How (not) to kill your Company, oder: Die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit und wie Du ihnen begegnen kannst.

Im Beitrag erfährst Du die aus meiner Sicht fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit. Es geht um Management-Moden, Strategie, Menschen und Rollen, Daten und die Vermeidung des organisationalen Burnouts. Und vor allem liefere ich Ideen, wie mit den Gefahren umgegangen werden kann.
Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit

Inhalt:

Hier mein Skript zu einer „Keynote“ 😉 meines Impulses, den ich vor wenigen Tagen im neu eröffneten Futurum halten durfte. Das Forum stand unter dem Oberthema „Diakonisches Umfeld im Wandel“ und die Teilnehmer:innen waren aufgefordert, ihren „Haupt-Killerfaktor“ zur Veranstaltung mitzubringen, um im Anschluss an meinen Impuls über diese Faktoren tiefer in den Austausch zu gehen. Ausgehend von dieser Themensetzung habe ich einleitend über die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit gesprochen.

Einschränkend ist zu erwähnen, dass es sich hierbei um die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht handelt – und ich werde meine Meinung dazu in Zukunft sicherlich ändern, weiterentwickeln und anpassen. Das sind also die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Jetzt aber – fast – los. Fast, weil ich einführend meinen Bezugsrahmen skizzieren will:

Mein Bezugsrahmen oder: Wozu existieren Organisationen der Sozialen Arbeit?

Unter dem Bezugsrahmen verstehe ich einleitend die Frage:

Wozu existieren Organisationen der Sozialen Arbeit heute und in Zukunft?

Für mich ist das so etwas wie der „Basic Purpose“, eine (fast) allgemeingültige Orientierung, die hilfreich sein kann.

Und mein Bezugsrahmen, den ich im Folgenden als Hintergrundfolie mitlaufen lasse, ist die „Definition Sozialer Arbeit“, die Du hier finden kannst.

Sie lautet:

„Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen.

Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit.

Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen.

Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein“ (Hervorhebungen durch d. Verf.).

Für mich ist diese Definition deshalb relevant, um eine – zwar sehr allgemeine, aber – grundlegende Orientierung darüber zu haben, wozu Organisationen der Sozialen Arbeit in all ihren Ausprägungen existieren. Sie liefert damit aus meiner Sicht eine gute Orientierung, warum es sinnvoll und wichtig ist, über das Überleben und die Zukunft von Organisationen der Sozialen Arbeit nachzudenken.

Es ist hervorzuheben, dass „die Sozialwirtschaft“ bzw. vor allem die beim Vortrag anwesenden Vertreter:innen der Komplexträger sich nicht nur in der Sozialwirtschaft, sondern in der „Gesundheits- und Sozialwirtschaft“ bewegen. So lassen sich z.B. Krankenhäuser, aber auch Pflegeeinrichtungen nicht unmittelbar unter dieser Definition zusammenfassen. Für mich wird damit deutlich, dass die ohnehin schon enorme Komplexität, in der sich die verantwortlichen Vorstände und Geschäftsführer dieser Organisationen bewegen, noch einmal deutlich erhöht wird.

Dennoch glaube ich, dass die Definition der Sozialen Arbeit eine Orientierung für die folgenden fünf Hauptgefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit geben kann.

Die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit

Jetzt geht’s aber wirklich los… Und ich bin gespannt auf Dein Feedback – gerne hier in den Kommentaren oder per Mail!

Gefahr I: Management-Moden!

Management-Moden lassen sich definieren als „Managementkonzepte, die relativ schnell viel Aufmerksamkeit von Manager:innen auf sich ziehen, ohne dass ihre Relevanz wissenschaftlich oder durch längere praktische Erfahrung belegt ist.“

Sie bieten „ihren Adressaten suggestive, aber vergleichsweise einfache Lösungen und Tools an, ohne situative oder organisationale Komplexität in Rechnung zu stellen“ (Bartel, 2020:4).

Bei näherer Befassung mit Management-Moden lassen sich bekannte Begriffe finden, wie:

  • „agiles Management“
  • „post-bürokratische Organisationen“
  • „Fehlerkultur“
  • „OKR“
  • „Lernende Organisation“
  • „Transformationale Führung“
  • „New Work“

Die Liste ist nicht abschließend und ließe sich verlängern.

Die aus meiner Sicht große Gefahr in der Existenz besteht darin, dass aufgrund der Existenz von Management-Moden organisationale Veränderungen nicht aufgrund echter Herausforderungen angegangen werden, sondern aufgrund normativer Beweggründe:

„Damit wir modern sind, müssen wir jetzt New Work machen!“

In meinem Newsletter vom 28. Juni 2024, den Du hier nachlesen und hier abonnieren kannst, bin ich vertiefend auf Management-Moden eingegangen.

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Organisationen der Sozialen Arbeit wird die Gefahr noch deutlicher:

So lassen sich Organisationen der Sozialen Arbeit, den Ausführungen von Klaus Grunwald (vgl. Grunwald, 2018:165ff) folgend, als „hybride Organisationen“ definieren.

Damit ist gemeint, dass sie mit verschiedenen gesellschaftlichen Sektoren (informeller Sektor, Dritter Sektor, Staat und Markt) verbunden sind und von diesen geprägt werden. Diese Sektoren sind jedoch durch jeweils eigene Systemlogiken gekennzeichnet.

Organisationen der Sozialen Arbeit sind dementsprechend gefordert, unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Handlungslogiken zu integrieren, unterschiedliche Zielsetzungen zu einem eigenen Zielbündel zusammenzufügen, unterschiedliche und wiederum zum Teil widersprüchliche Einfluss- und Entscheidungsstrukturen zu berücksichtigen und zu kombinieren sowie aus unterschiedlichen Identitätsangeboten eine eigene Identität zu formen.

Daraus ergibt sich wiederum die Notwendigkeit, auch intern Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass sie den „hybriden Anforderungen“ gerecht werden und eine Vielzahl von Zweck- und Sinnbestimmungen zulassen und gleichzeitig identitätsstiftend sind.

Konkret müssen Organisationen der Sozialen Arbeit einerseits den Systemlogiken der Kostenträger folgen und gesetzeskonform handeln, um ihre Leistungen refinanziert zu bekommen. Gleichzeitig sind sie gefordert, auf einem Markt zu agieren, der dem binären Code Bezahlen/Nicht-Bezahlen folgt. Hinzu kommt, dass die Leistungen von Organisationen der Sozialen Arbeit in einem normativ aufgeladenen Umfeld agieren: Die Schließung von Angeboten aufgrund rein ökonomischer Notwendigkeiten stößt auf massiven gesellschaftlichen Widerstand.

Zusammenfassend besteht die Notwendigkeit, „hybride Anforderungen“ in eine Organisation zu integrieren, d.h. die Funktionslogiken unterschiedlicher Organisationseinheiten den hybriden Anforderungen anzupassen. Kurz:

One Management-Mode does not fit all Anforderungen.

Anstatt also der nächsten Management-Mode hinterherzurennen, sollte bei jeder Anpassung, Entwicklung und Veränderung die Frage in den Vordergrund rücken:

Was ist funktional für unseren Zweck?

Gefahr II: Die Mitarbeiter:innen im Mittelpunkt!

Diesen Aspekt habe ich bereits mehrfach angesprochen: Durch den Fachkräftemangel wird auf der Seite der Mitarbeiter:innen die Illusion genährt, dass sich die Organisation um ihre eigenen Anliegen und Wünsche herum entwickeln müsse.

Wenn aber die Organisation in den Dienst der Bedürfnisbefriedigung der Mitarbeiter:innen gestellt wird und damit die Personenorientierung die Oberhand gewinnt, hat dies „katastrophale Folgen für die Organisation“ (Wimmer, 2019).

Mit Blick auf die Geschichte vieler Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt sich die Personenorientierung (im Gegensatz zur Aufgabenorientierung) auch ohne Fachkräftemangel an vielen Stellen sehr deutlich – von der Gründung sozialer Organisationen auf der Basis individueller Schicksale der Gründer:innen über die auf ehrenamtliche Beteiligung angewiesenen Rechtsformen sozialer Organisationen bis hin zur auf intrinsische Motivation setzenden professionellen Identität der in sozialen Berufen Tätigen. Dies führt dazu, dass das für Organisationen konstitutive Element der Trennung von Person und Rolle in Organisationen der Sozialen Arbeit wenig ausgeprägt ist (vgl. näher hier).

Das primäre Ziel jeder Organisation ist jedoch ihr Überleben, das sekundäre Ziel ist die Erfüllung des Organisationszwecks.

Es ist unstrittig, dass dazu insbesondere in sozialen Organisationen Menschen notwendig sind, die aber bestimmte Rollen einnehmen. Aufgrund des Fachkräftemangels in der Sozialwirtschaft können wir aber nicht mehr davon ausgehen, dass die Rollen aufgrund der „Haltung“ der Personen (vor allem bei Nicht-Fachkräften) „adäquat“ ausgefüllt werden.

Statt also die (sehr unterschiedlichen) Bedürfnisse der Personen in den Vordergrund zu stellen, gilt es, die formalen Rollenerwartungen (viel) expliziter zu machen und Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar(er) zu definieren.

Hier habe ich die Methode „Marktplatz der Erwartungen“ beschrieben, die hilft, ein klares Verständnis über und klare Erwartungen an die Rollen, Mandate bzw. Verantwortungsbereiche in der Organisation und damit (möglichst) klare Zuständigkeiten zu definieren.

Gefahr III: Alles gleichzeitig!

Vor dem Impuls habe ich mein digitales Netzwerk nach den aus ihrer Perspektive größten Gefahren befragt. Insbesondere bei LinkedIn gab es viele, sehr tiefgehende Rückmeldungen dazu, du Du hier nachlesen kannst.

Ein Aspekt, der mir in diesem Zusammenhang besonders auffiel, war der immer wieder vorgebrachte Hinweis auf den fehlenden Fokus bzw. die fehlende Strategie in und von Organisationen der Sozialen Arbeit, die tatsächlich angegangen wird.

Dies ist einerseits verständlich, wenn man die oben skizzierten hybriden Herausforderungen von Organisationen der Sozialen Arbeit in den Blick nimmt:

Wenn sich Organisationen der Sozialen Arbeit an unterschiedlichen Systemlogiken orientieren müssen, fällt es schwer, „den einen Weg“ zu gehen bzw. die eine Strategie umzusetzen. Hinzu kommt zum anderen, dass globale, gesellschaftliche, politische wie auch technologische Entwicklungen immer auch unmittelbare Auswirkungen auf Organisationen der Sozialen Arbeit haben. Nur zwei Beispiele:

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt nicht nur (wie bei allen Unternehmen) zu enorm steigenden Energiekosten, sondern gleichzeitig zu der Notwendigkeit, Menschen, die aus der Ukraine zu uns kommen, zu unterstützen. Ebenso reicht es nicht aus, sich mit digitalen Möglichkeiten zur Optimierung der eigenen Organisation zu beschäftigen, denn die Nutzbarkeit digitaler Tools und Technologien muss unter dem Begriff der Ermöglichung von Teilhabe immer auch aus der Perspektive der Klient:innen sozialer Organisationen betrachtet werden.

Kurz: Die Allzuständigkeit der Sozialen Arbeit im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen zeigt sich auch in einer Allüberforderung der Organisationen der Sozialen Arbeit, die sich allen Themen gleichzeitig widmen sollten/könnten/müssten.

Gleichzeitig wird natürlich auch der Fachkräftemangel von den anwesenden Teilnehmer:innen als ein, wenn nicht aktuell als das größte Problem von Organisationen der Sozialen Arbeit gesehen. Anders gesagt:

Organisationen der Sozialen Arbeit werden – mit Blick nach außen – nicht umhin kommen, deutlich stärker zu fokussieren, abzuwägen und zu priorisieren, was in und von Organisationen der Sozialen Arbeit zukünftig noch angeboten werden kann bzw. neu angeboten werden sollte.

Gleichzeitig muss mit Blick nach innen hinterfragt werden, welche internen Prozesse, Abläufe, Hierarchien, Abteilungen usw. (formale Organisationsstruktur) funktional sind (siehe Gefahr I) und welche weggelassen werden können.

Peter Drucker bringt es auf den Punkt, wenn er sagt:

„Wenn man etwas Neues will, muss man aufhören, etwas Altes zu tun“.

Es gilt also, adaptive Strategien zu entwickeln und umzusetzen, denn:

„Es gibt vielleicht nur ein einziges unausweichliches Ordnungsgesetz [in Organisationen]: daß nicht alles auf einmal geändert werden kann“ (Luhmann 1976:140 und Danke Stefan, für das schöne Zitat 😉

Ganz kurz zusammengefasst sind damit Strategien gemeint, die den Strategieprozess aus zwei Perspektiven denken:

  • a) für strategische Ziele müssen geeignete Wege gesucht werden (klassische Strategiearbeit) und
  • b) müssen Organisationen gleichzeitig offen bleiben für die Suche nach geeigneten Zielen, Problemen und Einsatzmöglichkeiten für die in den Organisationen vorhandenen Mittel, Problemlösungen und vorhandenen Ressourcen.

Details zur Gestaltung adaptiver Strategien findest Du hier.

Gefahr IV: Immer aus dem Bauch heraus!

Organisationen können definiert werden als „ein Netzwerk fortlaufender Entscheidungen“ (Richter, Groth, 2023, 125) – Entscheidungen, die sich in den formellen und informellen Strukturen der Organisation manifestieren (teils schriftlich, teils mündlich). So ist bereits die Gründung einer Organisation eine Entscheidung. Weitere Entscheidungen folgen (z.B. die Entscheidung, Personal einzustellen; die Entscheidung über den Zweck der Organisation; die Entscheidung über die Regeln, die in der Organisation gelten). Mit den ersten Entscheidungen wird ein Entscheidungsprozess in Gang gesetzt. „Jede Entscheidung impliziert weiteren Klärungs- und Handlungsbedarf, die entstehende Geschichte bereits getroffener Entscheidungen fordert und begrenzt weitere Entscheidungen“ (ebd., 126).

Soweit so einfach.

Fraglich ist jedoch, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen werden – vor allem, wenn es sich um einschneidende Entscheidungen handelt (z.B. die Einstellung von Angeboten, siehe Gefahr III).

Entscheidungen können einmal „aus dem Bauch heraus“ und damit intuitiv getroffen werden. Dagegen ist auch wenig einzuwenden, sofern die Intuition auf langjährigen Erfahrungen beruht. Aber gerade bei Entscheidungen, die finanzielle und ggf. existenzielle Auswirkungen haben, ist das Bauchgefühl nicht immer der beste Ratgeber.

Sicherlich ist es schwierig, Entscheidungen über Angebote und Leistungen der Sozialen Arbeit immer und an allen Stellen datenbasiert zu treffen. So stellen sich z.B. Fragen wie:

  • Wie lässt sich empirisch nachweisen, dass explizit das Angebot für die Veränderungen bei den Klient:innen verantwortlich ist (und nicht bspw. das familiäre Umfeld)
  • Wie können einheitliche Indikatoren erstellt werden, die die Spezifika der Institution abbilden und gleichzeitig allgemeingültig sind?

Gleichzeitig verfügen soziale Organisationen jedoch über enorm viele Daten (Daten über die Nutzer:innen der Dienstleistungen, über die Mitarbeiter:innen, über die Verweildauer von Klient:innen in Maßnahmen, Finanzdaten und und und…). Durch die Analyse der in der Organisation vorhandenen Daten können Anhaltspunkte dafür gewonnen werden, wie gut bestimmte Dienstleistungen funktionieren und wo möglicherweise Optimierungspotenzial besteht.

Die Gefahr, die ich in diesem Zusammenhang sehe, ist, dass in dem Moment, in dem andere Akteure die Wirkung von Angeboten datenbasiert nachweisen, diese bei allen Entgeltverhandlungen gewinnen. Und die Nutzung und Auswertung von Daten wird – auch durch die rasante Entwicklung von KI-Lösungen – immer einfacher.

Entsprechend ist es aus organisatorischer Sicht hoch relevant, systematisch bereitgestellte und ausgewertete Daten für die interne Entscheidungsfindung in einer Organisation zu nutzen. Wie bereits erwähnt, basiert diese derzeit noch zu oft auf Intuition und dem berühmten Bauchgefühl, das zwar sehr wichtig ist, aber in Zukunft nicht mehr ausreichen wird.

Es ist aber notwendig, die Datenkompetenz in der Sozialen Arbeit jetzt und in Zukunft deutlich auszubauen, um (nicht nur digitale) Daten für Entscheidungen nutzen zu können.

Gefahr V: Systemüberlastung!

Gelingende Veränderung braucht Ressourcen – Zeit, Geld, Personal, Menschen, die Lust haben, Netzwerke… Hinzu kommt, dass bei Veränderung die „Leistungsfähigkeit“ (von Teams und/oder Organisationen) zunächst sogar abnimmt, da – zumindest bei echten Veränderungen – das „neue“ Arbeiten erst gelernt werden muss.

Der Blick in Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt jedoch an vielen Stellen, dass die Organisationen zu 100% und mehr ausgelastet sind. Logo, auch hier kann der Fachkräftemangel angeführt werden. Hinzu kommen aber aus meiner Sicht an vielen Stellen auch hochgradig ineffiziente Prozesse und insgesamt wenig funktionale formale Strukturen der Organisationen.

Ständiges Arbeiten an und über der Belastungsgrenze führt jedoch zu organisationalem Burnout. Darunter ist zu verstehen, dass sich eine Organisation „in einem Zustand der Erschöpfung und Lähmung befindet und diesen als unerwünscht erkannten Zustand aus eigener Kraft nicht mehr positiv verändern kann“ (mehr hier).

Ursachen für organisationalen Burnout sind (vgl. ebd.)

  • externer Systemstress (Strukturwandel, Wettbewerbsdruck, Finanzmarktrisiken, veränderter Rechtsrahmen…);
  • interner Ressourcenstress (Erfolgsarroganz, Kompentenzdefizite, nachhaltiger Ressourcenmangel, übertriebener Ergebnisdruck);
  • endogener Identitätsstress (ständige Strategiewechsel, wiederholte Reorganisationsprogramme, Verlustängste des Managements, übertolerante Fehlerkultur).

Der Blick auf die Ursachen aus Sicht der Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt einige neuralgische Punkte (z.B. veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen wie das BTHG oder das KJSG, dauerhafte Ressourcenknappheit, Kompetenzdefizite auf der Leitungsebene).

Zusätzliche Belastungen und Krisen in Organisationen, die sich bereits im organisationalen Burnout befinden, führen zum Zusammenbruch des Systems.

Wie aber kann es gelingen, organisationalem Burnout und damit Systemüberlastung – insbesondere unter den herausfordernden Bedingungen von Organisationen der Sozialen Arbeit – zu begegnen?

Für mich ist hier die Auseinandersetzung mit organisationaler Resilienz von zentraler Bedeutung. Ja, man könnte Organisationale Resilienz auch als Managementmodus definieren. Aber die Ausführungen und Ideen hinter dem Konzept liefern viele hilfreiche Ansätze, die – wie in Deutschland üblich – in einer ISO-Norm (ISO 22316) beschrieben sind. Demnach verfügen „Resiliente Organisationen“ über folgende 9 Elemente:

  1. Gemeinsame Vision und Klarheit über den Zweck: Eine resiliente Organisation zeichnet sich durch die gemeinsame Vision, klare Ziele und gemeinsame Werte aus. Dies wird auf allen Hierarchieebenen geteilt.
  2. Verständnis des internen und externen Umfelds und Einflussnahme: Eine resiliente Organisation verfügt über ein tiefes Verständnis der internen und externen Systeme, in denen sie agiert. Dies ermöglicht der Organisation, aktiv Einfluss zu nehmen und Möglichkeiten zur Anpassung zu schaffen.
  3. Führung, die Unsicherheit und Scheitern akzeptiert und ermutigt: In einer resilienten Organisation herrscht eine Führungskultur, die es den Mitarbeitenden erlaubt, Unsicherheiten und Veränderungen anzunehmen und zu bewältigen.
  4. Festlegung von relevanten Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen: Eine resiliente Organisation verankert gemeinsame Überzeugungen und Werte, positive Einstellungen und Verhaltensweisen fest in der Kultur, die für jeden Einzelnen von Bedeutung sind.
  5. Teilen von Informationen und Wissen: Die Mitglieder einer resilienten Organisation teilen aktiv Informationen und Wissen. Das Lernen aus Erfahrungen, einschließlich Fehlern, wird unterstützt und gefördert.
  6. Verfügbarkeit von Ressourcen: Eine resiliente Organisation verfügt über Ressourcen wie qualifizierte Mitarbeitende, finanzielle Mittel, Gebäude, Informationen und Technologie, um die anfälligen Bereiche der Organisation abzusichern und eine schnelle Anpassung an sich ändernde Umstände zu ermöglichen.
  7. Entwicklung und Koordination der Unternehmensbereiche: In einer resilienten Organisation werden die verschiedenen Unternehmensbereiche (bspw. Personalwesen, Qualitätsmanagement, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Krisenmanagement und Informationstechnologie), definiert, entwickelt und koordiniert. Dies geschieht im Einklang mit den strategischen Zielen der Organisation.
  8. Evaluierung und Unterstützung kontinuierlicher Verbesserung: Eine resiliente Organisation bewertet ihre Ergebnisse und lernt aus Erfahrungen, um Chancen für kontinuierliche Verbesserung zu identifizieren.
  9. Fähigkeit, Veränderungen zu antizipieren und zu managen: Eine resiliente Organisation erkennt frühzeitig zukünftige Veränderungen, kann angemessen darauf reagieren und diese erfolgreich bewältigen.

Auch hier lassen sich wiederum für Organisationen der Sozialen Arbeit spezifische Aspekte finden, die berücksichtigt werden müssen. Ich habe diese hier beschrieben.

Wichtig ist jedoch, dass Organisationen nicht in der Krise resilient werden, sondern im Training vor der Krise. Nur vor der Krise können Organisationen resilient gemacht werden.

In der Krise gilt der Krisenmodus. Das ist wie beim Fußball – auch da kann man vorher trainieren, aber nicht im Spiel.

Angesichts der gesellschaftlichen Spaltungen, der massiven Auswirkungen des Klimawandels, der unglaublich schnellen technologischen Entwicklungen und, und, und, ist eines aber sicher:

Krisen werden zunehmend zur Normalität – auch in und für soziale Organisationen.

Und dann gilt – optimistisch gesehen:

„If you‘re old, you‘re not dead!“ 😉

Gemeint ist damit, dass wir es in der Sozialen Arbeit nicht mit hippen Start-Ups zu tun haben, sondern mit Organisationen, die es geschafft haben, über Jahre, Jahrzehnte und teilweise Jahrhunderte zu existieren. Mit anderen Worten:

Wir können Krisen und wir haben Ressourcen, um mit Krisen umzugehen. Und vielleicht sind gerade Organisationen der Sozialen Arbeit aufgrund ihrer Besonderheiten besonders resilient.


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Hier geht’s zum Fachcamp Soziale Arbeit!


Fazit, oder: Heuristiken* zum Umgang mit den größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit

Zur Wiederholung noch einmal der Blick auf den eingangs eröffneten Bezugsrahmen:

Ziel muss es sein, Organisationen der Sozialen Arbeit zu entwickeln und zu gestalten, die heute und in Zukunft in der Lage sind, gesellschaftliche Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern sowie die Autonomie und Selbstbestimmung der Menschen zu stärken!

Das treibt mich in meiner Arbeit an und das sollte – zumindest aus meiner Sicht – auch Motivation genug sein, trotz aller Herausforderungen und „Gefahren“ weiterzumachen und zu versuchen, an, mit und in Organisationen der Sozialen Arbeit zu arbeiten.

Einschränkend und abschließend möchte ich jedoch betonen, dass es an vielen Stellen nicht um ein „statt“ geht. Man könnte z.B. meinen, ich plädiere – um nur ein Beispiel herauszugreifen – dafür, „statt intuitiv zu entscheiden“ nur noch datenbasiert zu entscheiden. Das ist zu kurz gegriffen.

Vielmehr können Heuristiken helfen. Darunter versteht man Methoden, um mit begrenztem Wissen und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen.

Heuristiken kennen wir z.B. aus dem agilen Manifest, in dem es heißt „Individuen und Interaktionen haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen“, „Funktionsfähige Produkte haben Vorrang vor umfassender Dokumentation“, „Zusammenarbeit mit den Kunden hat Vorrang vor Vertragsverhandlungen“ und „Das Eingehen auf Änderungen hat Vorrang vor strikter Planverfolgung“ (hier mehr).

Wichtig ist die Betonung von „haben Vorrang vor“. Dies bedeutet nicht, dass Pläne nicht mehr verfolgt werden sollen, sondern dass die Reaktion auf Veränderungen Vorrang vor der strikten Verfolgung von Plänen hat. Die Planverfolgung bleibt also relevant.

Überträgt man nun diese Denklogik auf die obigen Ausführungen zu den größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit, so lassen sich folgende Heuristiken formulieren:

  • Funktionale Veränderungen vornehmen hat Vorrang vor dem Verfolgen von Management-Moden!
  • Formale Erwartungen an Rollen definieren hat Vorrang vor der Personenorientierung!
  • Adaptive Strategien entwickeln und umsetzen hat Vorrang vor der kurzfristigen Reaktionen!
  • Datenkompetenz entwickeln und Wirkung messen hat Vorrang vor Bauchentscheidungen!
  • Organisationale Resilienz trainieren hat Vorrang vor dem Arbeiten über der Überlastungsgrenze!

Damit wird – hoffentlich – deutlich, dass auch die andere Seite kurzfristig relevant sein kann. Bauchentscheidungen z.B. sind ebenso relevant wie die kurzfristige Notwendigkeit, an und (wirklich nur kurz) über der Belastungsgrenze zu arbeiten. Und selbst Managementmoden haben ihre Berechtigung.

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2 comments on “How (not) to kill your Company, oder: Die fünf größten Gefahren für Organisationen der Sozialen Arbeit und wie Du ihnen begegnen kannst.

  1. Sebastian Zwingmann am

    Eine umfangreiche Zusammenfassung, aber doch nicht zwingend nur auf soziale Organisationen anwendbar?!

    Die Details zum Scrum mit „haben Vorrang vor“ wird zum Beispiel viel zu selten in „angeblich“ agilen Bereichen gelebt

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Hey Sebastian,

      da bin ich dabei – klar: Auch auf andere Organisationen anwendbar. Aber – so zumindest mein Eindruck – die besonderen Rahmenbedingungen von Organisationen der Sozialen Arbeit weisen Spezifika auf, die oft nicht berücksichtigt werden und erfordern teilweise anderes Vorgehen.

      Aber wie gesagt: Ansonsten bin ich voll dabei 😉

      Danke für deinen Kommentar!

      Liebe Grüße

      Hendrik

      Antworten

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