Zwischen Mensch, Organisation und Gesellschaft – Was ist New Work?

Was ist New Work? Diese Frage der Definition der grundsätzlichen Ausrichtung und Denkweise, die hinter dem Begriff New Work steht, ist nicht einfach zu beantworten. Grundlegend sind für mich aber immer die Ausführungen von Frithjof Bergmann, der den Begriff begründet hat. Darauf basierend lässt sich auch zeitgemäße Organisationsentwicklung diskutieren.
New Work

Inhalt:

Dieser Beitrag mit dem grundlegenden Titel „Was ist New Work?“ ist der Beginn einer Serie, die sich übergreifend mit den folgenden Fragen befasst:

  • Wie werden die Veränderungen der Arbeitswelt auch und insbesondere soziale Organisationen betreffen?
  • Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten bestehen, damit sich soziale Organisationen auf die Herausforderungen einstellen können?
  • Wo liegen Chancen, aber auch Grenzen der Adaption neuer Konzepte der Arbeitsgestaltung für soziale Organisationen?
  • (Wie) lassen sich (soziale) Innovationen durch die Adaption neuer Arbeitsformen in sozialen Organisationen unterstützen?

Im Laufe der Serie werden sich wahrscheinlich noch weitere Fragestellungen ergeben, die ich hier aufbereite. Vor allem aber freue ich mich über Feedback, Anregungen und Kritik zu den Beiträgen, um damit zu einer Diskussion anzuregen, wie sich die Zukunft der „Sozialen“ Arbeit in sozialen Organisationen – New Social Work – gestalten lässt.

Was ist New Work?

Um die Serie durchgängig klar und transparent gestalten zu können, bedarf es zunächst einer Definition der grundsätzlichen Ausrichtung und Denkweise, die hinter den in meiner Serie dargelegten Beiträgen steht. So wird in den letzten Monaten und Jahren auf unterschiedlichsten Ebenen darüber diskutiert, wie sich die Veränderung der Arbeitswelt fassen lässt, wo Ansatzpunkte liegen und wie diese definiert werden (vgl. bspw. BMAS, 2017).

Ich habe mich bewusst für den Begriff „New Work“ als Grundlage entschieden. Denkbar wäre auch „Arbeiten 4.0“ oder ähnliches gewesen.

So macht der Begriff „New Work“ eine für mich in der Diskussion wesentliche Dimension auf:

Bei der Befassung mit der Veränderung der Arbeitswelt geht es um mehr als die Veränderung der Organisationen und Unternehmen.

Es geht – so der im folgenden erläuterte Gedankengang – von der Veränderung der Arbeitswelt hin zu einem neuen Gesellschaftsmodell, das unser bisher geltendes Lohnarbeitssystem infrage stellt. New Work betrifft jeden einzelnen Menschen, die Organisationen, in denen die Menschen arbeiten sowie – wie erwähnt – das Gesellschaftsmodell als Ganzes.

Schon vorab sei erwähnt, dass es neben dem beschriebenen Konzept „New Work“ auch andere Systeme für unsere gesellschaftliche Zukunft gibt, die ebenfalls zu diskutieren wären. Zu denken ist an die breiten Diskussionen zum bedingungslosen Grundeinkommen (vgl. bspw. Spannagel, 2015).

New Work als Gesellschaftsveränderung

Das Konzept „New Work“ geht auf den amerikanischen Professor Frithjof Bergmann zurück, der New Work als Alternative zu dem vorherrschenden Lohnarbeitssystem beschreibt.

Konkret, hier jedoch verkürzt, geht es Bergmann in seinem Konzept „New Work“ darum, dass das Lohnarbeitssystem von Grund auf zu den in unserer Gesellschaft zunehmend verstärkt auftretenden Problemen führt:

„Die besondere Form der Arbeit, die wir ‚Lohnarbeit‘ nennen, ist erst so alt wie die industrielle Revolution, also ungefähr 200 Jahre. Schon als dieses System eingeführt wurde, gab es warnende Stimmen, die ihm keine gute Zukunft voraussagten. Heute krankt das Lohnarbeitssystem an vielfältigen und schweren Mängeln. Deshalb ist es an der Zeit, die Arbeit von Grund auf neu zu organisieren. Das Lohnarbeitssystem ist dabei, zu sterben, und das nächste System, die Neue Arbeit, muss aufgebaut werden.“ (Bergmann, 2004, 11).

Das von Bergmann skizzierte Konzept der „neuen Arbeit“ basiert darauf, das System der Lohnarbeit zu ersetzen durch ein System, das aus den drei Teilen

  • Erwerbsarbeit (1/3),
  • High-Tech-Self-Providing (Selbstversorgung, 1/3) und
  • einer Arbeit, die man wirklich, wirklich will (1/3) besteht.

Hintergrund der Entwicklung des Konzeptes ist die Feststellung, dass die „klassische“ Erwerbsarbeit insbesondere aufgrund der Roboterisierungs- und Automatisierungsprozesse zurückgehen wird (vgl. dazu bspw. Bonin/Gregory/Zierahn, 2015).

Um aber die Arbeitsplätze nicht gleich zu verlieren, sondern eine finanzielle Basis für alle zu schaffen, soll im Konzept „New Work“ ein Drittel aus der zukünftig noch zur Verfügung stehenden klassischen Erwerbsarbeit bestehen. Gleichzeitig werden durch das erzielte Einkommen Anschaffungen möglich, die nicht durch eigene Arbeit oder nachbarschaftliche Netzwerke erzeugt werden können.

Das zweite Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit wird mit Selbstversorgung auf technisch höchstem Niveau zugebracht. Hier geht es jedoch nicht ausschließlich darum, Kartoffeln im eigenen Garten anzubauen. Es geht darum, mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten (bspw. 3D-Druck) Dinge des täglichen Lebens (angefangen von der Kartoffel bis hin zu bspw. technischen Geräten) herzustellen. Hinzu kommt, dass sich die Menschen zunehmend verstärkt Gedanken um den tatsächlich sinnvollen Konsum machen, wodurch sich der Bedarf automatisch reduziert (vgl. hierzu bspw. die Ausführungen zum „Megatrend Neoökologie“).

Als dritte Säule der Neuen Arbeit steht die Arbeit, die die Menschen „wirklich, wirklich machen wollen“. Ausgehend davon, dass Arbeit grundsätzlich niemals endet, wenn man Arbeit als über das Lohnarbeitssystem hinausgehend definiert (bspw. Familie, Pflege, Ehrenamt…), ist dieser Bestandteil des Konzepts „Neue Arbeit“ als wesentlich anzusehen.

Bergmann favorisiert hier einen evolutionären Ansatz der Systemveränderung, der nur nach und nach erfolgen kann, vorangetrieben durch Menschen, die sich an dem orientieren, was sie wirklich, wirklich wollen. Die Menschen sollen sich demzufolge allmählich unabhängiger machen vom Lohnarbeitssystem durch Selbstversorgung.

Zusammenfassend soll New Work aus dieser Perspektive also unabhängig vom Lohnarbeitssystem für alle Menschen Selbstständigkeit, Freiheit und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglichen. Der Zwang zur ausschließlichen Partizipation an den traditionellen Lohnarbeitsstrukturen zur soll sich damit auflösen.

New Work betrifft damit jedoch zuvorderst jeden einzelnen Menschen. Es fokussiert die Frage, wie viel Selbstbestimmung und Eigenverantwortung den Menschen selbst zugetraut werden.

New Work als organisationale Veränderung

Vor dem Hintergrund der Ausführungen zum auf jeden einzelnen Menschen bezogenen und damit zum gesellschaftsverändernden Konzept „New Work“ von Bergmann (vgl. dazu bspw. auch Väth, 2016) ist interessant (und manchmal beängstigend), zu beobachten, welche Entwicklung der Begriff New Work in den letzten Jahren genommen hat.

So ergibt die Googlesuche zum Begriff „New Work“ 31.000.000 Ergebnisse (Stand: 06.03.2018). Dabei ist auffällig, dass ein Großteil der Suchergebnisse nicht auf das beschriebene „New Work Konzept“ von Bergmann verweist, sondern New Work als Organisationen, Unternehmen und Betriebe und damit die Arbeitswelt veränderndes Konzept beschreibt. Das ließe sich berechtigt kritisieren.

Andererseits ist es möglich, die dringend notwendige Veränderung der Arbeitswelt als ausschlaggebend für eine Veränderung der Gesellschaft anzusehen:

Erst durch die Veränderung der Arbeitswelt, wird es möglich, die Gesellschaft als Ganzes zu verändern, hin zu mehr Nachhaltigkeit, Zusammen-Leben, Sinn, Zeit für das wirklich, wirklich Wichtige für jeden einzelnen Menschen.

Das ist übrigens, wenn man die Geschichte betrachtet, schon immer so gewesen: Durch die Entwicklung der Landwirtschaft sind die Menschen sesshaft geworden, durch die Entwicklung der Webstühle und der Dampfmaschine wurde das Industriezeitalter eingeläutet und durch die Informationstechnologie bewegen wir uns immer mehr in einer „Wissensgesellschaft“. Und all diese Veränderungen der Arbeitswelt haben zu neuen Gesellschaftssystemen geführt:

„Wichtige historische Gesellschaftsformationen sind nach Marx die klassenlose Urgesellschaft der frühen Stammesgesellschaften, die von Landwirtschaft und despotischer Herrschaft geprägte ‚asiatische Produktionsweise‘, die Sklavenhaltergesellschaft der Antike, der Feudalismus des Mittelalters und die bürgerlich-kapitalistische Produktionsweise“.

Hinzu kommen natürlich Sozialismus und Kommunismus, deren Bezug zur Arbeitswelt als „Diktatur des Proletariats“ auf der Hand liegt.

Damit wird deutlich: Die Veränderung der Arbeitswelt führt zu gesellschaftlicher Veränderung.

Pragmatisch: Was ist New Work?

Entsprechend wird in den folgenden Beiträgen zum Thema „New Work in der Sozialwirtschaft“ oder „New Social Work“ von „New Work“ als die sich durch die wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen – Digitalisierung, Flexibilisierung und Globalisierung (vgl. näher bspw. Bruckner, Werther, 2018, 16ff) – ergebenden organisationalen Veränderungen gesprochen. Diese Veränderungen wiederum führen in Bezug auf die Arbeitswelt zu Flexibilisierungen, veränderten Organisationsstrukturen und einer Veränderung der Arbeitsbeziehungen (vgl. ebd.).

New Work im Sinne des Beitrags fokussiert damit auf neue Organisationsdesigns, die Arbeitsgestaltung, Selbstorganisation, agiles Management und vieles mehr, mit einem spezifischen Fokus auf soziale Organisationen. Immer im Hintergrund mitgedacht ist dabei aber die Grundintention von Bergmann: Die Schaffung einer Alternative zum Lohnarbeitssystem.

Update:

Basierend auf den Rückmeldungen zum Beitrag (ganz herzlichen Dank dafür), will ich folgende Ergänzung liefern:

In der Diskussion um „New Work“ in der organisationalen Lesweise ist relevant, dass es keine allgemeingültigen Methoden, Vorgehensweisen, Rezepte geben kann, wie sich Organisationen auf den Weg nach New Work begeben können. Vielmehr ist es relevant, jede Organisation mit ihren je eigenen Spezifika und Herausforderungen zu betrachten, um darüber einen individuellen Weg zu finden.

Gleichzeitig lassen sich jedoch Methoden und Herangehensweisen finden, die – individuell angepasst – Antworten liefern können. Diese werden im dritten Teil näher beschrieben. Zuvor – in Teil 2 – ist die Frage zu beantworten, warum es für soziale Organisationen notwendig ist, neue Wege zu gehen und welchen Nutzen New Work stiften kann.

Die folgenden Beiträge der Serie beziehen sich entsprechend auf die Frage, wie sich die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen und damit einhergehend die Veränderung der Arbeitswelt auf unsere Branche – die Sozialwirtschaft – auswirken werden und welche Handlungsoptionen für soziale Organisationen bestehen.

Bitte um Mithilfe

Abschließend bitte ich Sie noch um Ihre Mithilfe:

  • Welche Auswirkungen einer sich verändernden Arbeitswelt sehen Sie in Bezug auf Ihre Organisation?
  • Wo sehen Sie konkrete Ansätze, wie in der Sozialwirtschaft mit der Veränderung der Arbeitswelt umgegangen wird – positiv wie negativ?
  • Wo liegen Chancen, wo Risiken der Veränderungen der Arbeitswelt für soziale Organisationen?

Lassen Sie mir Ihre Fragen, Anmerkungen, Kritik, Ängste, Hoffnungen und alles, was Ihnen zum Thema „New Work in der Sozialwirtschaft“ durch den Kopf geht, zukommen. Der Weg ist zweitrangig:

Per Mail, telefonisch, per Twitter, Facebook oder hier direkt als Kommentare im Blog.

Ihre Rückmeldungen fließen dann selbstverständlich in die weiteren Beiträge ein!

Schon jetzt ganz herzlichen Dank!


Literatur:

  • Bergmann, F. (2004): Neue Arbeit, Neue Kultur. Freiburg i. Br.: Arbor Verlag .
  • Bonin, H., Gregory, T., Zierahn, U. (2015): ENDBERICHT Kurzexpertise Nr. 57, Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, Mannheim: ZEW.
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2017): Weißbuch Arbeiten 4.0. URL: http://issuu.com/support.bmaspublicispixelpark.de/docs/161121_wei__buch_final?e=26749784/43070404. Download am 02.03.2018.
  • Hackl, B., Wagner, M., Attmer, L., Baumann, D. (2017): New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt. Management-Impulse, Praxisbeispiele, Studien. Wiesbaden: Springer.
  • Spannagel, D. (2015): Das bedingungslose Grundeinkommen: Chancen und Risiken einer Entkoppelung von Einkommen und Arbeit . URL: https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_24_2015.pdf. Download am 06.03.2018.
  • Väth, M. (2016): Arbeit – die schönste Nebensache der Welt: Wie New Work unsere Arbeitswelt revolutioniert. Offenbach: Gabal.
  • Werther, S., Bruckner, L. (Hrsg., 2018): Arbeit 4.0 aktiv gestalten. Die Zukunft der Arbeit zwischen Agilität, People Analytics und Digitalisierung. Wiesbaden: Springer.

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10 comments on “Zwischen Mensch, Organisation und Gesellschaft – Was ist New Work?

  1. Michaela am

    Ich finde die Frage interessant, wie sich die Gewerkschaften zu New Work positionieren werden. Einige Regelungen, die zum Schutz der Arbeitnehmer*innen gedacht sind, stehen der Flexibilisierung in der Arbeitswelt entgegen.

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Ja, definitiv eine spannende Frage! Könnte man noch ausweiten: braucht es Gewerkschaften noch? Oder braucht es Gewerkschaften gerade in Zeiten der sich verändernden Arbeitswelt? Und wie müssen sich Gewerkschaften auf die Veränderungen einstellen?

      Danke auf jeden Fall für deinen Kommentar!

      Liebe Grüße von unterwegs

      Hendrik

      Antworten
  2. Franz Nahrada am

    Lieber Hendrik, es ist super die Frage „Individuum und Organisation“ mal aufgenommen zu haben, denn New Work argumentiert, wie Matthias bemerkt, fast ausschließlich von der Seite des Individuums. Und das ist letal.

    Meine Anregungen:

    1. New Work kann im „Lohnarbeitssegment“ auch zu völlig neuen und spannenden Organisationskonzepten führen, so wie etwa die „OTELO eGen“ von Martin Holinetz und seinem tollen Team um Marianne Gugler (https://www.oteloegen.at/team/)
    Das wär auch schön, denn wir brauchen Produkte, die die beiden anderen Sektoren weiterbringen und nicht behindern. Diese sind aber immer weniger von den großen Technologieprovidern zu haben, denn eine wirklich funktionierende Eigenarbeit fürchten die wie der Teufel das Weihwasser. Weil grad aktuell emofehle ich als Illustration https://hackernoon.com/steve-wozniak-destroys-apple-in-less-than-2-minutes-dd5e71229a60
    2. Im 2. Drittel high tech self providing würde ich mir schon höchste Standards vorstellen, nicht nur ein „Produktionscafé“, sondern einen wirklichen „Flow“ – eine Art technologisches Äquivalent zum „Mothertree“ in Pandora. Also wir schaffen uns ein funktionierendes Paradies, weil wir die Automation der Natur imitieren und übertreffen !!
    3. im 3. Drittel fehlt bei allem Respekt vor Altenpflege, Konzerten und Museumsarbeit, das Wichtigste: Verbesserung des Arbeitssystems selbst, der wissenschaftlich technische Fortschritt, die Abstimmung der Komplexitäten. Open Source und User driven Technology braucht wahnsinnig viel Entwicklungsarbeitszeit und sie gehört HIER HINEIN.

    Soweit mal aus Wien!

    Antworten
    • HendrikEpe am

      Lieber Franz,

      ganz herzlichen Dank für Dein Feedback zum Beitrag. Sehr spannende Gedanken und Links…

      Liebe Grüße

      Hendrik

      Antworten
  3. HendrikEpe am

    Lieber Matthias,

    danke für Deinen ausführlichen und hilfreichen Kommentar. Ja, die Spielarten und Facetten sind unterschiedlich. So ist „New Work“ für jeden Menschen und jede Organisation unterschiedlich. Entsprechend vage bleibt eine Definition.

    Dir eine gute Restwoche

    LG

    Hendrik

    Antworten
  4. matthias jung am

    Lieber Hendrik,
    danke für den Blogbeitrag. Ich bin ganz deiner Meinung, dass jede/r, der/die heute den Begriff „New Work“ in den Mund nimmt, sagen muss, was sie/er eigentlich darunter versteht. Ich kann mit deiner „Definition“ ganz gut leben, für mich wäre sie allerdings nicht ausreichend. Ich begründe das im Anschluss an Frithjof (Bergmann), den meine Frau und ich vor Jahren kennengelernt haben und dem wir bei aller Kritik viel verdanken.
    Aus meiner Sicht hat Frithjof zwei Denkfehler (oder blinde Flecke) in seinem Konzept.
    Zum einen argumentiert er vom Lohnkapitalismus her und zwar so, als sei die ganze Ökonomie Lohnkapitalismus. Dem ist aber nicht so, es gibt unendliche viele Spielarten von Ökonomie und daher auch unzählige Arten und Weise, wie Frauen und Männer damit umgehen. Frithjofs Ansatz ist damit zu holzschnittartig, seine Drittelung daher auch nicht zu Ende gedacht. Diese Verkürzung ist meines Erachtens ein Grund, warum Frithjof als „Vater“ der Neuen Arbeit inzwischen eher unbekannt ist.
    Der zweite Denkfehler liegt darin, dass er es im Prinzip nicht für möglich hält, dass ein Mensch in ausbeuterischen lohnkapitalistischen Beschäftigungsverhältnissen am Ende genau eine Arbeit macht, die er/sie „wirklich, wirklich will“. Das Phänomen hat zB Günter Voß beschrieben, ohne sich auf Frithjof zu beziehen. D.h., ich kann hochzufrieden sein, meine Arbeit ist aber höchst schädlich, für mich und vielleicht auch für andere…
    Für mich heißt das: wenn ich heute über Neue Arbeit, New Work nachdenke, dann muss ich zwei Pole im Blick haben: das von dir angesprochene Organisationsdesign, zum anderen aber die arbeitende Person. Zum Individuum gibt es eben eine Masse an Texten unter dem Stichwort New Work, die aber zumeist die Organisation ausblenden. Beides muss aus meiner Sicht dialektisch aufeinander bezogen werden, sonst sind die Widersprüchlichkeiten, die Herausforderungen und die Chancen von New Work nicht angemessen beschreibbar.
    Viele Grüße
    Matthias

    Antworten
  5. HendrikEpe am

    Hey Hannes,

    danke für Dein Feedback.

    Ja, die Veränderung der Gesellschaft lässt sich da vielleicht als soziale Innovation sehen im Sinne eines Prozesses „der Entstehung, Durchsetzung und Verbreitung von neuen sozialen Praktiken in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen.“ (wikipedia)

    Wir müssen es jedoch umsetzen, jeder in seinem Kontext, um so gemeinsam Zukunft zu gestalten. Keine leichte Herausforderung, aber die Veränderung der Arbeitswelt scheint da vielleicht ein guter Ansatzpunkt zu sein…

    Ich bastel gerade an Teil 2: Warum eigentlich New Work? 😉

    Liebe Grüße nach Berlin

    Hendrik

    Antworten
  6. Hannes Jähnert am

    Moin Hendrik, dass die Veränderung der Arbeitswelt eine Veränderung der Gesellschaft bewirkt finde ich sehr nachvollziehbar. Das gleiche gilt für die Veränderung der Zivilgesellschaft (Stichwort z.B. Crowdsourcing) und anderen Bereichen der Gesellschaft.

    Charmant finde ich die Eingrenzung auf Arbeit aber, um das “Schlachtfeld“ einzugrenzen. Hier laufen in Sachen New Work / Arbeit 4.0 ja gerade relevante Verhandlungen (Stichwort IG Metall und Reduzierung der Wochenarbeitszeit)…

    Wenn die Arbeitswelt eine der primären Gesellschaftsbereiche ist, sind die Aushandlungen, ob wir wirklich tun können, was wir „wirklich, wirklich machen wollen“ oder ob wir uns der Beschleunigungs- und Maximierungslogik beugen müssen ziemlich entscheidend.

    Schöne Grüße

    Hannes

    Antworten
  7. HendrikEpe am

    Liebe(r) Besserwisser*in (?),

    danke für den Kommentar. Schön fände ich es, mit Menschen zu kommunizieren, vielleicht magst du uns ja noch Deinen Namen verraten?

    Zu deinem Kommentar aber: Ja, spannende Punkte dabei. Gerade der Aspekt der Demografie wird die prekäre Lage wohl noch deutlich verschärfen.

    Liebe Grüße

    Hendrik

    Antworten
  8. Besserwisser am

    Die demografische Entwicklung mit den geburtenstarken Jahrgängen, die bis 2035 in Rente gehen wird komplett ignoriert!

    Ein guter Beitrag ist objektiv, vielfältig und ausgewogen und stellt insbesondere auch die massive Kritik am BGE heraus, welche gleiches gleicher und ungleiches ungleicher machen will und den Sozialstaat von Innen aushöhlen will! Nicht umsonst wird wie so oft über Finanzierung noch über Höhe geschweige und nicht über fehlende Chancengleichheit gesprochen.

    An den Ursachen ansetzen, NICHT Problemverschiebung fabrizieren!

    Beispielsweise ein Mindestlohn, welcher gemäß der Ungleichheitsforschung zwischen 14 – 16 Euro liegt, um Altersarmut vorzubeugen und den WERT weiblicher Erwerbsarbeit entsprechend wertschätzt. Dazu gehört auch die Abschaffung prekärer und atypischer Beschäftigungsverhältnisse. Dass wäre ein Beitrag zu mehr CHANCENGLEICHHEIT.

    Antworten

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