich darum kümmern wollen und darf am Ende nicht meckern, wie das Budget verteilt wurde, wenn man sich selbst nicht für die Finanzierung der Organisation interessiert.

    Interessanter Beitrag!

    Antworten
    • Hendrik Epe am

      Liebe Antonia, bitte entschuldige meine späte Reaktion, ich war etwas eingebunden die Tage 😉

      Ich stimme Dir voll und ganz zu! Mehr Organisationsbewusstsein!

      Jetzt bin ich nur noch unsicher, wie das vermittelt werden kann?! Ein Modul „BWL für Sozialarbeiter“ reicht in meinen Augen kaum aus…

      Vielleicht fällt dir was ein?

      LG

      Hendrik

      Antworten
      • Antonia am

        Ja, leider verursacht die Verordnung von BWL-Modulen bei den meisten Sozialarbeits-Studierenden auch zu allen anderen als Freude. Wir hatten im ersten Semester vom Master, bevor jeder in Vertiefungsbereiche flüchten darf, für alle Organisations- und Personalmanagement. Das Modul war das absolute Hassfach der meisten meiner Kommilitonen, obwohl es echt für Sozialarbeiter ausgelegt war, mit vielen Praxisnahen Beispielen und ohne viel Zahlen und so (was Sozialis so hassen;-). Viele sagen halt, dass das nicht die Arbeit ist, die sie machen wollen, übersehen dabei aber, dass sie als Master-Absolventen die Führungskräfte von Morgen sind, die irgendwann solche Entscheidungen treffen müssen.
        Ich glaube, der Weg zu mehr Interesse für Organisationsentwicklung ist, Mitarbeiter in sozialen Organisationen konsequent an Entscheidungen zu beteiligen. Mitarbeiter müssen Verantwortung übernehmen für Ihre Organisation, nicht nur fachlich, sondern auch was „Betriebsklima“, Personalpolitik, Ziele und Visionen betrifft.

        Antworten

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