Schlagwort: New Work

Rezension: On the Way to New Work

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Das Buch „On the Way to New Work“ ist eine Zusammenfassung der laut den Autor*innen wichtigsten Konzepte, Methoden und Ideen rund um das große Thema „New Work“. Es ist als Synopse, basierend auf dem erfolgreichen Podcast, der unter gleichem Titel inzwischen mehr als 320 Interviews mit unterschiedlichsten Menschen fasst und das Thema „New Work“ bzw. neues Arbeiten aus verschiedenen nationalen und internationalen Perspektiven beleuchtet, zu verstehen (vgl. ebd., IX).

Inhaltlich fokussiert das Buch auf drei Ebenen: Zu Beginn wird die individuelle Ebene (Starkes Ich) in den Blick genommen und gefragt, wie es Menschen gelingt, in der „neuen Arbeitswelt“ agieren und individuelle Ansatzpunkte finden zu können, „um mehr Sinn und Erfüllung in der eigenen Arbeit zu erleben“ (ebd., X). Darauf folgt eine Betrachtung der organisationalen Ebene (,Starkes Wir‘), die Methoden zeitgemäßer Organisationsentwicklung und Methoden der Zusammenarbeit in Organisationen fokussiert. Abschließend werden die Entwicklungen rund um die neue Arbeitswelt auf gesellschaftlicher Ebene (,Starke Gesellschaft‘) betrachtet.

Intention des Buches ist es, so die Autor*innen, „Menschen für das Arbeitsleben zu stärken“

Meine Bewertung zum Buch „On the Way to New Work“

Das Buch wird von den Autor*innen als Reiseführer „on the way to new work“ bezeichnet. Es liefert damit genau das, und zwar sehr gut:

Es liefert einen ersten Blick auf verschiedene Themen, verschiedene Orte, verschiedene Begriffe und Methoden, die sich hinter dem Konzept der neuen Arbeit verbergen.

Eine tiefgehende Erkundung jedoch wird den Leser*innen überlassen, die sich – auch über die Quellenangaben, die sich im Buch ausführlich finden – weiter und tiefergehend mit den jeweiligen Aspekten befassen können und auch müssen, um die auch herausfordernden Seiten einer neuen Arbeitswelt verstehen zu können.

Ansonsten besteht die Gefahr, dass die im Buch angebotenen Methoden und Tools eins zu eins auf die eigene Arbeit übertragen werden und die damit möglicherweise einhergehenden Widerstände aufseiten der Betroffenen überraschend sind und eher zum Gegenteil führen – einer Arbeitswelt, die schwächt anstatt stärkt.

Rezension auf Socialnet

Die vollständige Rezension zum Buch findest Du auf socialnet.de

Und unter diesem Link kannst Du das Buch bei genialokal erwerben! 

Unternehmenskultur gestalten, oder: 19 Culture Hacks für soziale Organisationen

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Unternehmenskultur gestalten – das will irgendwie jedes Unternehmen und es ist auch was dran: So gibt es immer wieder Anfragen zur „Kulturentwicklung“, etwa mit den folgenden Wortlauten: „Unsere Kommunikationskultur ist schlecht!“ „Wir brauchen eine neue Kultur der Verbindlichkeit!“ „Wir haben keine gute Fehlerkultur!“ „Unsere Kultur der Zusammenarbeit passt nicht zu unserem Auftrag!“ Weitere Anfragen lauten auf die Entwicklung einer offenen Organisations- bzw. Unternehmenskultur, einer agilen Unternehmenskultur, auf die Entwicklung guter, starker, dialogischer oder whatever Unternehmenskultur. Aber was ist Unternehmenskultur eigentlich? Und wie geht Kulturentwicklung? Dazu findest Du hier Antworten, die Du schnell und einfach in Deiner Organisation umsetzen kannst. Denn dazu sind „Culture Hacks“ hilfreich. Aber der Reihe nach:

Was ist Unternehmenskultur?

Zu dieser Frage gibt es X-tausend Veröffentlichungen. Diese will und kann ich hier nicht vollständig wiedergeben. Entsprechend halte ich mich hier an die Ausführungen aus Wikipedia. Demnach beschreibt der Begriff Organisationskultur die Entstehung und Entwicklung kultureller Wertmuster innerhalb von Organisationen.

„Die Organisationskultur wirkt auf alle Bereiche des Managements (…). Jede Aktivität in einer Organisation ist auf Basis ihrer Kultur entstanden und dadurch kulturell beeinflusst. Das Selbstverständnis der Organisationskultur erlaubt es Organisationsmitgliedern, Ziele besser verwirklichen zu können. Außenstehende können durch diese Kenntnis die Organisation besser verstehen.“

Zur Komplexitätsreduktion hier die Definition von Unternehmenskultur von Edgar H. Schein:

Organisations- bzw. Unternehmenskultur zeigt sich demnach als „ein Muster grundlegender Annahmen – erfunden, entdeckt oder entwickelt von einer vorgegebenen Gruppe, während diese lernt mit den Problemen der externen Adaption und internen Integration umzugehen – die gut genug funktionierten, um [von dieser Gruppe] als gültig angesehen zu werden, und die deshalb neuen Mitgliedern vermittelt werden als richtige Methode der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens bezüglich dieser Probleme.“ (1985, 9)

Schein entwickelte das Kultur-Ebenen-Modell, wonach sich Organisationskultur auf den folgenden drei Ebenen zeigt (aus Wikipedia):

  • „An der Oberfläche liegen die sichtbaren Verhaltensweisen und andere physische Manifestationen, Artefakte und Erzeugnisse. Beispiele sind Kommunikationsverhalten mit Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten, Logo, Parkplätze, Bürolayout, verwendete Technologie, das Unternehmensleitbild aber auch die Rituale und Mythen der Organisation.
  • Unter dieser Ebene liegt das Gefühl, wie die Dinge sein sollen; kollektive Werte sind beispielsweise „Ehrlichkeit“, „Freundlichkeit“, „Technik-Verliebtheit“, „spielerisch“, „konservativ“ usw. also Einstellungen, die das Verhalten von Mitarbeitern bestimmen.
  • Auf der tiefsten Ebene sind die Dinge, die als selbstverständlich angenommen werden für die Art und Weise, wie man auf die Umwelt reagiert (Grundannahmen). Diese Grundannahmen (engl. basic assumptions) werden nicht hinterfragt oder diskutiert. Sie sind so tief im Denken verwurzelt, dass sie von Mitgliedern der Organisation nicht bewusst wahrgenommen werden.“

Soweit, so gut.

Aber interessant ist ja vor allem die Frage, wie sich Unternehmenskultur gestalten lässt.

Wie lässt sich Unternehmenskultur gestalten?

Unternehmenskultur lässt sich „nicht (…) durch die Verkündigung neuer organisationskultureller Werte verändern“ (Kühl, 2018).

Anders ausgedrückt:

Das Ausrufen von einer „neuen Fehlerkultur“, die Durchführung eines Innovationsworkshops und die Hoffnung, dass am Montag alles innovativ wird oder die Festschreibung neuer Werte zur Verbesserung der Kommunikationskultur bringen – kurz – nix!

Was aber dann? Dazu bringt es Kühl auf den Punkt:

Der einzige Hebel des Managements, die Organisationskultur zu verändern, sind Veränderungen der Formalstruktur. Nicht so, wie es sich ein steuerungsbegeistertes Management vielleicht wünschen mag – nämlich, dass mit der Verkündigung der formalen Struktur auch gleichzeitig die passenden Veränderungen der Organisationskultur mitangeregt werden könnten, sondern vielmehr dadurch, dass jede Veränderung in den offiziellen Berichtswegen, jede Verkündigung eines neuen offiziellen Ziels, jede Einstellung, Versetzung oder Entlassung Auswirkungen auf die informalen Prozesse in den Bereichen, Abteilungen oder Teams hat.“

Das wiederum sagt, dass egal, was getan wird, alle Veränderungen, die die Formalstruktur betreffen, Auswirkungen auf die Kultur haben.

Unter der Formalstruktur lassen sind die expliziten, in der Regel verschriftlichten Vorgaben innerbetrieblicher Abläufe und Strukturen in einer vorgegebenen Ordnung zu verstehen. Das können z.B. die Definition der Arbeitsteilung, die Beschreibung der Prozesse und Arbeitsabläufe oder die Festlegung von Weisungsbefugnissen sein.

Unklar bei der Veränderung der Formalstruktur bleibt jedoch, welche Auswirkungen genau diese Entscheidungen und damit Veränderungen auf die Kultur haben.

Und daraus wiederum folgt, „dass jede Entscheidung zur Veränderung der formalen Strukturen auf der Seite der Organisationskultur nicht nur antizipierte und gewollte, sondern auch ungewollte Nebenfolgen mit sich bringt“ (ebd.).

Schwierig, oder?

Egal, was in der Organisation an der Formalstruktur geändert wird, hat irgendwelche Auswirkungen auf die Kultur der Organisation. Und da soll man als Führungskraft durchblicken, Entscheidungen treffen und entspannt bleiben? Gibt es keine Möglichkeit, Kulturveränderungen „sicher“ anzugehen?

Doch, gibt es, zumindest „halbwegs sicher“:

Culture Hacks!

Unternehmenskultur gestalten: 19 Culture Hacks (nicht nur) für soziale Organisationen

Culture Hacks lassen sich als kleinen Interventionen und Impulse definieren, die einfach, schnell und „sicher“ getan werden können, um eine positive, sich idealerweise verstärkende Veränderung der Formalstrukturen herbeizuführen.

Culture Hacking ist damit die bewusste Gestaltung, Umsetzung und Bewertung kleiner Maßnahmen, um einen positiven kulturellen Wandel in der Organisation herbeizuführen.

Jetzt aber los.

Hier folgen 17 Culture Hacks für die Gestaltung der Unternehmenskultur sozialer Organisationen, die ich aus der eigenen Arbeit und natürlich aus dem Netz zusammengetragen habe. An dieser Stelle ganz lieben Dank an Maike Kueper, die unter dem Link hier einen tollen Thread versammelt hat, der sich ebenfalls mit kleinen Interventionen auf die Kultur befasst. Lohnt sich…

#1: Besprechungen nur im Stehen

Nicht umsonst heißen Daily StandUps StandUps: Sie finden im Stehen statt. Damit soll ausgedehnten Beschwerdesitzungen vorgebeugt werden. Dazu müssen idealerweise alle Möbelstücke aus dem Raum entfernt werden. Denn wenn man sich nirgends anlehnen oder den Ellbogen aufstützen kann, kann man sich auch nicht bequem (bspw. im eigenen Gejammer) niederlassen.

#2: Harte Fragen

Es wird keine Teamsitzung beendet, bevor nicht jede_r drei wirklich schwierige, harte Fragen gestellt hat. Damit sind Fragen gemeint, die man sich normalerweise im informellen Raum an der Kaffeemaschine nach dem Ende der Sitzung gegenseitig unter den Mitarbeiter_innen stellt. Dies setzt psychologische Sicherheit voraus und erfordert auch von der Führungskraft die Bereitschaft, sich auf die schwierigen Fragen offen einzulassen.

#3: Keine verpflichtende Teilnahme an Teamsitzungen

In meinem letzten Beitrag habe ich von der Idee geschrieben, Teamsitzungen zu gestalten, zu denen die Menschen kommen dürfen und nicht müssen. Probier das doch mal bei Dir aus: Es ist kein Problem, wenn jemand nicht kommt. Wenn Teamsitzung einladungsbasiert gestaltet werden, stellst Du fest, ob sie wirklich sinnvoll sind. Alternativ denkbar ist auch, Meetings wie Barcamps zu gestalten und das Gesetz er zwei Füße walten zu lassen: Wenn es Dir nicht passt, stehe auf und gehe aus der Sitzung!

#4: Keine Sitzungen und Meetings

Etwas radikaler als der vorgenannte Hack ist es, einfach mal für eine bestimmte Zeit alle Sitzungen nicht stattfinden zu lassen und zu schauen, was passiert. Vielleicht können endlich mal alle wirklich arbeiten.

#5: Nutzer*innen einbeziehen

Wie wäre es, bei allen (!) zu treffenden Entscheidungen die Nutzer*innen Deiner Organisation, die Zielgruppe, einzubeziehen? Und ja, egal welche Entscheidung – bei allen!

#6: Tabus benennen

Installiere ein Whiteboard im Eingang Deiner Organisation und schreibe nur eine einzige Frage drauf: „Was ist das größte Tabu hier ?“ Und dann lege jede Menge PostIts und Stifte daneben. (Danke an Nicolas Korte für die Idee) Alternativ könntest Du auch die Frage draufschreiben: „Wenn du eine Sache hier ändern könntest, was wäre das?“

#7: DUzen

Keine Ahnung, wie es in Deiner Organisation gehandhabt wird, aber wie wäre es, einfach alle zu duzen – wie gesagt, zumindest für einen begrenzten Zeitraum?

#8: Menschen zum Lern Coffee einladen

Selbst getestet und für gut befunden: Kennst Du alle Menschen in Deiner Organisation? Naja, alle ist vielleicht etwas viel. Aber gestalte doch eine Einladung zu einem Leon Coffee und verteile diese an Menschen, von denen Du denkst, dass ein Austausch weiterhelfen kann. Leon Coffee kennst Du nicht? Dann schau doch mal hier. https://agile-verwaltung.org/2016/08/18/aus-der-agilen-methodenkiste-lean-coffee-kollegialer-wissensaustausch-leicht-gemacht/

#9: Barcamp veranstalten

Ja klar, etwas aufwendiger, aber warum muss die nächste Veranstaltung in Deiner Organisation so wie immer (Kaffee, Vorstand spricht, Pausen sind das Beste) ablaufen? Wie wäre es stattdessen mit einem organisationsinternen Barcamp?

#10: Menschen auf Barcamps schicken

Wenn es schon kein eigenes Barcamp ist, warum nicht einfach festlegen, dass jede*r im Team mindestens ein Barcamp pro Jahr besuchen muss? Ja, muss! Um zu erleben, welche Kraft die Ideen der vielen entfalten kann und wie singhaft es ist, mitzugestalten.

#11: 10% Arbeit an eigenen Projekten ermöglichen

Ja, ich weiß, in unserem Kontext ist das oft schwierig, da sowieso alle zu 110 % ausgelastet sind und freie Zeit schon mal gar nicht finanziert wird. Aber vielleicht gelingt es ja für einen begrenzten Zeitraum: Jede_r darf 10% seiner_ihrer Arbeit für eigene Ideen, Projekte oder auch für das eigene Lernen aufwenden, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Am Ende wird vorgestellt, wer sich mit was befasst hat.

#12: Montags keine Meetings

Oben hatte ich ja vorgeschlagen, gar keine Meetings zu machen. Aber wie wäre es, wenn zumindest ein Tag in der Woche meetingfrei wäre? Gerne in Verwaltungs-, Führungs- oder Referent_innenpositionen muss man neben den Meetings ja auch irgendwann mal arbeiten…

#13: Geld für die Kündigung

Wie wäre es, jedem_r Mitarbeiter_in 5.000 EUR anzubieten, wenn er oder sie sofort kündigt? Klingt komisch, bringt aber zum Nachdenken über die Passung zum Unternehmen… Ja, ich weiß, unter Bedingungen des Fachkräftemangels nicht so einfach. Und gleichzeitig ist es so, dass die Menschen in der Organisation die Kultur prägen, immer.

#14: Feheler feiern

Oben hatte ich was von Fehlerkultur geschrieben. Aber mal ernsthaft: Geben wir Fehler gerne zu? Eher nicht, oder? Wir sind es vielmehr gewohnt, dass Fehler mit Sanktionen geahndet werden, was dazu führt, dass man neue, vielleicht etwas riskante Dinge gar nicht erst angeht. Wie wäre es stattdessen, Fehler explizit zu belohnen (Fehler des Monats?) und – das ist wichtig – daraus zu lernen?

#15: Befassung mit dem Wie der Zusammenarbeit

Anstatt dauernd über das Was (Aufgaben, Zeiten, Telefondienst…) zu sprechen, eine Teamsitzung explizit zur Festlegung von Leitlinien der gemeinsamen Zusammenarbeit nutzen und das gemeinsame Wie der Zusammenarbeit festlegen. Diese Leitlinien immer wieder anpassen (bspw. bei MA-Wechsel).

#16: 1 – 2 – 4 – all in Teamsitzungen nutzen

Irgendwie ist es doch immer so, dass die Lautesten am meisten sprechen?! Dagegen hilft es, die Methode 1 – 2 – 4 – all aus den liberating structures zu nutzen und somit alle (!) Beteiligten zu Wort kommen zu lassen.

#17: Lesen

Jede*r im Team muss ein (Fach-)Buch im Monat lesen und darüber berichten. Was??? Es gibt Fachbücher? Ja, sogar für das Sozialwesen. Aber leider ist es so, dass Fachliteratur nach dem Studium kaum noch in die Hand genommen wird. Das solltest Du ändern. Und wer nicht gerne liest: Wie wäre es mit Podcasts oder Youtube-Videos, die dann gemeinsam reflektiert werden und deren Ideen für die gemeinsame Arbeit genutzt werden?

#18: Bewerbungsverfahren abschaffen

Oben hatte ich den Fachkräftemangel schon mal erwähnt. Dieser ist real in unserer Branche. Und wie wäre es vor dem Hintergrund, einfach auf die oft sinnlosen Bewerbungsverfahren zu verzichten und nur die notwendigsten Dokumente einzufordern? Und dann gemeinsam zu arbeiten und die Probezeit wirklich als Probezeit – für beide Seiten – zu verstehen?

#19: Die Mitarbeiter_innen nach weiteren Culture Hacks fragen

Yoah, warum eigentlich nicht? Da kommt sicherlich etwas Spannendes zustande. Und dann einfach mal ausprobieren, was wie wirklich wirkt…

Experimentieren, oder: Der Culture Hacking Prozess

Im letzten Punkt habe ich „einfach mal ausprobieren“ geschrieben. Ein Prozess, der Sicherheit im Neuen gibt, macht jedoch Sinn. Denn um Culture Hacks einzuführen und zu testen ist ein experimentelles, aber trotzdem geleitetes Vorgehen hilfreich. Das geht so:

Der erste Schritt ist, sich im Team für einen Culture Hack, den man für einen bestimmten Zeitraum testen will, zu entscheiden. Hier hilft ein hypothesenbasiertes Vorgehen: „Wenn wir XY testen, passiert Z!“

Dann wählt man idealerweise eine_n Beauftrage_n, die den Prozess organisiert und am Laufen hält.

Zum Prozess ist relevant, einen Zeitraum bzw. eine Häufigkeit der Durchführung des Hacks festzulegen. Der Zeitraum sollte nicht zu lang und nicht zu kurz sein. Bewährt haben sich Zeiträume zwischen einem und drei Monaten, so dass genug Lernmöglichkeiten bestehen, das Durchhalten möglich ist und nicht vorzeitig abgebrochen wird.

Relevant ist außerdem, dass Feedback und Rückmeldungen zur Intervention gesammelt und nicht direkt diskutiert werden. Denn dazu sind die Retrospektiven da:

In der Retrospektive wird dann geschaut, was gut lief und wo Schwierigkeiten aufgetreten sind. Wichtig ist hier die Teamentscheidung, ob man den Hack fortsetzen oder wieder einstellen will. Darauf folgt dann entweder der nächste Schritt oder eine Pause.

Übergreifend macht es dann Sinn, die Erkenntnisse und Erlebnisse im Sinne des Co-learnings in der Organisation weiterzutragen.

Zum Abschluss ist mir noch wichtig, dass es sich bei den hier skizzierten Hacks um Culture Hacks auf Teamebene handelt. Es lohnt sich aber auch, zu überlegen, was Du ganz individuell ändern kann, um Impulse zu setzen und Veränderung zu bewirken. Wie wäre es bspw. damit, jeden Tag jemandem ganz explizit Danke zu sagen und die Arbeit einer_s Kolleg_in zu wertschätzen? Oder noch einfacher: Setz Dich einfach mal in der nächsten Teamsitzung auf den Platz, an dem normalerweise der_die Chef_in sitzt… 😉


Und jetzt Du: Welche Hacks kennst Du noch? Welchen Hack willst Du bei Dir vielleicht sogar testen? Und wenn Du schon getestet hast: Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Lass uns teilhaben an Deinen Erfahrungen.

Quellen:

  • Herget, J. (2021): Culture Hacks strategisch einsetzen – Mit gezielter Irritation zur gewünschten Unternehmenskultur. Springer. Download.
  • Kühl, S. (2018): Organisationskulturen beeinflussen (German Edition) (S.57). Springer Fachmedien Wiesbaden. Kindle-Version.
  • Schein, E.H. (1985): Organizational Culture and Leadership. A Dynamic View, San Francisco etc. (Jossey-Bass).

Teamsitzungen gestalten – aber sinnvoll!

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Die Corporate Rebels fragen in einem netten Beitrag, was passieren würde, wenn man einfach mal alle „Meetings“ aus dem Kalender streicht. Sie fordern „A Super-Strict Meeting Lockdown. Now!“. Was würde bei Dir in einem Meeting Lockdown passieren? Wahrscheinlich nicht so viel, oder? Und das ist schon spannend: Meetings, Teamsitzungen und Besprechungen sind Teil unserer Arbeitskultur. Sie gehören dazu. Und gleichzeitig kenne ich viele Menschen, die nicht nur genervt sind, sondern regelrecht Bauchschmerzen vor der nächsten Teamsitzung haben. Aber woran liegt das? Und was kann man ändern? Wie können wir Teamsitzungen sinnvoll gestalten? Darum geht’s hier!

Warum sind Teamsitzungen oft unbeliebt?

Diese Frage habe ich kürzlich auf Twitter gestellt:

https://twitter.com/HendrikEpe/status/1528385722641678336

Da es etliche Antworten gab, will ich diese hier nicht alle wiedergeben. Ich versuche vielmehr eine kurze Zusammenfassung zu machen:

#ThiscouldHaveBeenAnEmail

Wie oft bist Du schon aus einer Sitzung gegangen mit dem Gefühl, dass dieses Treffen besser eine Email gewesen wäre? So ist ein Problem, das immer wieder aufgezeigt wird, Teamsitzungen als reine Informationsveranstaltungen zu gestalten. Informationsweitergabe gelingt besser und einfacher in einer Email, von mir aus auch in einem kurzen Video oder in einem internen Podcast. Noch dazu sind reine Infoveranstaltungen langweilig und langwierig. Ebenso machen reine Veranstaltungen zur Organisation keinen Sinn, sofern die Organisation von was auch immer nicht alle Teilnehmer*innen betrifft.

Mehr als ein Thema

Immer wieder wurde auch genannt, dass Teamsitzungen viele verschiedene Themen reinnehmen, wodurch der Fokus auf ein Thema und die Lösung von einem Problem verloren geht. Kurz: Es wird zu viel in ein Meeting gepackt.

Keine Agenda

Ein weiteres Problem scheint immer wieder zu sein, dass man sich trifft, um sich zu treffen. Eine vorab definiert Agenda fehlt. Ohne Agenda leidet natürlich auch die Vorbereitung: Worauf soll man sich vorbereiten, wenn niemand weiß, was dran kommt? Ich kann mich noch gut an einige Teamsitzungen erinnern, in denen zu Beginn gefragt wurde, wer denn etwas hätte. Außer der Chefin waren das nie viele Personen.

Keine Zielsetzung

Das Ziel ist doch klar! Oder? ODER? Oder eben doch nicht? Wozu treffen wir uns eigentlich? Ganz so einfach zu beantworten ist das oft nicht. Vor allem dann nicht, wenn Teamsitzungen mehr als Informationsveranstaltungen sein sollen.

Push statt Pull

Themen werden aufgedrückt, anstatt diese durch die Teilnehmer*innen anhand von Notwendigkeiten und Prioritäten ziehen zu lassen. Hier werden fehlende agile Werthaltungen deutlich: Ich (als Chef) weiß doch, was wichtig ist – und darüber sprechen wir jetzt!

Ego first

Vor allem bei dominanten Personen in der Gruppe wird es schnell so, dass diese Person, genau, dominiert. Das Ego steht vor der gemeinsamen Zielsetzung und es geht nicht um die Ergebnisse, sondern um ein Präsentieren der dicksten…

Warum bist du dabei?

Ein Problem, das ebenfalls immer wieder genannt wurde, ist, dass die falschen Personen am Meeting teilnehmen. Klingt in unserem sozialen Kontext komisch, aber wenn die Zielsetzung und die Agenda klar ist, macht es Sinn zu überlegen, ob ich überhaupt einen nennenswerten Beitrag zur Teamsitzung leisten kann. Falls nicht, warum bin ich bzw. sind dann alle dabei? Denn: Wenn die, die da sind, die richtigen sind, dann wird es auch was mit dem Ergebnis.

Bei dieser kurzen Auflistung will ich es belassen. Mehr dazu findet ihr unter dem Tweet – das lohnt sich wirklich. Und bevor Du weiterliest, lohnt sich, über das Zitat von Peter Drucker nachzudenken:

„Meetings sind ein Symptom für schlechte Organisation. Je weniger Meetings, desto besser.“

Peter Drucker

Wie kann man Teamsitzung gestalten – aber sinnvoll?

Kommen wir aus der Problemfokussierung hin zur Lösungsorientierung:

Was kannst Du tun, um Deine Sitzung in Zukunft besser, anders, neu gestalten?

Logo, einfach das, was auf Twitter als Problem angesprochen ist, NICHT machen 😉 Aber ich will das etwas strukturieren, im Wissen, dass es auch im Netz und sonstwo tausende Hinweise und Tipps gibt, gute Meetings zu gestalten.

Hier ein Hinweis, dass die Befassung mit Meetings schon damals nicht neu war 😉

Thanks @hirndummy für das Bild 😉

Wozu treffen wir uns?

Vorab ist zu definieren, was Zweck des Meetings ist. So braucht jedes Meeting einen klares Zweck und ein klares Ziel. Entsprechend solltest Du Dich immer fragen: Warum braucht es diese Zusammenkunft? Was soll mit unserem Treffen erreicht werden? Zweck und Ziel sind entsprechend in der Einladung zum Teamsitzung zu kommunizieren.

Dieses Vorgehen macht auch bei regelmäßigen Sitzungen sind: Besprecht einmal im Team, wozu es die regelmäßigen Treffen gibt und welche Ziele ihr damit verfolgt. Haltet Zweck und Ziel fest und reflektiert diese dann regelmäßig (bspw. einmal im Jahr neu). Hierzu bieten sich Leitlinien für Teams an, in denen festgehalten ist, warum es bestimmte Treffen gibt.

Diesen Punkt abschließend will ich auf die Möglichkeit verweisen, Teamsitzungen hinsichtlich ihres Zwecks zu unterscheiden: Wie wären

a) wöchentliche, kurze Sitzungen, in denen der operative Alltag thematisiert wird,

b) monatlich aber mindestens ein Treffen zu absolvieren, in denen bspw. die Fallarbeit explizit im Vordergrund steht und

c) jedes Quartal die Ausrichtung, Weiterentwicklung und die Strategie in den Fokus der Teamsitzung zu nehmen?

Welches Format wählen wir?

Wie soll die Teamsitzung stattfinden? Welches Format macht für den Zweck des Meetings Sinn? Hier gibt es ja – auch durch die Pandemie vorangetrieben – Gott sei Dank inzwischen mehr Optionen als ausschließliche Treffen vor Ort. Warum machst Du nicht bspw. einmal monatlich ein Präsenztreffen und die restlichen Wochen finden die Teamsitzungen online statt? Oder hybrid (was eine Herausforderung darstellt)? Persönlich frage ich mich immer mal wieder, warum meine Frau den Weg zu ihrer Arbeitsstelle auf sich nehmen muss, um nicht unbedingt begeistert aus der Sitzung zurück zu kommen (und über Ressourcenverbrauch sprechen wir noch nicht mal…).

Über die Frage nach online und/oder Präsenz hinaus geht die Frage des sinnvollen Aufbaus: Welche Methoden, welche Formen der Dokumentation machen Sinn? Dazu aber wieder zur Frage vorher zurück: Wenn klar ist, welcher Zweck verfolgt werden soll, kann auch das Format gewählt werden.

Aus meiner Perspektive gehört zu einem guten Format immer auch ein „CheckIn“ (im Sozialen besser bekannt als „Befindlichkeitsrunde“ 😉 und ein CheckOut. Ich nutze immer gerne das Tool „CheckIn Fragen Generator, das auch CheckOut-Fragen generieren kann – einfach, schnell und öffnend.

Wer muss dabei sein?

Thomas Mampel schreibt, dass sie im Stadtteilzentrum Steglitz einen Versuch starten wollen, testweise auf Freiwilligkeit bzgl. der Teilnahem umzustellen. Das klingt erstmal nett: Ich bin dabei, wenn ich Bock habe?! Aber Thomas ergänzt, dass die Verbindlichkeit der Ergebnisse auch für die Menschen gewahrt bleiben muss, die nicht teilnehmen wollen (oder können):

https://twitter.com/TMampel/status/1528419110991937536

Aber sich die Fragen zu stellen, wer gebraucht wird, um das Ziel der Teamsitzung zu erreichen, ist hochgradig spannend. Vielleicht gibt es auch Personen, die unbedingt teilnehmen sollten? Und insgesamt macht es natürlich Sinn, so wenige Personen wie möglich und so viele, wie nötig einzuladen. Einfachheit ist essentiell, wie es im agilen Manifest so schön heißt.

Wie ist das zeitliche, räumliche und technische Setting?

Passen Raum und Zeit für den Zweck des Meetings? Hier treten immer wieder Probleme auf: Haben die Beteiligten bei Online-Meetings die notwendigen, technischen Voraussetzungen zur guten Teilnahme? Das ist in der Sozialwirtschaft nicht selbstverständlich. Und auch bei Teamsitzungen in Präsenz:

Ist der Raum so gestaltet, dass ein gutes Meeting stattfinden kann? Und darunter verstehe ich nicht, dass jede*r einen Tisch hat, es Kaffee und trockene Kekse gibt. Eher im Gegenteil: Muss der ganze Schnickschnack betrieben werden, oder machen Teamsitzungen ohne Tische, um Stuhlkreis, nicht oft vielmehr Sinn, wenn es um echten Austausch gehen soll? Und die Teamsitzungen heißen Teamsitzungen, weil man sitzt. Aber warum eigentlich? Macht stehen Sinn? Vielleicht sogar liegen?

Unter dem technischen Setting verstehe ich, dass es relevant ist, das benötigte Material vor Ort zu haben und nicht erst während der Sitzung nach der Flipchart, den Stiften und den PostIts zu suchen. Und im Online-Setting finde ich es immer noch faszinierend (beängstigend), dass es Menschen gibt, die während und auch nach der Pandemie noch nie mit einem Whiteboard gearbeitet haben (mein Tool ist hier Conceptboard). Frage mich dann immer, wie die Sitzungen in den letzten Jahren (!) gelaufen sind?!

Kurz noch zur zeitlichen Gestaltung: Versucht, Teamsitzungen so kurz wie möglich zu gestalten. Führt klare Zeiteinheiten ein, die dann auch eingehalten werden. Oftmals ergeben sich durch den Zeitdruck enorm gute Ergebnisse, da die Länge des blabla begrenzt ist. Hilfreich ist die Nutzung eines Timers, der anzeigt, wann die angesetzten 10 Minuten vorbei sind. Auch in Kleingruppen hat sich für mich die Methode 1 – 2 – 4 – all extrem bewährt (auch wenn sie sich anfänglich etwas gehetzt anfühlt).

Wer moderiert?

„Keine Meeting ohne Moderation.“ Das schreibt die Neue Narrative auf ihrer Meeting Canvas. Ich kann mich noch gut an Teambesprechungen erinnern, in denen unklar war, wer die Moderation übernimmt. Katastrophe. Meist wird die Rolle dann durch die Teamleitung übernommen. Ebenfalls Katastrophe.

Vielmehr ist vorab zur klären, wer für die Moderation verantwortlich ist. Ohne eine Klärung vorab ist eine Vorbereitung auf die Moderation nicht möglich. Nur im äußersten Notfall ist es hilfreich, die Moderation im Meeting zu übernehmen. Vielleicht schreibe ich mal noch einen Beitrag dazu, wie eine Moderation idealtypisch abläuft, denn: Einfach so voraussetzen, dass jede*r eine Teamsitzung (und dann auch noch ohne Vorbereitung) moderieren kann, können wir nicht!

Wie wollen wir die Ergebnisse transparent dokumentieren?

Wie wird sichergestellt, dass die Ergebnisse des Treffens festgehalten werden? Ja, klar, Protokoll! Das wird dann im Anschluss rumgeschickt… Aber Hand aufs Herz: Wer hat in seinem Leben schon jemals ein Protokoll gelesen? 😉

Nein, ernsthaft: Macht die Doku im Protokoll Sinn? Wirklich transparent ist das nicht. Macht es vielleicht vielmehr Sinn, die Ergebnisse auf einem (digitalen oder analogen) Teamboard festzuhalten (check this link für eine gute Vorlage für ein Teamboard)? Und macht es dann noch vielmehr Sinn, unmittelbar zu den aus den Ergebnissen folgenden Aufgaben Verantwortlichkeiten und Zeiträume für alle einsehbar festzuhalten? Aber hallo… Daraus resultiert dann auch die immer wieder bemängelte Verbindlichkeit in der Umsetzung der Aufgaben und Themen, die festgehalten wurden.

Relevant ist die transparente Gestaltung der Doku auch, da es gerade in der Sozialwirtschaft Teams gibt, die sich kaum gemeinsam treffen können. So behindern Arbeitsfelder, in denen die Betreuung der Bewohner*innen 24/7 an 365 Tagen im Jahr sichergestellt sein muss, die Möglichkeit, gemeinsam und kontinuierlich an Themen zu arbeiten.

Ja, tatsächlich, so etwas gibt es…

Wie sammeln wir die Themen für die nächste Teamsitzung?

Eine kurze Mail 30 Minuten vor der Teamsitzung, ob noch irgendwer Themen hat, macht keinen Sinn. In meinen Augen braucht es so etwas wie einen für alle immer leicht zugänglichen Ort, an dem Themen, neue Ideen, Fragen etc. gesammelt werden. Hier bietet sich wiederum das Teamboard (s.o.) an. Hilfreich kann eine Aufteilung der Themenbereiche in „Persönliche Themen“, „Beziehungsthemen (Konflikte…)“, „Fachlich-inhaltliche Themen“ und „organisational-strukturelle Themen“ sein. Mit dieser „Vier-Felder-Tafel“ (was würden Berater*innen ohne Vier-Felder-Tafeln machen?) sind alle wesentlichen Themenfelder abgedeckt.

Und aus einer guten, kontinuierlich laufenden Themensammlung kann dann auch das oben angesprochene „Push- statt Pull-Prinzip“ gelöst werden: Anstatt (angeblich) wichtige Themen (durch den*die Vorgesetzte) aufzudrücken (push), werden die anstehenden Themen nach Priorität gezogen (pull) und damit adäquat und zeitgerecht bearbeitet.

Falls es dann aber doch nicht möglich war, sich auf die Themen angemessen vorzubereiten: Warum nicht am Anfang (nach dem CheckIn 😉 kurz 10 Minuten Zeit zum Einlesen (in das letzte Protokoll oder was auch immer) zu geben, damit alle auf dem richtigen Stand sind?

Wann reden wir über uns?

Habt ihr Teamsitzungen (oder zumindest Zeiten in der Teamsitzung) reserviert, um Euch über Euch zu unterhalten? Falls noch nicht, versucht es mal: In sog. „Clear the air“ Meetings kann explizit (aber bitte strukturiert und respektvoll) Dampf abgelassen und Feedback gegeben werden. Außerdem macht es Sinn, hier die Art der Zusammenarbeit in den Fokus zu nehmen: Wie wollen wir arbeiten? Passt unsere Kommunikation untereinander? Leben wir die Werte, die irgendwo mal verschriftlicht waren? Usw…

Geben Dir Teamsitzungen Kraft?

Noch einmal: Das hier ist alles nicht neu oder besonders innovativ. Aber ich wollte es einmal für mich sammeln (und Dir damit vielleicht auch eine Handlungsanweisung mitgeben). Hier will ich aber noch einen Kernpunkt ansprechen:

So ist mein Gefühl (aus eigener Erfahrung, aus familiärer Erfahrung, aus der Erfahrung auf etlichen Elternabenden und basierend bspw. aus der Abfrage auf Twitter), dass Meetings, Teamsitzungen, Treffen… alles andere als „beliebt“ sind.

Oftmals rauben sie uns Zeit (sowieso). Oftmals rauben sie uns aber auch Kraft und Energie. Wenn das bei Dir so ist, solltest Du dringend an der Änderung der Gestaltung der Meetings arbeiten.

Damit die Frage an Dich: Wie wäre es, wenn Teamsitzungen Energie geben, die Motivation stärken, Begeisterung für die gemeinsame Arbeit wecken? Und was musst Du in Deinem Team dafür tun? Vielleicht fragst Du einmal nach, wie ein anderes, neues Setting der Teamsitzungen aussehen würde, das Kraft und Energie gibt anstatt klaut?

Teamsitzungen als Lernraum der Organisationsentwicklung

Abschließend erachte ich die Zeiten und Räume, in denen die Teamsitzungen stattfinden, als ideale Lern- und Experimentierräume um im Kleinen zu testen, wie iterativ größere Veränderungen in der Organisation ins Leben können. So wird immer wieder gefragt, wie man denn anfangen soll mit der Organisationstransformation.

Mein Tipp: Beginnt in den Teamsitzung mit iterativer, hypothesengestützter Arbeit an den für Euch wichtigen Veränderungen. Das geht wie folgt:

  1. Besprecht Herausforderungen, und haltet die Erkenntnisse aus den Gesprächen fest.
  2. Geht dann in die Frage, welche Hypothesen sich daraus ableiten lassen: „Wenn wir XY ändern, passiert Z!“
  3. Und legt dann konkrete Handlungsschritte fest, wie die Hypothese angegangen und getestet werden kann.
  4. Reflektiert dann mithilfe einer Retrospektive in einer der nächsten Sitzungen, ob ihr tatsächlich eine Veränderung erreicht habt, wo Hindernisse sind und was auch nicht funktioniert hat. Hier hilft die Methode „What, So What, Now What? W³“ aus den Liberating Structures schnell, einfach und zielführend. Aber wie gesagt: Ohne Reflexion über das, was sich geändert hat, macht alle Veränderung keinen Sinn.

Jetzt bin ich sehr gespannt auf Dein Feedback zur Gestaltung Deiner Teamsitzungen! Wie geht ihr vor? Was sind hilfreiche Tipps und Formate? Lass doch gerne nen Kommentar hier im Blog!

Ach ja, und zu den Leitlinien im Team findest Du hier nen Beitrag und hier einen kleinen Online-Workshop, der am kommenden Montag, 30.05.2022 via Zoom stattfindet und zu dem ich Dich gerne begrüßen würde…

Social Work Future Skills, oder: Welche Kompetenzen brauchen wir in der Zukunft?

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Puh, so viele englische Wörter, da wird einem ganz schwummrig. Aber im Zuge eines Workshops befasse ich mich gerade mit der Frage, welche Zukunftskompetenzen, welche Future Skills, für die Soziale Arbeit notwendig sind und wie es gelingen kann, diese zu entwickeln.

Hier will ich versuchen, meine Gedanken dazu etwas zu sortieren und Ideen zu generieren, die – aus meiner Sicht – zukünftig für die Soziale Arbeit relevant sind. Dazu werde ich auf die Diskussion rund um den Begriff der Future Skills eingehen, die Diskussionen zusammenführen und daran anschließend den Übertrag auf die Soziale Arbeit versuchen.

Hintergrund ist auch, dass mein Beitrag zu den „14 wichtigsten Kompetenzen für Soziale Arbeit und was das mit der Zukunft der Gesellschaft zu tun hat“ der mit Abstand meistgelesene Beitrag auf meinem Blog ist. Die Befassung mit den für Soziale Arbeit benötigten Kompetenzen scheint somit hoch relevant zu sein. Das könnte – so eine These – auch daran liegen, dass Sozialarbeiter_innen immer das Gefühl haben, „nichts so richtig“ zu können (was ich im Übrigen für ziemlichen Quatsch halte, im Gegenteil sogar).

Mit Blick auf die Future Skills ist schon zu Beginn darauf zu verweisen, dass die Diskussionen um Future Skills umfänglich und alles andere als einheitlich, empirisch gesichert und damit abschließend sind. Als weitere Herausforderung kommt hinzu, dass auch „die Soziale Arbeit“ kaum fassbar ist, da wir über eine Disziplin sowie Profession (really?) sprechen, die enorm ausdifferenziert ist.

Somit: Lass Dich auf eine Reise ein, die vielleicht spannend, vielleicht verwirrend und sicherlich nicht zu einem für alle gleichen Ziel führt. Es gilt vielmehr, immer wieder, in Schleifen, für Dich zu reflektieren, was in Zukunft für Dein Arbeitsfeld und Deine persönliche Entwicklung relevant werden wird. Denn – frei nach Tiger und Bär:

„Die Zukunft ist nie dort, wo man sich befindet.“

Future Skills – was ist das eigentlich?

„Future Skills werden definiert als Fähigkeiten, die in den nächsten fünf Jahren für das Berufsleben und/oder die gesellschaftliche Teilhabe deutlich wichtiger werden – und zwar über alle Branchen und Industriezweige hinweg.“

Dann ist alles klar, oder?

Nicht ganz, glaube ich, denn diese Definition oben ist „nur“ die Definition des Stifterverbands, die in einer gemeinsamen Arbeit mit McKinsey (you know, Konkurrenz von mir) entstanden ist. Das zeigt bereits ein Problem:

Future Skills werden vornehmlich aus der Perspektive von Unternehmen gedacht. „Was brauchen wir perspektivisch für Fähigkeiten unserer „Humanressourcen“, damit unser Laden weiter läuft?“ Der Stifterverband selbst schreibt, dass deren Arbeiten zu Future Skills davon ausgehen, dass „für Future Skills zwar bereits eine Reihe von Kompetenzkategorisierungen entwickelt wurden (…), aber die aktuellen Kompetenzbedarfe der deutschen Unternehmen dort bislang kaum adressiert sind.“

Schon in diesem Satz zeigt sich – neben der Unternehmensfokussierung – eine Paradoxie: Wenn die aktuellen Kompetenzbedarfe kaum adressiert sind, hat das wenig mit Future zu tun, oder übersehe ich etwas?

Die angesprochenen weiteren Kompetenzkategorisierungen im Bezug zu Future Skills finden sich übrigens unter anderem bei der OECD, dem World Economic Forum oder dem McKinsey Global Institute.

Zusammenfassend zeigt sich eine bunte Diskussion zum Thema, die immer kritisch zu beleuchten ist: Wer definiert hier was als Kompetenzen der Zukunft und vor allem: Warum?

Ach ja, „kritisch beleuchten“ würde ich vielleicht schon hier als eine der Future Skills bezeichnen:

Nur weil Klaus irgendwas im Internet gefunden hat, muss das nicht stimmen!

https://cdn.unitycms.io/images/4EvIaY2dK7kBB_Ik_1Oth0.jpg?op=ocroped&val=2001,2000,1000,1000,0,0&sum=6hhMv___zv4

Zur Komplexitätsreduktion in diesem Beitrag werde ich die folgende Definition von Future Skills von Ehlers (2020, 57) zugrundelegen:

Future Skills werden hier als Kompetenzen definiert, „die es Individuen erlauben in hoch emergenten Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein. Sie basieren auf kognitiven, motivationalen, volitionalen sowie sozialen Ressourcen, sind wertebasiert, und können in einem Lernprozess angeeignet werden.“

Aus dieser Definition folgend wird davon ausgegangen, dass sich unsere Welt auch in Zukunft nicht „einfacher“, sondern zunehmend dynamisch und damit komplexer entwickeln wird. Damit ist es kaum möglich, Kompetenzen als einmal gelernt und feststehend zu definieren. Die Entwicklungen verdeutlichen vielmehr die Notwendigkeit des kontinuierlichen Lernens (s.u.). Dies gilt auch und insbesondere für Fachkräfte der Sozialen Arbeit. .

Wesentlich in der obigen Definition erscheint mir der Begriff der Emergenz:

„Insbesondere solche Handlungskontexte, die hochemergente Entwicklungen von Lebens-, Arbeits-, Organisations- und Geschäftsprozessen aufweisen, benötigen Future Skills zur Bewältigung der Anforderungen. Emergenz definiert also die Trennlinie, die bisherige oder traditionelle Arbeitsbereiche und zukünftige Arbeitsbereiche voneinander abgrenzt.“

Emergenz ist erläuterungsbedürftig:

Emergenz sagt, dass aus Unordnung oder auch „aus dem Nichts“ selbstorganisiert neue und geordnete Strukturen in und von Systemen entstehen. Auf der Mikro-Ebene kann man sich das gut vergegenwärtigen, wenn man an die Begegnung von zwei unbekannten Menschen denkt: Aus ihrem „jeweils individuellen Verhaltens-Repertoire (das wiederum durch „Persönlichkeit“, „Lebenserfahrung“ etc. beeinflußt wird)“ (Klick) bildet sich selbstorganisiert ein für dieses Paar spezifisches Interaktionsmuster heraus, das beobachtet, beschrieben und rekonstruiert werden kann. Das Interaktionsmuster ist aber „weder durch die individuellen vorherigen Verhaltensweisen noch durch Gesellschaft, Kultur etc. allein bestimmt“ (ebd.).

Auf der Organisationsebene zeigt sich, dass eine Unterdrückung von der Möglichkeit zur Emergenz, bspw. durch rigide Führung von oben, durch Verhinderung von Diversität, durch Nachbesetzung von Stellen durch Personen mit immer gleichen Eigenschaften etc., es dazu kommen kann, dass Fortschritt, Lernen und Innovation der Organisation nicht mehr möglich sind. Man „schmorrt im eigenen Saft“, ohne neue Entwicklungen.

Auf individueller Ebene ist bezogen auf die Future Skills hervorzuheben, dass es innerhalb dieser emergenten Handlungskontexte um die Lösung komplexer Probleme und die Notwendigkeit geht, handlungsfähig zu bleiben und nicht in „Schockstarre“ zu verfallen. Handlung und Problemlösung stehen vor dem Erwerb von „Fachwissen“:

„In Bezug auf Fachkompetenz und Wissensbestände zeigt die Future Skills Studie, dass sich in vielen Organisationen immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass die Fähigkeit (…) zur Selbstinitiative, also dem Nachgehen und Umsetzen der (…) Impulse und Ideen und die damit eng verbundene Selbstkompetenz eine gleichwertige, wenn nicht vielleicht sogar wichtigere Rolle spielt als das Fachwissen“ (Ehlers, 2020, 16).

Der Blick auf die Arbeitsfelder Sozialer Arbeit zeigt, dass Emergenz und damit die Neubildung von Strukturen und Mustern in Systemen nicht nur Alltag ist (bspw. in der Begegnung der Sozialarbeiter_innen mit immer neuem Klientel), sondern sogar als Zweck Sozialer Arbeit definiert werden kann. Als Beispiel gilt es in der Gemeinwesenarbeit, die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich neue Strukturen innerhalb der Quartiere (selbstorganisiert) gestalten können.

Aber jetzt etwas konkreter:

Welche Future Skills gibt es?

Noch einmal: Hintergrund dieser Ausführungen sind die Überlegungen ausgehend von der „NextSkills Studie“ , die Ehlers in dem o.g. Buch darlegt (vgl. näher ebd., 31ff). Ich nutze die Ausführungen von Ehlers auch vor dem Hintergrund, dass Beloch (2020, 73) diese als „in hohem Maße anschlussfähig für die Soziale Arbeit“ sieht.

Die Ergebnisse der Studie kommen übergreifend zu drei Dimensionen, anhand derer die Future Skills strukturiert werden (ebd., 61):

  1. „Individuell-entwicklungsbezogene Future Skills, die sich auf die Entwicklungsfähigkeit der eigenen Person beziehen, hier individuell-entwicklungsbezogene Kompetenzen genannt,
  2. solche Future Skills die sich auf den Umgang mit bestimmten Gegenständen, Arbeitsaufgaben und Problemstellungen beziehen, hier individuell-objektbezogene Kompetenzen genannt, und
  3. solche Future Skills, die sich auf den Umgang mit der sozialen, organisationalen und institutionellen Umwelt beziehen, hier als organisationsbezogene Kompetenzen bezeichnet.“

Im Folgenden werde ich die Kompetenzen aufgrund des damit einhergehenden Aufwands nicht in der Tiefe beschreiben (vgl. dazu Ehlers, 2020, 63ff), sondern zunächst nur auflisten und die kurze Erläuterung aus der tabellarischen Übersicht von Ehlers (ebd., 94ff) einsetzen, um sie dann im nächsten Schritt übergreifend in Verbindung zur Sozialen Arbeit zu setzen.

Kompetenzfeld I: individuell-entwicklungsbezogene Future Skills

Subjekt-entwicklungsbezogene Kompetenzen umfassen die Fähigkeiten im eigenen Professions- Umfeld subjektiv handlungsfähig und aus sich heraus, selbstgesteuert lernen und sich entwickeln zu können. Dabei spielen eine hohe Autonomie, Selbstkompetenz, Selbstwirksamkeit und Leistungsmotivation eine wichtige Rolle.

  • Future Skill Profil #1: Lernkompetenz

Lernkompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft zum Lernen, insbesondere zum selbstgesteuerten Lernen. Sie erstreckt sich auch auf metakognitive Fähigkeiten.

  • Future Skill Profil #2: Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung und das Selbst-)Bewusstsein dafür, die zu bewältigenden Aufgaben mit den eignen Fähigkeiten umsetzen zu können, dabei Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen treffen zu können.

  • Future Skill Profil #3: Selbstbestimmtheit

Selbstbestimmungskompetenz bezeichnet die Fähigkeit, im Spannungsverhältnis von Fremd- und Selbstbestimmung produktiv zu agieren und sich Räume zur eigenen Autonomie und Entwicklung zu schaffen, sodass die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse in Freiheit und selbstbestimmt angestrebt werden kann.

  • Future Skill Profil #4: Selbstkompetenz

Selbstkompetenz ist die Fähigkeit, eigene persönliche und berufliche Entwicklung weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen zu gestalten. Dazu gehören Teilkompetenzen wie zum Beispiel selbständige Motivation, Zielsetzung, Planung, Zeitmanagement, Organisation, Lernfähigkeit und Erfolgskontrolle durch Feedback, aber auch Cognitive Load Management und eine hohe Eigenverantwortlichkeit.

  • Future Skill Profil #5: Reflexionskompetenz

Reflexionskompetenz umfasst die Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion, also die Fähigkeit, sich selbst und andere zum Zweck der konstruktiven Weiterentwicklung hinterfragen zu können sowie zugrundeliegende Verhaltens-, Denk- und Wertesysteme zu erkennen und deren Konsequenzen für Handlungen und Entscheidungen holistisch einschätzen können.

  • Future Skill Profil #6: Entscheidungskompetenz

Entscheidungskompetenz ist die Fähigkeit, Entscheidungsnotwendigkeiten wahrzunehmen sowie mögliche alternative Entscheidungen gegeneinander abzuwägen, eine Entscheidung zu treffen und diese auch zu verantworten.

  • Future Skill Profil #7: Initiativ- und Leistungskompetenz

Initiativ- und Leistungskompetenz ist die Fähigkeit zur Selbstmotivation sowie der Wunsch, etwas beizutragen. Beharrlichkeit und Zielorientierung formen die Leistungsmotivation. Zusätzlich spielt ein positives Selbstkonzept eine Rolle, sodass Erfolge und Misserfolge in einer Weise attribuiert werden, die nicht zur Senkung der Leistungsmotivation führen.

  • Future Skill Profil #8: Ambiguitätskompetenz

Ambiguitätskompetenz ist die Fähigkeit Vieldeutigkeit, Heterogenität und Unsicherheit zu erkennen, zu verstehen und produktiv gestaltend damit umgehen sowie in unterschiedlichen Rollen agieren zu können.

  • Future Skill Profil #9: Ethische Kompetenz

Ethische Kompetenz umfasst die Fähigkeit zur Wahrnehmung eines Sachverhalts beziehungsweise einer Situation als ethisch relevant einschließlich ihrer begrifflichen, empirischen und kontextuellen Prüfung (wahrnehmen), die Fähigkeit zur Formulierung von einschlägigen präskriptiven Prämissen zusammen mit der Prüfung ihrer Einschlägigkeit, ihres Gewichts, ihrer Begründung, ihrer Verbindlichkeit und ihrer Anwendungsbedingungen (bewerten) sowie die Fähigkeit zur Urteilsbildung und der Prüfung ihrer logischen Konsistenz, ihrer Anwendungsbedingungen und ihrer Alternativen (urteilen).

Kompetenzfeld II: Individuell objektbezogene Future Skills

In einer zweiten Gruppe von Kompetenzen befinden sich sogenannte individuell-objektbezogene Fähigkeiten. Dies sind Fähigkeiten, die sich darauf beziehen in Bezug auf bestimmte Gegenstände, Themen und Aufgabenstellungen kreativ, agil, analytisch und mit hohem Systemverständnis zu agieren, auch unter hochgradig unsicheren und unbekannten Bedingungen.

  • Future Skill Profil #10: Design Thinking-Kompetenz

Design Thinking-Kompetenz ist die Fähigkeit in einem gegebenen Kontext und in Bezug auf einen bestimmten gegebenen Gegenstand (Objekt) kreativ Veränderungen anzustreben, Rahmenbedingungen und Anforderungen des jeweiligen Kontexts wahrzunehmen und zu analysieren, daraus Ideen zu generieren und Handlungen abzuleiten. Dabei spielen Interdisziplinarität, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und Flexibilität in der Lösungssuche sowie Offenheit verschiedenen Ansätzen gegenüber einer besonders wichtigen Rolle.

  • Future Skill Profil #11: Innovationskompetenz

Innovationskompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft zu experimentieren, und dabei kreativ Neues und vorher Unbekanntes zu schaffen, indem Assoziation, Dekonstruktion und Konstruktion genutzt werden.

  • Future Skill Profil #12: Systemkompetenz

Systemkompetenz ist die Fähigkeit und Bereitschaft, einzelne Phänomene als einem größeren System zugehörig zu erkennen, Systemgrenzen und Teilsysteme sowohl zu identifizieren als auch sinnvoll zu bilden, die Funktionsweise von Systemen zu verstehen und aufgrund der Kenntnis der Veränderungen einzelner Systemkomponenten Vorhersagen über die weitere Entwicklung des Systems zu machen sowie deren Umsetzung und Anwendung in verschiedenen Situationen und Kontexten. Dazu gehört auch die Fähigkeit sich an Systembedingungen anpassen zu können, um in einem System in gewünschtem Maße agieren zu können.

  • Future Skill Profil #13: Digitalkompetenz

Digitalkompetenz ist die Fähigkeit, digitale Medien zu nutzen, produktiv gestaltend zu entwickeln, für das eigene Leben einzusetzen und reflektorisch analytisch ihre Wirkungsweise zu verstehen sowie die Kenntnis über die Potenziale und Grenzen digitaler Medien und ihrer Wirkungsweisen.

Kompetenzfeld III: Organisationsbezogene Future Skills

In einer dritten Gruppe befinden sich Kompetenzen, die sich auf den Umgang mit der sozialen, organisationalen und institutionellen Umwelt beziehen. Hierzu gehören Fähigkeiten wie Sinnstiftung und Wertebezogenheit, die Fähigkeit, Zukünfte gestaltend mitzubestimmen, mit anderen zusammenzuarbeiten und zu kooperieren und in besonderer Weise kommunikationsfähig, kritik- und konsensfähig zu sein.

  • Future Skill Profil #14: Sensemaking

Sensemaking (Sinnstiftung) beschreibt den Prozess, mit dem Menschen, den über die Sinne ungegliedert aufgenommenen Erlebnisstrom in sinnvolle Einheiten einordnen. Je nach Einordnung der Erfahrung kann sich ein unterschiedlicher Sinn und damit eine andere Erklärung für die aufgenommenen Erlebnisse ergeben. Es ist insbesondere die Fähigkeit, in unterschiedlichen (organisationalen) Kontexten einerseits Strukturen und Werte zu erkennen und andererseits Erfahrungen und Wahrnehmungen produktiv und positiv in für sich sinnvolle Bedeutungen zu gliedern.

  • Future Skill Profil #15: Zukunfts- und Gestaltungskompetenz

Zukunftskompetenz ist die Fähigkeit mit Mut zum Neuen, Veränderungsbereitschaft und Vorwärtsgewandtheit die derzeit gegebenen Situationen in andere, neue und bisher nicht bekannte Zukunftsvorstellungen weiterzuentwickeln und diese gestalterisch anzugehen.

  • Future Skill Profil #16: Kooperationskompetenz

Kooperationskompetenz ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit in Teams, auch interkulturell, in Präsenzinteraktion oder durch Zuhilfenahme von Medien, innerhalb oder zwischen Organisationen, Zusammenarbeit so zu gestalten, dass bestehende Differenzen in Gemeinsamkeiten überführt werden können. Dabei spielen soziale Intelligenz, Offenheit und Beratungskompetenz eine wichtige Rolle.

  • Future Skill Profil #17: Kommunikationskompetenz

Kommunikationskompetenz umfasst neben sprachlichen Fähigkeiten auch Diskurs-, Dialog- und strategische Kommunikationsfähigkeit, um in unterschiedlichen Kontexten und Situationen situativ angemessen erfolgreich kommunikativ handlungsfähig zu sein.

Social Work Future Skills

Und? Hast Du die Kompetenzen „durchgearbeitet“? Spannend, oder?

Für mich insbesondere spannend, wenn man den unmittelbaren Bezug herstellt zu der Frage:

„Wo stehen wir in der Sozialen Arbeit in Bezug auf diese Kompetenzen?“

Für mich gibt es ein auf mehreren Ebenen sehr differenziertes Bild, das ich hier nur zusammenfassend wiedergeben kann:

Was fehlt?

Kritisch anzumerken ist, dass die für die Soziale Arbeit handlungsleitende Perspektive der Nutzer_innen im Future Skills Modell von Ehlers kaum berücksichtigt wird.

Einzig aus „Future Skill Profil #10: Design Thinking-Kompetenz“ lässt sich der in meinen Augen in den Sozialen Berufen dringend benötigte und ausbaufähige Perspektivwechsel hin zur Orientierung an den Bedarfen der Nutzer_innen oder, anders formuliert, hin zur Orientierung am „Willen anstatt am Wunsch“, wie Hinte im Konzept der Sozialraumorientierung ausführt (vgl. Hinte, 2019), ableiten.

Das ist nicht nur hinsichtlich der operativen Arbeit notwendig (bspw. Entwicklung von Angeboten unter Einbezug der Nutzer_innen), sondern auch hinsichtlich der politischen Lobbyarbeit bspw. der Wohlfahrtsverbände, die immer im Sinne der Nutzer_innen und nicht basierend auf dem eigenen Systemerhalt erfolgen sollte (und oft auch erfolgt).

Die Soziale Arbeit ist #FutureProfession

Auf den ersten Blick erscheinen die aufgezählten Future Skills überfordernd: „Das jetzt auch noch?“

Der zweite Blick zeigt jedoch, dass es sich bei den skizzierten Future Skills um Kompetenzen handelt, die sich als überfachliche und damit personale und sozial-kommunikative Kompetenzen definieren lassen: Es geht vornehmlich nicht um die Aneignung neuer Fachkompetenzen in einem spezifischen Feld. Vielmehr geht es übergreifend um die Aneignung von überfachlichen Sozial- und Selbstkompetenzen (vgl. näher dazu hier) für zukünftiges und damit – logisch – unbekanntes Handeln.

Die überfachlichen Sozial- und Selbstkompetenzen lassen sich als für profesionelles sozialarbeiterisches Handeln essentiell bewerten. So sind bspw. Fähigkeiten wie Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit, Konfliktmanagement oder die Fähigkeit, die Gefühle, Sichtweisen und Interessen anderer zu berücksichtigen (Empathie) wesentlich auf Ebene der Sozialkompetenzen wesentlich für die Soziale Arbeit. Auf Ebene der Selbstkompetenzen tauchen Fähigkeiten wie die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, die Fähigkeit, sich auf veränderte Umstände einzustellen, die Reflexionsfähigkeit, um u.a. eigene Stärken und Schwächen einschätzen können oder auch Kreativität hinzu, die ebenfalls aus der professionellen Sozialen Arbeit nicht wegzudenken sind.

Ohne in die Tiefe gehen zu können lässt sich damit behaupten (und diesen Begriff nutze ich sehr bewusst), dass Sozialarbeiter_innen bereits eine gute Grundlage auch in Bezug auf die Future Skills mitbringen.

Beloch (2020, 73) kommt zu einer ähnlichen Auffassung, wenn er unter Bezugnahme des Modells von Ehlers, jedoch mit explizitem Fokus auf die Digitalisierung, schreibt, dass „das Studium der Sozialen Arbeit mit der Vermittlung von klassischen Schlüsselkompetenzen bereits einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung auf die Digitalisierung“ leistet.

Nicht umsonst schreibe ich immer wieder gerne von der #futureprofession, wenn es um die Soziale Arbeit geht. Hier sei erneut auf den Beitrag zu den 14 wichtigsten Kompetenzen für Soziale Arbeit verwiesen.

Spoiler: Diese Kompetenzen sind es, die im Beitrag angesprochen werden:

  1. Zuhören können
  2. Sich in andere einfühlen können (Empathie)
  3. Mit anderen kooperieren können (Teamfähigkeit)
  4. Über sich und sein Arbeit reflektieren können (Reflexionsfähigkeit)
  5. Konflikte austragen können (Konfliktfähigkeit)
  6. Wissen, wo man wie, welche Ressourcen mobilisieren kann
  7. Sich schnell auf neue Situationen einstellen können
  8. Widersprüche aushalten können
  9. Sich entscheiden können (Entschiedenheit)
  10. Kritisch denken
  11. Sich distanzieren können
  12. Sich gut in Rechtsfragen auskennen
  13. Humor haben und einsetzen
  14. Über viel Fachwissen verfügen

Da zeigen sich schon einige Parallelen zu den obigen Future Skills, oder?

Noch etwas professioneller ausgedrückt schreibt Völter (2022, 45):

„Vom Grundsatz her könnten Sozialarbeitende aufgrund der Entstehungsgeschichte und der Wissensbestände ihrer Disziplin besonders gut auf die verunsichernden gesellschaftlichen Bedingungen der Postmoderne resp. der Risikogesellschaft (Beck, 1986) eingehen, nämlich kreativ und selbstreflektiert, ethnografisch, fall- und biografieorientiert. Sozialarbeitende sollten diesbezüglich selbstbewusst wissen, und auch dies gehört im Kern zur Professionalisierung dazu, dass ihre Anwendung einzelner Instrumente und Methoden nicht unilinear zum gewünschten Ziel und Erfolg führt (Luhmann, Schorr, 1982, nannten das: „Technologiedefizit“).

Und doch bleiben einige Aspekte offen und entwicklungsbedürftig, die ich im Folgenden kurz skizzieren will:

Ausruhen? Auf keinen Fall!

Man könnte aufgrund der Ausführungen zu den bereits vorhandenen Sozial- und Selbstkompetenzen in der Sozialen Arbeit schnell zum Schluss kommen, dass wir uns getrost zurücklehnen und die Zukunft schon entspannt auf uns zukommen lassen könnten.

Das ist aber bei Weitem nicht der Fall.

Allein die kurzen Statements aus Personalverantwortlichen in der sozialen Praxis, die darauf hinweisen, dass die Studierenden „nach dem Studium erstmal bei uns ausgebildet werden müssen“, zeigen den enormen Entwicklungsbedarf.

Die Ausbildung von Kompetenzen im Zuge der Digitalisierung hinkt an Hochschulen hinterher (auch wenn es inzwischen einige wirklich gute Entwicklungen gibt). Und wenn man den Weg weiter von der Digitalisierung hin zur Entwicklung von Kompetenzen für eine „Kultur der Digitalität“ geht, wird es zunehmend einsamer. Und:

Digitalisierung und Digitalität ist mit Blick auf die Zukunft bei Weitem nicht alles. Nicht umsonst taucht die Digitalkompetenz nur in Future Skill Profil #13 explizit auf. Future Skills ist mehr als Digitalkompetenz.

Die von Ehlers aufgeführten Kompetenzen lassen sich eine nach der anderen in den Blick nehmen und mit der Realität in der Sozialen Arbeit abgleichen.

Beispielhaft ist zu fragen, ob wir in der Branche die Fähigkeit und Bereitschaft haben, zu experimentieren und dabei kreativ Neues und vorher Unbekanntes zu schaffen, indem Assoziation, Dekonstruktion und Konstruktion genutzt werden (Innovationskompetenz)? Haben wir die Fähigkeit mit Mut zum Neuen, Veränderungsbereitschaft und Vorwärtsgewandtheit die derzeit gegebenen Situationen in andere, neue und bisher nicht bekannte Zukunftsvorstellungen weiterzuentwickeln und diese gestalterisch anzugehen (Zukunfts- und Gestaltungskompetenz)? Und so weiter, und so fort…

Und ja, manche Menschen in der Sozialen Arbeit haben diese Kompetenzen, ganz klar, aber es gilt, unsere Branche, das Sozialwesen, zukunftsfähig aufzustellen, damit die Beschäftigten auch in Zukunft ihre Arbeit möglichst gut, sinnstiftend und im Sinne der Verantwortung für Menschen und Gesellschaft machen können.

Future Skills in der Sozialen Arbeit ist doppelte Verantwortung

Ach ja, a propos Verantwortung für Menschen und Gesellschaft:

Wir beschäftigen uns ja nicht nur mit uns selbst. Oben hatte ich kurz angesprochen, dass der Fokus auf die Zielgruppe in den Future Skills nicht umfassend genug angesprochen wird.

Aber Soziale Arbeit hat ja immer einen „Bildungsauftrag“: Wenn es in der Sozialen Arbeit darum geht, „gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen“ zu fördern, wie es in der Definition Sozialer Arbeit sehr passend heißt, ist es Pflicht der Beschäftigten in der Sozialen Arbeit die Menschen auf dem Weg in eine wie auch immer geartete Zukunft zu begleiten.

Future Skills sind damit nicht nur für uns als Profession relevant, sondern auch mit Blick auf unsere Zielgruppen:

Wie gelingt es, die uns anvertrauten Menschen auf dem Weg zur Erlangung von Future Skills zu begleiten, damit diese auch in Zukunft autonom und selbstbestimmt leben können?

Der in der Definition Sozialer Arbeit formulierte Auftrag an die Soziale Arbeit sollte doch Anreiz genug sein, sich selbst mit Future Skills zu befassen?

Organizational Future Skills, oder: Strukturen zur Entwicklung von Future Skills

Abschließend will ich aber noch einen Aspekt aufgreifen, der nicht unerwähnt bleiben sollte:

So schreibt Beloch in seinem Fazit (2020, 73), dass „individuelle Kompetenzanforderungen nie losgelöst von den strukturellen Bedingungen, in denen die Individuen agieren, betrachtet werden“ dürfen.

Anders formuliert: Die Entwicklung von Future Skills kann und darf nicht allein den Menschen in der Sozialen Arbeit überlassen werden. Vielmehr braucht es auch strukturelle Rahmenbedingungen, innerhalb derer Future Skills entwickelt werden können.

Konkret geht es bei den strukturellen Bedingungen um die sozialen Organisationen: Solange soziale Organisationen nicht selbst ihre Zukunftsfähigkeit in den Blick nehmen und die Organisationsentwicklung aktiv und orientiert an der Wertschöpfung der Organisation gestalten, ist es müßig, von dem Mitarbeiter_innen zu verlangen, dass sie sich doch mal „innovativ, agil, open minded“ verhalten und an ihrem „Mindset“ arbeiten sollen. Die Verlagerung struktureller Probleme innerhalb von Organisationen auf einzelne Menschen kann und wird nicht gelingen. Dieses Vorgehen ist nicht nur übergriffig, sondern widerspricht zudem allen Erkenntnisses des Funktionierens sozialer Systeme.

Es gilt somit, „organizational future skills“ (netter Begriff, ich lasse mir den patentieren…) zu gestalten, was alle Aspekte zeitgemäßer Organisationsentwicklung umfasst. Hervorheben will ich aber den Aspekt der Ermöglichung von „New Learning“ bzw. die Ausbildung von „New Learning Ecosystems“ in und von Sozialen Organisationen. Hier aus Platzgründen nur der Hinweis auf einen Beitrag zu „New Learning in der sozialen Arbeit“.

Die Ermöglichung von Strukturen für New Learning braucht jedoch auch die Entwicklung politischer Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von „Organizational Future Skills“ ermöglichen. Aufgegriffen habe ich den Aspekt in einem Beitrag, in dem ich die zwei gegensätzlichen Funktionslogiken von sozialen Organisationen auf der einen und den Kostenträgern auf der anderen Seite beschrieben habe: Soziale Organisationen sind darauf angelegt und angewiesen, Komplexität gestalten, immer wieder neu, schnell und „agil“ im besten Sinne agieren zu müssen. Hingegen agieren Kostenträger sicherheits- und kontrollorientiert. Sie „fokussieren in ihren Strukturen und Handlungsweisen auf Rechtmäßigkeit und Berechenbarkeit bei hoher Zuverlässigkeit, Effektivität und Effizienz“ (Klick).

Ohne die Möglichkeit, dass die Leistungsträger neue Wege gehen können und dürfen und diese neuen Wege auch refinanziert bekommen, wird eine zukunftsfähige Ausrichtung der Sozialen Arbeit nur unter großem Aufwand gelingen.

Ende und Anfang

Noch mal kurz:

Die Soziale Arbeit verfügt bereits über enorme Ressourcen und Kompetenzen zur Gestaltung der Zukunft.

Und gleichzeitig gilt es, den Fokus auf die Entwicklung von Future Skills explizit zu richten. Dies nicht nur aus dem Grund, die eigene Handlungsfähigkeit auch perspektivisch sicher zu stellen, sondern insbesondere für die Nutzer_innen Sozialer Arbeit.

Zur Entwicklung von Future Skills reicht es jedoch nicht, auf die Verantwortung jeder_s Einzelnen zu setzen. Vielmehr braucht es „Organizational Future Skills“ sowie „Social Systems Future Skills“. Damit gelingt auch dieses New Work – innerhalb Sozialer Organisationen und in der Gesellschaft als Ganzes.

Unabhängig davon aber plädiere ich dafür, dass es dringend Zeit ist, sich auf den Weg zu begeben – jede_r Einzelne, die Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit sowie die darüber hinausgehend Politik und die von Sozialer Arbeit tangierten Funktionssysteme. Long way to go!

Aber die Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Zukunft ist unglaublich spannend, macht Spaß und ist deutlich zielführender als das ewige Gejammer darüber, was warum wie nicht geht. Und ich gehe für mich davon aus, dass ich mich vertieft damit befasse, wie es bestmöglich gelingen kann, Future Skills zu entwickeln. Dranbleiben lohnt sich 😉


P.S.: Und wie gelingt es Dir, Deine Future Skills zu entwickeln? Wo siehst Du Chancen und Möglichkeiten in (Organisationen) der Sozialen Arbeit? Und wo steht Deine Organisation in Bezug auf „Organizational Future Skills“? Lass doch gerne einen Kommentar hier…

Quellen:

  • Beloch, F. (2020): Digital Literacy, Future Skills und Co. – Kompetenzprofile in einer digitalisierten Sozialen Arbeit. Unveröffentlichte Masterthesis, Münster.
  • Ehlers, U.-D. (2020): Future Skills, Zukunft der Hochschulbildung – Future Higher Education. Wiesbaden, Springer.
  • Hinte, W. (2019): Sozialraumorientierung – Grundlage und Herausforderung für professionelles Handeln. In: Fürst, Roland; Hinte, Wolfgang (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten. Wien. S. 9 – 28.
  • Völter, B. (2022): Die Soziale Arbeit als zukunftsweisende Wissenschaft und Profession. In: Rüve, G., Altvater, P. (2022, Hrsg.): Strategische Entwicklung von Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. HIS-Institut für Hochschulentwicklung e. V., Hannover. S. 42 – 50.

Wie es gelingt, eine Kultur der Verbundenheit zu etablieren (und welche Rolle Verbindlichkeit dabei spielt)

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Es ist schon spannend, oder? Viele Unternehmen versuchen über Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Organisationskultur, über großartig klingende Leitbilder, intensive Mitarbeitergespräche, über aufwendige Befragungen der gesamten Belegschaft und viele weitere Aktionen die Verbundenheit zur eigenen Organisation und zur eigenen Arbeit im Alltag zu erhöhen. Der Aufwand, den viele – auch soziale – Organisationen in diesem Bereich betreiben, ist hoch. Und dann kommt eine Pandemie, eine echte, ernsthafte Krise, die alles von den Mitarbeiter*innen, den Führungskräften und der gesamten Organisation abverlangt. Und ganz aktuell kommt auch noch der Ukraine-Krieg hinzu. Dabei ist noch unklar, was uns und Ihnen abverlangt werden wird. Zweifelsohne waren die Anstrengungen in der Krise mehr als belastend. Und sie sind es immer noch. Aber: Die Verbundenheit zur Organisation in der Krise steigt – zumindest kurzfristig. Wie aber kann es gelingen, diese Verbundenheit langfristig zu behalten und eine Kultur der Verbundenheit zu gestalten?

Dazu findest Du hier einige Gedanken, die ich als Impuls auf einer Führungskräfteklausur eines großen, sozialen Trägers einbringen durfte.

Arbeiten im Krisenmodus

In meinen Gesprächen und Beratungen in vielen Organisationen konnte ich feststellen, dass Zusammenhalt und Verbundenheit im Team, in der Abteilung, in der Gesamtorganisation in dieser Krise zugenommen hat.

Die Arbeit im Krisenstab, der regelmäßige, schnelle Austausch, auch Entscheidungen, die noch vor wenigen Wochen, Monaten, geschweige denn Jahren undenkbar gewesen wären, haben gezeigt, dass es in der Krise zählt, zusammenzustehen! Die aktuellen, dramatischen politischen Entwicklungen zeigen Ähnliches auf europäisches Ebene: Eine höhere Solidarität und ein höheres Gemeinschaftsgefühl gab es selten. Selbst die totgeredete NATO ist lebendiger denn je (auch wenn ich ko… könnte, dass ein Krieg und die damit einhergehenden massiven Massnahmen Auslöser dafür sind).

Klar ist aber: In der Krise müssen, können und wollen wir gemeinsam das Chaos bewältigen!

Ja, natürlich, das ist auch pauschal und funktioniert längst nicht immer!

Natürlich gab und gibt es auch gegenteilige Entwicklungen:

Homeoffice, digitale Arbeit und digitale Führung, – gerade im sozialen Bereich waren wir das nicht gewohnt –  führten, schlecht umgesetzt, auch zu Entfremdung und offener oder versteckter Distanzierung.

Und aktuell erlebten wir in der Gesellschaft Spaltungstendenzen, ein Auseinanderdriften mehr oder minder sachlich begründeter Meinungen, angefeuert durch die Debatten um die „richtigen“ Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie.

Innerhalb der Organisationen spitzen sich die Diskussionen zu, wenn es um die einrichtungsbezogene Impfpflicht geht. Wir beobachten:

Teams driften auseinander, Menschen, die vorher gemeinsam (und oft gut) miteinander gearbeitet haben, sprechen nicht mehr miteinander, beschimpfen sich, können oder wollen die Haltungen und Meinungen der jeweils anderen Seite nicht verstehen.

Lebensrelevanz

Hier will ich aber bei den positiven Auswirkungen der Krisenbewältigung bleiben (nicht: den positiven Auswirkungen der Krise. So finde ich den Ausspruch der „Krise als Chance“ ziemlich unpassend, da die Auswirkungen zu dramatisch sind und waren).

In vielen Gesprächen und Beratungen, die ich mit Menschen und in den unterschiedlichsten Sozialen Organisationen geführt habe, wurde in den letzten Monaten sehr klar erkannt und bekannt:  

Jetzt müssen wir ran, jetzt sind wir, die Mitarbeiter*innen und die Führungskräfte im Sozialwesen, gefordert. Jetzt, in der Krise, ist es Zeit, die uns anvertrauten Menschen in unseren Organisationen, Mitarbeiter*innen, vor allem aber unsere Klient*innen bestmöglich zu schützen und zu unterstützen!

Diesbezüglich hat sich – nicht zu Unrecht – der Begriff der „Systemrelevanz“ unserer Branche etabliert.

Da kann man schon mal klatschen, finde ich… ;-/

Dieser “neue” Begriff der Systemrelevanz trifft die Aufgabe zwar schon recht genau, aber aus meiner Sicht ist er zu schwach, sowohl in der Aufgabenbeschreibung wie in seinem Aufmerksamkeitswert:

Natürlich sind soziale Organisationen dafür da, das System, die Gesellschaft am Laufen zu halten (der Hinweis auf das Triple-Mandat Sozialer Arbeit sei hier nur kurz angeführt).

In vielen Fällen und gerade in stationären Einrichtungen der Arbeit mit Menschen mit Behinderung, mit alten Menschen und auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geht es um mehr als Systemrelevanz.  Hier geht es um weit mehr:

Es geht um “Lebensrelevanz“!

Ja, und häufig geht es in unseren Organisationen sogar um “Überlebensrelevanz”!

Menschen in Sozialen Berufen haben in den letzten beiden Jahren mit aller Kraft versucht, das Überleben der anderen sicherzustellen. Das ist weit mehr als Systemrelevanz.

Und oft waren sie sich in dieser Aufgabe sehr nah, sehr miteinander verbunden.

Was aber liegt hinter der häufig spürbaren, häufig gewachsenen Verbundenheit in der Krise? Was bedingt, dass plötzlich alle oder zumindest fast alle Menschen in der Organisation „an einem Strang“ gezogen haben und dann auch noch in eine Richtung?

Was führt zur Verbundenheit in der Krise?

Ein Aspekt liegt auf der Hand: Im Vordergrund steht die gemeinsame Aufgabe. Der Zweck des Handelns in der Krise ist klar. In der Krise wird unmittelbar deutlich, um was es geht. Es geht um mehr als um einen beliebigen Job!

Die Diskussionen über das gemeinsame Ziel sind damit obsolet. Denn das gemeinsame Ziel liegt unmittelbar, offen-sichtlich, schmerzlich sichtbar vor uns: Krisenbewältigung! Wir müssen gemeinsam gut durch die Krise kommen!

Spannende Frage in diesem Zusammenhang:

Trägt das Fundament unserer wechselseitigen Beziehungen – auch in der Krise?

Ohne eine stabile Beziehungsbasis besteht die Gefahr, dass sich die Menschen in der Krise nicht auf das gemeinsame Ziel fokussieren, sondern einzig und allein auf die Rettung der eigenen Haut.

Hier lassen sich auch persönliche, innerfamiliäre Entwicklungen feststellen: In der Krise hat das engste Umfeld, haben Familie und Freunde Priorität. Das sind die Menschen, zu denen man die engste Beziehung hat.

Hier ein kleiner Filmausschnitt, den Du vermutlich kennst: Es ist die Schlussszene aus dem Film „Der Club der toten Dichter“.

Der Clip zeigt, wie stabil das Fundament der Beziehung der Schüler zu ihrem Lehrer ist. Ohne diese Basis, ohne die tiefe, innige Beziehung wäre niemand aufgestanden! Niemand hätte sich den formalen Vorgaben, den Regeln widersetzt!

Der Filmausschnitt zeigt aber auch, dass es manchmal notwendig, ja, unumgänglich ist, Dinge anzusprechen, die nicht der Regel, nicht der Kultur, nicht dem Mainstream entsprechen.

Nur dann, wenn es möglich ist, Dinge anzusprechen, die im tiefen Inneren verborgen liegen, kommt alles zur Sprache, was wichtig ist, um eine Situation, eine problematische Aufgabe, ja auch eine Krise gemeinsam zu bewältigen.

Wie lässt sich Verbundenheit über die Krise hinaus in der täglichen Arbeit gestalten?

Für den Arbeitsalltag als Führungskraft ist es wichtig, von Machbarkeitsfantasien Abstand zu nehmen:

Verbundenheit ist nichts, was sich gesteuert herstellen lässt!

Beziehung lässt sich nicht verordnen – unabhängig von der Position in der Hierarchie, unabhängig von “formalen” Macht.

Führungsaufgabe ist vielmehr, die Bedingungen und Strukturen zu gestalten, in denen Beziehung, in denen Verbundenheit erlebt und neu gelebt werden kann!

Und eine der Grundbedingungen für gelingende Beziehung der Menschen untereinander ist es, psychologisch sichere Gesprächsräume – Dialogräume zu schaffen.

Mit Dialogräumen – ich habe das im verlinkten Beitrag ausführlich beschrieben – meine ich Räume und Zeiten, in denen sich die Mitarbeiter*innen psychologisch sicher fühlen, Dinge anzusprechen, die ggf. nicht dem Mainstream, ggf. nicht der offiziellen Linie der Organisation entsprechen.

In derartigen Räumen und Zeiten muss es möglich sein,

  • Fragen zu stellen,
  • neugierig zu sein,
  • eigene Fehler zuzugeben,
  • unbequeme Informationen zu teilen,
  • oder auch Position gegen einen Vorschlag einer hierarchisch übergeordneten Person, Gruppe oder Stelle zu beziehen.

In den Dialogräumen ist es notwendig, echtes Zuhören gelingen zu lassen.

Zuhören bedeutet hier mehr, als den Fokus (nahezu) ausschließlich auf Daten und Fakten zu legen. Natürlich ist es auch im Bereich der “Daten und Fakten” wichtig, bewusst Unterschiede und Widersprüche zum Gewohnten wahrzunehmen und zu versuchen, diese mit gewohnten Mustern zu verknüpfen. Ganz klar: die sachliche Auseinandersetzung über Daten und Fakten öffnet das (logische) Denken. Dies ist aber nur die erste Ebene.

Die relevante (und leider oft zu wenig beachtete) Ebene des Zuhörens ist die Öffnung des Fühlens. Hier kommt Empathie ins Spiel und der Versuch, den Anderen wirklich, man könnte auch sagen: vollständig wahrzunehmen.

Erst wenn das Konkurrenzdenken überwunden wird, wenn das gemeinsame Lernen in den Vordergrund rücken, können die Beziehungen der einzelnen Stakeholder und das größer werdende Vertrauen einen echten Dialog auf Augenhöhe und – in seiner Folge –  vor allem gegenseitiges Verstehen ermöglichen.

Aus der Öffnung des Fühlens und des damit einhergehenden gegenseitigen Verständnisses der Menschen können dann neues Handeln, neue Ideen, echte Weiterentwicklung, tatsächlicher Fortschritt entstehen.

Hier wiederum der Hinweis auf die Theorie U, in der dieses Vorgehen umfassend dargelegt ist.

Konkret bedeutet dies, dass es – vor allem, aber nicht nur in konfliktbehafteten Situationen – Regeln bedarf, an die man sich in den Gesprächen verbindlich halten muss. Es gilt, den Mitgliedern eines Teams vorab definierte und damit für alle gleiche Redeanteile zuzugestehen – unabhängig von der hierarchischen Position.

Das kann in gesonderten Runden sein, in explizit einberufenen, zu bestimmten Themen stattfindenden Dialogräumen. Das kann aber auch im Alltag, bspw. in den gemeinsamen Teamsitzungen sein.

Hier lohnt sich eine Abwandlung des für Paare konzipierten „Zwiegesprächs, das nach festen Regeln jedem Partner feste und gleiche Redeanteile zuweist, um in verzwickten Situationen wieder zueinander finden zu können.

Agile Arbeit in einer Kultur der Verbundenheit verbindlich gestalten

Abschließend lohnt sich noch einen Blick auf die aktuellen Diskussionen rund um agiles Projekt-Management, agile Führung und die Arbeit in zunehmend selbstbestimmt agierenden Teams:

In den aktuell alle Bereiche unseres Lebens tangierenden dynamischen und komplexen Veränderungen, auf privater, beruflicher wie sich auf gesellschaftlicher Ebene, ist es entscheidend, schnell und anpassungsfähig zu agieren.

Die Entwicklungen der Pandemie in den letzten beiden Jahren haben die sowieso schon vorherrschende Veränderungsgeschwindigkeit auf noch mal ein neues Level gehoben und der Krieg in der Ukraine zeigen, dass wir ganz bestimmt nicht in ruhigere Zeiten kommen werden.

Und gerade in diesen komplexen Settings, wo der Weg zum Ziel ebensowenig klar ist wie das Ziel selbst, lohnt sich agiles Arbeiten.

Voraussetzung für agile Arbeit sind (mindestens) zwei Aspekte, die ich hier betonen will:

Zum einen ist Kern agilen Arbeitens, sich in kurzen Iterationen, Schleifen lernend voranzubewegen.

Nicht mehr das vorab definierte Ziel steht im Vordergrund und muss auf Teufel komm raus erreicht werden, sondern die Anpassung an sich verändernde Bedingungen und das schnelle Nachsteuern und Reagieren auf neue Entwicklungen ist relevant.

In der Projekt- und Angebots-, aber auch in der Organisationsentwicklung reden wir von Iterationen, die nur ein paar Wochen umfassen, in der Strategieentwicklung und -umsetzung können die Schleifen auch Quartale oder noch etwas längere Zeiträume umfassen. Wichtig ist, nach den Zeitintervallen Retrospektiven durchzuführen und gemeinsam zu lernen!

Zum anderen ist relevant, dass die für die selbstbestimmte Arbeit innerhalb der Zeitintervalle festgelegten Bedingungen, Regeln und Vorgaben verbindlich von allen Beteiligten eingehalten werden. Dabei stellen sich bspw. folgende Fragen, die vorab zu klären sind:

  • Wann werden die Fortschritte überprüft?
  • Wann finden Retrospektiven statt?
  • Wann werden Ergebnisse geteilt?
  • Über welches Medium kommunizieren wir unsere Arbeit?
  • Wer entscheidet über Änderungen?

All dies ist vorab zu klären und dann verbindlich einzuhalten.

Das heißt nicht, dass diese Regeln und Vorgaben in Stein gemeißelt sind und nicht mehr verändert werden dürfen. Aber für einen wiederum vorab definierten Zeitraum müssen sich alle Beteiligten verbindlich an die vorab definierten Regeln halten. Sonst kommt es zur Beliebigkeit.

Beliebigkeit aber macht es unmöglich, Fortschritte und Auswirkungen der Arbeit auf bestimmte Ursachen zurückzuführen. Beliebigkeit führt dazu, dass irgendwer irgendwas irgendwie macht und daraus vielleicht – vielleicht aber auch nicht – Entwicklung geschieht.

Interessant ist noch ein Blick auf die sog. Scrum-Werte, also Werte, die grundlegend für ein „Funktionieren“ der Methode Scrum sind und für ein guten Umgang miteinander und für (psychologische) Sicherheit sorgen sollen. Die fünf Scrum-Werte sind:

  • Mut,
  • Fokus,
  • Offenheit,
  • Respekt und
  • Verbindlichkeit.

Damit soll der angesprochenen Beliebigkeit innerhalb der selbstbestimmt agierenden Teams, die die Methode Scrum nutzen, entgegnet werden.

Denn Beliebigkeit führt vor allem dazu, dass die Verbundenheit zur Arbeit und zu den Menschen im beruflichen Umfeld leidet.

Wenn ich mich nicht mehr auf das verlassen kann, was vorab ausgemacht wurde, verliere ich das Vertrauen – in die Menschen, die Arbeit, die Organisation. Und verloren gegangenes Vertrauen untergräbt jede Beziehung und damit die Annäherung an Verbundenheit!

Sehr schmerzlich haben wir das, diesen Bruch und das damit einhergehende fehlende Vertrauen in den letzten Wochen auf internationaler Ebene erleben dürfen. Alle vorab definierten Regeln wurden gebrochen.

Damit wurde jegliche Verhandlungsoption aufgegeben und jegliches Vertrauen zerstört.

Eine Kultur der Verbundenheit entwickelt sich durch Verbindlichkeit

Abschließend will noch einmal zusammenführend:

Die Herstellung von Verbindlichkeit, das Einhalten von Vorgaben, gilt – neben dem agilen Arbeiten – auch für die vorab beschriebenen Gesprächsräume. Sie machen es möglich, sich trotz auch massiver Meinungsverschiedenheit wieder näher zu kommen, wieder zu einer gemeinsamen Verbundenheit zu kommen. 

Zu dem, was wirklich zählt!

Verbundenheit braucht Verbindlichkeit gegenüber vorab gemeinsam definierten Regeln und Strukturen, die einen Rahmen schaffen, wie wir miteinander sprechen und Zusammenarbeit gestalten wollen. Daraus entwickelt sich eine trag- und zukunftsfähige Kultur der Verbundenheit in Organisationen.


P.S.: Was tust Du in Deiner Organisation, um eine Kultur der Verbundenheit herzustellen? Schreib es doch kurz in die Kommentare, würde mich sehr freuen!

Und wenn Du auf der Suche bist nach jemandem, der einen inspirierenden Impuls auf der nächsten Veranstaltung Deiner Organisation hält, dann sprich mich gerne an und wir schauen, was ich für Dich tun kann.

Backcasting New Work, oder: Warum jetzt die richtige Zeit ist, die Zukunft in die Hand zu nehmen!

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Die eine Krise ist noch nicht vorbei, da steht die nächste Krise vor der Tür. Eine Pandemie mit weltweit bislang mehr als 6 Millionen Toten wird, so scheint es, obwohl sie noch nicht vorbei ist, abgelöst durch einen Krieg in Europa mit noch nicht absehbaren Folgen und unfassbarem Leid für die Menschen in der Ukraine. Politisch geraten bislang als sicher geltende Bedingungen ins Wanken. Die Bundeswehr soll 100 Milliarden Euro als Sondervermögen erhalten, um ihre desolate Ausstattung wieder auf Vordermann zu bringen. Absurde Geldmengen zur Verteidigung unseres Landes, an die wir uns spätestens seit „der Bazooka“ irgendwie schon gewöhnt zu haben scheinen. Bei diesen Geldmengen – vor allem aber beim Blick auf die auch durch Pandemien und Kriege nicht wartende Klimakatastrophe – blicke ich auf meine Kinder und frage mich, welche Welt wir hinterlassen, hinterlassen wollen? Und in dem Zuge einen Beitrag zu New Work, zur Blogparade #newworknow?

Macht das noch irgendwie Sinn?

“Er, der begehrt, aber nicht handelt, brütet die Pest.”

Wie kann man angesichts der Weltlage überhaupt einen halbwegs klaren Gedanken fassen, der dann auch noch (irgendwie) zukunftsgerichtet ist? Aber – noch einmal – der Blick auf die Kinder der Welt und meine Kinder im Besonderen erlaubt mir gar nichts anderes als optimistisch und zuversichtlich zu sein.

Was – bitteschön – sollen wir denn machen? Den Kopf in die Sandsäcke stecken und uns in Schützengräben verbuddeln und abwarten?

Oder ist nicht gerade jetzt, allen Krisen zum Trotz,  genau die richtige Zeit, die Zukunft in die Hand zu nehmen?

Ja, mir steckt die Belastung der letzten zwei Jahre, die Suche nach einer wie auch immer gearteten Sicherheit, nach Normalität zwischen Schreibtisch, Schule, Küche und Kindern verdammt tief in den Knochen. Noch dazu habe ich die sich in manchen Nächten mutig, in manchen Nächten wahnsinnig anfühlende Idee gehabt, mich in der Pandemie selbständig zu machen…

Alter, und jetzt soll genau die richtige Zeit sein, die Zukunft in die Hand zu nehmen? Geht’s noch?

Ich greife ins Regal hinter mir und ziehe das Buch „Die Freiheit leben“ heraus. Ja, auch dieses Buch ist von  Bergmann, diesem Frithjof Bergmann, der ja schon ein wenig zu New Work gesagt hat. Auf Seite 32 findet sich ein Zitat von William Blake:

„Er, der begehrt, aber nicht handelt, brütet die Pest.“

New Work heißt Handeln

Ich will nicht zum xten Mal wiederholen, dass sich hinter New Work weit mehr verbirgt als die Einführung digitaler Tools, die Möglichkeit von Homeoffice oder irgendwelche hippen Workspaces, die inzwischen selbst in der öffentlichen Verwaltung meiner sauerländischen Heimatstadt Einzug finden.

New Work findet vielmehr Niederschlag in jeder unserer Handlungen:

Im morgendlichen Aufstehen, im Weg zur Arbeit, der sich – bei mir zumindest – gewandelt hat von der täglich-sinnlosen Pendelei hin zum häuslichen Büro, in der Frage nach Vernetzungen in einer Kultur der Digitalität, in Fragen nach dem Sinn der eigenen Arbeit, der täglichen Aufgaben und „to-dos“.

„New Work is anything but finished!“

Noch einmal: Nur weil wir irgendein tolles Tool nutzen oder der Chef weiße Turnschuhe trägt, praktizieren wir kein New Work! Hybrid arbeiten – „wir dürfen jetzt auch 40% von zu Hause arbeiten“? Ernsthaft?

Das ist kein New Work, sondern unterstreicht vielmehr die Infantilisierung der Menschen und hält sie in der Unselbständigkeit. Vielleicht sogar mehr, als das vor den bisweilen lustigen Diskussionen rund um New Work der Fall war.

Schon vor sechs Jahren hat Cati Bruns in einem lesenswerten Beitrag aufgezeigt, dass New Work extrem viel mit „Selbständigkeit“ zu tun hat:

„Ob »New Work« in Zukunft wirklich die Arbeitswelt revolutioniert, hängt davon ab, wie ernst wir unsere Freiheiten wirklich nehmen. Es geht darum zu wissen, wie man leben möchte, darum, besser zusammenzuarbeiten und seine eigene Zuständigkeit wahrzunehmen, um eine neue Arbeitswelt mitzugestalten. Wer »New Work« will, muss sich etwas aus seiner Freiheit machen. Ansonsten bleibt Arbeit nur ein Job und »New Work« nur »New Office«.“

On the way to new world

Die zu Beginn angerissenen Herausforderungen, die uns – jede_n einzelne_n – unfassbar umhauen, Kraft kosten, sprachlos machen, die uns Angst machen bis hin zur Lähmung, lassen sich aber noch problemlos erweitern:

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Mangel an Pflegekräften führt zum Schluss, dass wir uns in (naher) Zukunft selbst pflegen müssen. Da hilft auch keine osteuropäische oder philippinische Pflegekraft, die immer wieder bemüht wird.

Ach ja, und während wir uns selbst pflegen, müssen wir auf die Enkel aufpassen, denn der Mangel an Fachkräften im Bereich von Erzieher_innen ist enorm und lässt sich ebenfalls nicht von heute auf morgen beheben. Und, mal ehrlich:

Der Glaube, dass “die Technik” das schon irgendwie richten wird, ist mit einem Fokus auf „das Soziale“ einfach nur naiv. Nein, wir haben heute keine Roboter, die Pflege übernehmen und wir werden diese auch zukünftig aller Voraussicht nach nicht haben – und das ist auch gut so!

Kurz:

Man könnte verzweifeln.

Backcasting New Work

Die bessere Alternative:

Wir beginnen damit, uns die Welt vorzustellen, die wir gerne hätten und überlegen dann von dort aus rückwärts , was wir heute dafür tun müssen, diese Welt zu gestalten.

Diese Technik – das Backcasting – ist nicht neu. Es geht, kurz gesagt, darum, den Ausgangspunkt der Betrachtungen nicht in der Gegenwart zu halten, sondern in die Zukunft zu verlegen.

Dazu ist zu Beginn ein mögliches, konkretes Zukunftsbild, eine Utopie im besten Sinne, zu erarbeiten:

Wie wollen wir im Jahr 2030, besser: im Jahr 2050, leben?

Wie wollen wir Bildung leben? Wie nachhaltig wollen wir wirtschaften? Wie wollen wir arbeiten? Was macht Sinn?

Aus den Antworten auf diese Fragen ergibt sich eine Utopie (oder mehrere). Und von dieser Utopie ausgehend werden im Backcasting die vorher notwendigen Schritte und Ereignisse bis in die Gegenwart skizziert.

Im Backcasting stellt sich also die Frage:

  • Was muss geschehen, um die Utopie Realität werden zu lassen und das Zukunftsbild zu erreichen?

Konkret kann man dann in den Jahren zurückgehen:

  • Was muss in zwanzig Jahren erreicht sein?
  • Was in zehn Jahren?
  • Was in fünf Jahren?
  • Und was im nächsten Jahr?

Und plötzlich steht man vor der Frage, was heute und morgen getan werden muss, wenn wir in einer erstrebenswerten Zukunft leben wollen.

Auf der Seite der Bundesakademie für Sicherheitspolitik heißt es in einem Beitrag vom 18. Mai 2021 zur Methode mehr als treffend:

„Durch ein zeitlich verändertes Eintreten bestimmter Ereignisse können politische Handlungsempfehlungen auf Grundlage dieser Methode flexibler, systematischer und damit möglichst zukunftssicher angepasst werden. So könnten zum Beispiel Friedensgespräche zwischen verfeindeten Parteien ein Zukunftsszenario darstellen, bei dem im Backcasting immer wieder die Frage gestellt wird, was davor grundlegend geschehen muss und wann der richtige Zeitpunkt dafür wäre.“

Link

Es wäre so zu wünschen, heute mehr denn je…

Aber spätestens an dieser Stelle, in dieser Backcasting-Denklogik, wird mit Blick auf New Work deutlich, dass New Workspaces, Homeoffice zu 40% der Arbeitszeit und Videokonferenzen am laufenden Band, etc., nichts mit New Work zu tun haben, sondern mit – ich darf das sagen 😉 – elitärem Scheiß.

New Work in der Logik, die leider heute im Wesentlichen im Vordergrund steht, ist nicht mehr als die Fortführung bisheriger, traditioneller Denk- und Arbeitswelten in anderer, chicerer Verpackung. New Work in dieser Logik muss man “sich leisten” können. New Work ist dann nur “Lohnarbeit im Minirock”, wie Bergmann selbst es treffend ausdrückte. Mir kommen spontan Schokoriegel in den Sinn:

Raiders heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix.

Na ja, vielleicht etwas überspitzt!

New Work aber war und ist mehr. New Work ist eine Vision zur Gestaltung der Gesellschaft und der Welt als Ganzes!

New Work kann damit ein mögliches positives Zukunftsbild sein, auf das es hinzuarbeiten lohnt!

New Work ist Sozialutopie – und war niemals etwas anderes, oder:

[bctt tweet="New Work bleibt New World."]

New Work bleibt New World!

Um diese New World Realität werden zu lassen, sind an allen Ecken und Enden unserer Gesellschaft Bemühungen zu unternehmen, sich gegenseitig wirklich zuzuhören, sind Dialogräume zu gestalten, in den Betrieben und Organisationen, auf allen Ebenen der Politik, in den Sozialräumen der Menschen, in ihren Lebenswelten und in den Familien. Im Zentrum sollte die Fragen stehen:

Wie wollen wir in Zukunft leben? Und was können wir heute tun, um die daraus entstehenden Utopien Realität werden zu lassen?

Aus dieser Perspektive passt dann auch der Hashtag zur Blogparade: Wenn wir New World wollen, müssen wir Now damit beginnen – #newworldnow – oder so ähnlich… 😉

Abschließend ist methodisch bspw. die Theorie U von Otto Scharmer hilfreich, die ausgehend von Zuhören und echtem Verständnis neue Optionen eröffnet, wie Zukunft gestaltet werden kann – ob in der Arbeitswelt allgemein, in Organisationen im Spezifischen – oder in allen anderen Welten, die uns und alle anderen umgeben.

Wir müssen aber gemeinsam diese New World gestalten, in kleinen Schritten, zuversichtlich, mit Mut und Ausdauer!


P.S.: Weitere Beiträge zur Blogparade #NewWorkNow findest Du auf der Übersichtsseite „Digitial.Now“

Es wird Zeit, oder: Drei gute Gründe, warum sich soziale Organisation mit Wertschöpfung, Selbstbestimmung und kollektiver Führung beschäftigen müssen

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Wir reden seit Jahren von den Entwicklungen einer neuen Arbeitswelt, Arbeit 4.0 oder gar von New Work. Im Kern, im Maschinenraum von sozialen Organisationen und Bildungseinrichtungen hat sich jedoch wenig bis nichts geändert. Ja, es gibt einige Vorreiter (die im Übrigen sehr gut durch die Krisenzeiten gekommen sind), aber viele Organisationen haben noch nicht einmal von den sich vollziehenden Entwicklungen gehört, geschweige denn daraus konstruktive Schlüsse gezogen. Man könnte diesen Beitrag als erneuten Wink mit dem Zaunpfahl, nein, eher als Wink mit der Zaunfabrik vergleichen: Liebe soziale Organisationen, es wird Zeit! Es ist richtig dringend, es ist 12! Beschäftigt euch mit euren Wertschöpfungsstrukturen, mit den Funktionsweisen selbstbestimmt arbeitender Teams, mit „agiler“ Zusammenarbeit und dem, was unter kollektiver oder kollegialer Führung verstanden wird. Beschäftigt euch mit eurer Zukunft! Warum? Das kannst Du hier lesen.

Kollaboration im Team, oder: Wie Du Leitlinien für die Zusammenarbeit entwickelst

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Achtung, Achtung, nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!


Ich wurde zu meinem Beitrag zur Notwendigkeit von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team gefragt, wie denn konkret vorzugehen ist, um die Kollaboration im Team mit Leitlinien zu verbessern und was in den Leitlinien stehen sollte. Meine Erfahrungen dazu, mein Vorgehen und eine mögliche Gliederung mit entsprechenden Fragen, will ich hier für Dich beschreiben.

Dabei muss klar sein:

Es kann keine allgemeingültigen Leitlinien für Kollaboration im Team geben. Jedes Team ist anders, verfolgt andere Ziele, arbeitet orientiert an anderen Werten zusammen. Das ist nicht nur normal.

Das ist in einer komplexen Welt auch hochgradig sinnvoll, da steigende äußere Komplexität nur durch entsprechende innere Komplexität gestaltet werden kann. Klingt komisch, heißt aber nur:

Wenn von außen mehr und unterschiedliche Anforderungen kommen, muss es innerhalb der Organisation mehr und unterschiedliche Andockpunkte – Diversität und Selbstbestimmung – geben, um zweckgerichtet agieren zu können.

Warum Leitlinien für die Kollaboration in Team?

Bevor ich in die Entwicklung einsteige, nur kurz zur Wiederholung aus dem letzten Beitrag:

Viele Organisationen haben ein Leitbild, das jedoch auf Teamebene wenig lebendig ist: Die Übersetzung der globalen Werte auf Teamebene fehlt oder fällt zumindest schwer.

Gerade jedoch die gemeinsame Auseinandersetzung zur Frage, wie die Zusammenarbeit ganz konkret im Team gestaltet werden soll, die Festlegung von Werten und Prinzipien und das Committment auf gemeinsam definierte Regeln macht Sinn, um Orientierung in komplexen Situationen zu bekommen.

Ja, ich weiß: Festlegungen finden Menschen im sozialen Bereich nicht so prickelnd, es erleichtert aber wirklich die Arbeit…

Konkret macht sich der Nutzen von Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team bspw. an Entscheidungsfragen fest, die in einer Pattsituation zu enden drohen:

„Sollen wir eher die Bedarfe der Mitarbeiter_innen oder eher die Bedarfe der Klient_innen berücksichtigen?“

Eine Festlegung in den Leitlinien, die besagt „Fokus Klientel mehr als Fokus Mitarbeiter“ würde diese Frage beantworten.

Noch ein Punkt: Gerade in Phasen von Homeoffice und Remote Work können Leitlinien auf Teamebene Orientierung geben. Und diese Orientierung – das haben wir vermutlich alle erlebt – ist enorm wichtig, wenn sich Teamarbeit und Kollaboration in die virtuelle Welt verlegt. Denkt also bei der Entwicklung Eurer Leitlinien – sofern nötig – die digitalen Settings direkt mit:

Wie kann virtuelle Zusammenarbeit in Eurem Team erfolgen? Welche Leitlinien braucht es dafür? Gibt es Unterschiede?

Der Prozess: Wie Du Leitlinien für die Kollaboration im Team entwickelst!

Grundsatz Partizipation

Ein eigentlich logischer Grundsatz vorab:

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind möglichst partizipativ im Team zu entwickeln. Die Beteiligung aller Teammitglieder (und manchmal sind das nicht so wenige Menschen) ist notwendig, um eine Verbindlichkeit zu den Leitlinien zu bekommen. Die „im Elfenbeinturm“ von der Teamleitung erarbeiteten Leitlinien sind oftmals das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.

Dieser Grundsatz gilt übrigens auch für die Leitbilder der Gesamtorganisation: Die Einbindung von mehr Personen macht mehr Sinn, wenn man zu lebendigen Leitbildern kommen will.

Workshop analog oder digital

Sinnvoll für die Erarbeitung der Leitlinien hat sich ein Tagesworkshop bzw. Klausurtag herausgestellt, in dem sich die Teammitglieder auf die Aufgabe und Themenfelder (s.u.) wirklich konzentrieren können. Optimalerweise findet der Tag nicht in der eigenen Organisation, sondern an anregenden Orten in der Umgebung statt. Das öffnet den Raum und die Gedanken. Und ideal ist, den Tag von jemandem, der_die nicht Teammitglied ist, moderieren zu lassen.

On-Site Workshops, also analoge Veranstaltungen vor Ort sind aktuell aber eher schwierig – wegen Du weißt schon was. Außerdem sind die Ressourcen gerade für soziale Organisationen oft knapp. Hinzu kommt die Problematik, dass oftmals Klientel für 24h an 365 Tagen im Jahr zu betreuen ist und damit ein gemeinsamer Teamtag nicht möglich ist. Dann geht die Entwicklung auch online als Remote-Workshops (ein wenig Technik und eine funktionierende Internetverbindung vorausgesetzt).

Aktuell begleite ich einen Prozess, in dem wir in mehreren, kurzen Online-Settings Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team peu a peu entwerfen. Das spart Ressourcen und ermöglicht die Einbindung auch der Teammitglieder, die zum aktuellen Zeitpunkt Dienst haben und nicht teilnehmen können.

Ach ja: Sollte eine externe Begleitung nicht möglich sein, macht es trotzdem: Denkbar ist ja, dass die einzelnen Themen, die ihr für Euer Team festlegt, von einzelnen Kolleg_innen als Entwürfe erarbeitet werden. Innerhalb der Teambesprechungen können die Themen dann diskutiert und zusammengeführt werden.

Eine denkbare Gliederung der Leitlinien

Noch einmal, weil es so relevant ist:

Es gibt keine Blaupause für Leitlinien. Jedes Team ist anders, arbeitet anders, hat andere Aufgaben und einen anderen Existenzzweck. Entsprechend sind die folgenden Aussagen beispielhaft! Nutzt diese als Anregungen und passt sie für euch und Euer Team an!

1. Mission/purpose des Teams

„Das englische Wort purpose, das in diesem Kontext auch im Deutschen genutzt wird, lässt sich übersetzen mit ‚Sinn und Zweck‘, Daseinszweck oder Bestimmung.“ (https://newworkglossar.de/warum-brauchen-organisationen-einen-purpose/) Mir reicht eigentlich der Begriff der Mission, der ebenfalls den Zweck beschreibt, aber im Begriff purpose kommt noch eine Zukunftsperspektive hinzu:
Stellt Euch also die Fragen:

  • Wofür existiert dieses Team?
  • Was ist sein Daseinsgrund?
  • Was ist sein Auftrag in der Organisation?

Die Antwort auf diese Fragen dient später als Nordstern, als Ausrichtung für Teamentscheidungen.

2. Wirkung und Ziele

Hier lauten mögliche Fragen:

  • Woran erkennt ihr, dass ihr gute Arbeit macht und als Team Wirkung erzeugt?
  • Welche Kriterien könnt ihr anlegen, um die Wirkung zu messen?

Ja, ich weiß, oftmals ist es nicht ganz einfach, die Wirkung personenbezogener, sozialer Dienstleistungen zu messen. Und trotzdem (oder gerade deshalb) braucht es eine Orientierung, ob und wie soziale Arbeit gut funktioniert. Schaut mal auf dem Blog von Sebastian Ottmann vorbei, da geht es genau um das Thema Wirkung. Von dort habe ich auch die Definition von Wirkung als „Eingetretene Veränderungen oder Stabilisierungen bei den Zielgruppen eines (…) Programms (…), die ursächlich auf dieses Programm zurückgehen.“ (Balzer & Beywl, 2015, S. 192) Balzer, L. & Beywl, W. (2015). evaluiert: Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich (1. Auflage.). Bern: hep verlag ag.)

3. Kommunikation

Hier wird es wieder sehr konkret:

  • Wann kommuniziert ihr?
  • Wann finden Teamsitzungen statt?
  • Über welche Tools kommuniziert ihr (vor allem in der digitalen Kommunikation)?
  • Finden Teamsitzungen in der Regel remote statt (warum nicht) oder analog?
  • Warum?

4. Dokumentation und Aufgaben

Im Zusammenhang mit der Kommunikation steht die Frage, wo getroffene Entscheidungen und Beschlüsse, aber auch andere Informationen festgehalten werden.

  • Wo finden sich welche Infos, die für die Teamarbeit wirklich wichtig sind?
  • Gibt es Protokolle?
  • Oder macht die Arbeit auf virtuellen oder analogen Whiteboards mehr Sinn?
  • Wo finden sich die Projekte, die ihr als Team angehen wolltet?
  • Wo lässt sich deren Status einsehen?

Und ganz ehrlich: Ich kenne einige Einrichtungen und Teams, in denen „vor sich hingewurschtelt“ wird. Es wird viel Zeit auf die Suche nach den richtigen Dokumenten verwendet, der Frust ist hoch, wenn Martin mal wieder in das falsche Dokument die richtigen Inhalte geschrieben hat und die Projekte, die wir als Team angehen wollten, kommen zum dritten Mal auf die Tagesordnung im Team… Das nervt nicht nur, das kostet auch richtig Geld und führt zur eine minderen Qualität Eurer Leistungen gegenüber der Klientel.

Abschließend: Macht die Leitlinien sehr konkret, mit Namen! Als Beispiel:

„Unsere Protokolle legen wir in der Dateiablage unter XXXX ab. Verantwortlich für eine transparente Dokumentation ist Claudia, vertreten wird sie von Klaus.“

5. Entscheidungen

Wieder im Zusammenhang mit den beiden vorherigen Aspekten stellt sich immer wieder die Frage in Teams, wie Entscheidungen getroffen werden. Klar, meist gibt es eine Teamleitung. Aber ist es sinnvoll, dass die Teamleitung alle Entscheidungen treffen muss? Sicher nicht. Hinzu kommt, dass die Personalsituation dazu führen wird, dass wir in vielen Arbeitsfeldern zukünftig zwangsläufig mit verstärkt selbstbestimmt arbeitenden Teams agieren müssen: Niemand will mehr die Leitungsposten übernehmen. Daraus folgt, dass es Leitlinien bedarf, wie welche Entscheidungen getroffen werden. Ich will hier nicht in die Tiefe gehen, Euch aber zwei Ressourcen an die Hand geben, die hilfreich sein könnten:

a) das „Delegation Board“ (schaut mal in diesen Artikel, der sehr schön das Vorgehensweise erklärt) und

b) das „Handbuch der Entscheidungen“, zu dem ihr hier mehr Infos finden könnt.

Kurz: Es gibt mehr und sinnvollere Möglichkeiten, gute Entscheidungen schnell im Team zu treffen als demokratische Abstimmungen, Konsens-Gelaber oder von oben durchgesetzte Anweisungen.

6. Verbindlichkeit

Hier geht es weg von der konkreten, hin zur Ebene der Werte, die ihr im Team leben könnt. Eng verbunden mit den Aspekten zuvor ist für mich der Punkt „Verbindlichkeit“, da Teamentscheidungen nur dann sinnvoll sind, wenn sich alle von der Entscheidung Betroffenen auch daran halten. Das macht es übrigens so sinnvoll, nicht nur die Teamleitung oder immer alle entscheiden zu lassen, wenn nicht immer alle und die Teamleitung schon gar nicht von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.

7. Entwicklung und Lernen

Das betrifft die Frage, wie ihr euch als Menschen und als Team entwickelt, lernt und bspw. auch mit Fehlern umgehen wollt. Aber auch Fragen, wer wie welche Fort- und Weiterbildungen wahrnehmen kann und soll, hängt hiermit zusammen.

8. Transparenz

Auch dieser Aspekt ist auf Ebene der Werte angesiedelt, spielt aber im Rahmen der zunehmend selbstbestimmten Entscheidungen in Teams eine wesentliche Rolle: Wir können nur dann gut arbeiten, wenn offen, ehrlich und transparent kommuniziert wird. Wissen darf nicht zum eigenen Vorteil zurück gehalten werden und Mitarbeiter_innen können die Wahrheit sehr gut vertragen (es sind immerhin erwachsene Menschen, die auch noch bezahlt werden…). Und die Wahrheit betrifft auch finanzielle Aspekte oder Kennzahlen der Organisation. Denn wenn es finanziell nicht gut läuft, wissen die Mitarbeiter das sowieso schon – oft vor den Führungskräften.

9. Und so weiter und so fort…

Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt:

  • Welche Werte sind Euch als Team wirklich wichtig? Und vor allem:
  • Wie gelingt es, diese Werte in konkrete, handlungsleitende Prinzipien zu übersetzen?

Das ist wichtig:

Leitlinien sind nur dann sinnvoll, wenn sie von der abstrakten Ebene zu ganz konkreten, umsetzbaren und Orientierung gebenden Leitplanken werden. Scheut euch nicht, Verantwortlichkeiten festzulegen und Namen in die Leitlinien zu schreiben. Erst dadurch ergibt sich „skin in the game“, erst dann tut es für mich weh, wenn ich meiner Aufgabe nicht nachkomme.

Leitlinien für die Kollaboration im Team sind „working papers“

Abschließend der erneute Hinweis:

Leitlinien bringen nichts, wenn sie zu Leidlinien werden, wenn sie vor sich hin gammeln und in irgendwelchen Schubladen vergilben.

Leitlinien für die Zusammenarbeit im Team sind sinnvoll, wenn wirklich mit ihnen gearbeitet wird, wenn sie Grundlage für die Teamsitzungen sind und – ganz wichtig – wenn sie regelmäßig (reicht jährlich???) angeschaut und überarbeitet werden.

Aber auch hier wieder: Wer ist für die Nutzung und Überarbeitung der Leitlinien verantwortlich? Wählt eine Person aus dem Team, die zuständig und verantwortlich ist. Auch, wenn es sich zunächst ungewohnt anfühlt!


P.S.: Nach den positiven Reaktionen auf den Beitrag habe ich einen kleinen Online-Workshop terminiert, in dem wir auf das Thema „Leitlinien für die Teamarbeit“ gesondert eingehen. Hier gibt’s mehr Infos!

P.P.S.: Habt ihr Leitlinien im Team? Gelingt die Arbeit damit? Und falls nicht: Habt ihr Lust, welche zu erarbeiten? Dann nehmt gerne Kontakt auf…

Der New Work Gap, oder: Warum wir miteinander reden müssen!

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Im letzten Werkraum Zukunft, der dem Thema Jahresrück- und -ausblick gewidmet war, haben wir uns intensiv mit Fragen der Digitalisierung in der Pandemie auseinandergesetzt:

Wir haben übergreifend gesprochen: Wie gelingt Digitalisierung? Woher kommen Mittel zur Gestaltung der Digitalisierung? Und wir sind konkret abgetaucht: Gelingen hybride Veranstaltungen und wenn ja, wie? Wie akzeptiert ist Blended Counseling und warum zählt die Perspektive der Berater_innen nicht so sehr wie die Perspektive der Nutzer_innen? Wie lassen sich auch Blended Consulting Projekte in der Organisationsentwicklung neu und zielführend gestalten?

Worüber reden wir genau?

Diese und mehr Fragen haben eine grundlegende Herausforderung aufgezeigt, die (nicht nur) mit Fragen gelingender Digitalisierung einhergehen:

  • Worüber reden wir genau?
  • Wer versteht was genau unter dem Begriff der Digitalisierung?
  • Und wie kann es gelingen, ein gemeinsames Verständnis dessen herzustellen, um das es geht? Mehr noch:
  • Wie kann sich die Gesellschaft (gibt es sowas eigentlich?) hinsichtlich ihrer enorm weit auseinandergehenden digitalen Kompetenzen – dem digital gap – annähern?

Der New Work Gap

Die letzte Frage lässt sich erweitern auf grundlegende Herausforderungen unserer Gesellschaft, und nein:

Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten. Vielmehr schreit ein kleiner Teil der Gesellschaft laut, weil er auf einfache Antworten auf hoch komplexe Fragen hofft. Diese einfachen Antworten kann es aber nicht geben. Und ich will hier nicht über irgendwelche Impfdebatten sprechen…

Aber: Es ist festzustellen, dass es Entwicklungen gibt, die enorm weit auseinandergehen:

Digitale Vorreiter entwickeln selbstfahrende Autos und haben seit Jahren ihre Organisation, für die sie arbeiten, nicht mehr von innen gesehen, wohingegen andere Bereiche der Gesellschaft und der Organisationen auf Teufel komm raus an analoger Präsenz festhalten und damit notwendige Entwicklung verhindern – der schon angesprochene digital gap.

Diesen gap gibt es aber auch in vielen anderen Bereichen:

So stelle ich in meiner eigenen Arbeit regelmäßig fest, dass es alles andere als selbstverständlich ist, sich mit „New Work“, mit Arbeits- und Lebenswelten der Zukunft zu befassen.

Das ist ein new work gap oder new work divide, wenn man so will…

In seiner je eigenen Blase herrscht die Vorstellung, dass alles so bleiben kann, wie es die letzten 30 Jahre war und man bestärkt sich gegenseitig, dass es so ist, wie es ist. Logisch bin ich davon überzeugt, dass dem nicht so ist, damit verdiene ich ja mein Geld 😉

Aber worauf will ich hinaus?

Denkräume gestalten, um Zukunft zu entwickeln

Ich will darauf hinaus, dass es Räume und Zeiten braucht, in denen wir uns aufeinander verständigen, neue Ideen entwickeln, miteinander in Kontakt kommen, Dialoge führen. Wir brauchen die Verständigung, um die gaps unserer Gesellschaft zu schließen.

Sabine spricht im Werkraum Zukunft ihren Wunsch für das Jahr 2022 aus:

Sie will Denkräume, um reflektieren zu können, was wirklich neu gedacht und dann auch gemacht werden muss. Eigentlich logisch: Wir können und werden – hoffentlich – nicht dahin zurück gehen, wo wir vor der Pandemie standen. Wir werden uns hoffentlich weiterentwickelt haben – nicht nur, was die Nutzung digitaler Tools oder irgendwelche New Work Ideen, sondern was unsere Gesellschaft betrifft.

Ich kann mich der Idee der Denkräume nur anschließen:

Es braucht Raum, um sich in den unterschiedlichen, oben skizzierten Feldern gesellschaftlicher und organisationaler Entwicklung zu verständigen:

  • Über was reden wir, wenn wir Thema XY ansprechen?
  • Was ist der Status Quo und wo wollen wir hin?
  • Wie könnte es dort, in dieser Zukunft, aussehen?
  • Und was müssen wir tun, damit wir die positive Zukunft gestalten?

Denn, so viel ist klar:

„Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet.“

Alan Kay

Slack, oder: Wir brauchen Fettpolster

Aber Denkräume zum Schließen der gaps brauchen Ressourcen. Zeit zum Denken braucht – genau – Zeit und Menschen, die sich auf neue Gedanken, Wege, Ideen und Unsicherheit einlassen.

Jedoch ist mit Blick auf Organisationen im Sozial- und Gesundheitswesen in der Pandemie festzustellen, dass keine freien Ressourcen, sogenannte Slack Ressources, vorhanden sind und waren, um Mehrbelastung abzufedern geschweige denn zum Neudenken und -machen anzuregen.

Unter Slack sind organisatorische „Fettpolster“ zu verstehen:

„Eine Armee hält sich Ersatzteile für Panzer auch dann vorrätig, wenn kein militärischer Konflikt bevorsteht. An zentralen Bahnhöfen unterhalten halten staatliche Verkehrsbetriebe Pools von Technikern, die komplizierte Fehlerquellen beseitigen können, auch wenn deren Qualifikationen nur selten nachgefragt wird. Ein Landkreis erklärt sich bereit Krankenhausbetten zu finanzieren, die nicht permanent gebraucht werden, um auf eine Katastrophe oder eine Pandemie eingestellt zu sein.“ so Stefan Kühl.

Noch einmal:

In Sozialen Organisationen fehlen diese Fettpolster. Soziale Organisationen agieren am Limit und viel weiter. Die Burnoutstatistik im AOK Fehlzeitenreport sagt alles: Wir sind Burnout-Spitzenreiter!

Overhead-Fettpolster

Aber die fehlenden Fettpolster zeigen sich nicht nur in der operativen Arbeit „am Menschen“, wo der Fachkräftemangel unsere Gesellschaft noch richtig hart treffen wird.

Fehlender Slack zeigt sich auch auf den Management-Ebenen der Organisationen: In Organisationen der Sozialen Arbeit sind keine Mittel zur Finanzierung eines angemessenen Overheads vorhanden, der in der Lage ist, die Zukunft der Organisationen zu gestalten.

Und nein, mit „angemessenem Overhead“ meine ich nicht das Business-Theater und die sinnlose Aufblähung von Abteilungen, die die Beschäftigung der Organisationen mit sich selbst fördern. Ja, natürlich braucht es Controlling und QM, aber bitte nicht als Fettpolster.

Wir brauchen vielmehr Slack verstanden als Ressourcen für Menschen und Möglichkeiten, die nicht in der operativen Arbeit untergehen. Wir brauchen Menschen und Möglichkeiten, um Zukunft zu denken, anzustoßen und zu gestalten – genau:

Wir brauchen Denkräume.

Als negatives Beispiel für fehlenden Overhead sozialer Organisationen sind die meisten Stabsstellen zum Thema Digitalisierung projektfinanziert. Während privatwirtschaftliche Organisationen den oder die CDO einstellen, ist in vielen, vor allem den kleinen und mittleren Organisationen, nach drei Jahren Schluss, Ende im Gelände, Schicht im Schacht mit Digitalisierung.

Wer Digitalisierung so denkt, hat eine zeitgemäße Kultur der Digitalität nicht im Ansatz verstanden.

Das muss sich ändern, dringend. Und ja, das ist ein Plädoyer an die Politik, in die Ressourcenausstattung sozialer Organisationen zu investieren.

Miteinander reden

Dazu aber – ich komme zum Miteinander reden zurück – ist wiederum gemeinsames Verständnis von Kostenträgern und Leistungserbingern erforderlich, um verstehen zu können, wer welche Herausforderungen zu bewältigen hat.

In einem der letzten Beiträge habe ich geschrieben, dass sich „die Codes und Funktionsweisen von Sozialen und Bildungsorganisationen (…) radikal von denen der Sozialleistungsträger und für Bildung zuständigen Amtsstrukturen [unterscheiden]. Die einen sind im Kern auf die Gestaltung von Komplexität, die anderen auf die regelbasierte Abarbeitung von (gesetzlichen) Vorgaben, Plänen und die Kontrolle der Einhaltung von Regeln ausgerichtet.“

Das passt (noch) nicht zusammen. Die Logiken der Systeme agieren diametral entgegengesetzt. Um zusammen Ressourcen für die Gestaltung der Zukunft zu generieren, muss es zunächst Zuhören, Verständigung geben. Denn Veränderung braucht Ressourcen. Und diese kommen in sozialen Organisationen nunmal nicht von den „Kunden“, sondern sind im Wesentlichen öffentliche Mittel.

Wenn wir aber wollen, dass unsere Gesellschaft über ein zukunftsfähiges, nicht nur system-, sondern lebensrelevantes Gesundheits- und Sozialwesen verfügt, müssen wir in die Entwicklung der Organisationen investieren. Denn klar ist:

Egal welche Veränderung, für die keine Mittel vorhanden sind und die mal eben so nebenbei gemacht werden soll, ist zum Scheitern verurteilt.


P.S.: Der nächste Werkraum Zukunft findet am 20.01.2022 statt. Hier kannst Du Dich zum Newsletter anmelden, um informiert zu bleiben.

P.P.S.: Interessant bzgl. des Zuhörens sind die vier Arten des Zuhören von Otto Scharmer.

Raus aus der Komfortzone: Die 5 wichtigsten Fragen gelingender Organisationsentwicklung

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Es gibt eine Frage, die im Kontext gelingender Organisationsentwicklung brennend interessiert: Was kann ich (als Mitarbeiter*in, Chef*in, Führungskraft…) konkret tun, damit es besser, anders, neu… wird? Die Frage ist berechtigt, denn so einfach ist es wirklich nicht: Organisationen als Soziale Systeme verändern sich nicht, nur weil jemand sagt, dass es anders werden muss. Widerstände und Vorbehalte gegen die Veränderung sind nur die eine Seite, hinzu kommen berechtigte Ängste, unklare Zukunftsbilder und vieles mehr, was Veränderung behindert. Hinzu kommt, dass Du als Mitarbeiter*in und selbst als Geschäftsführung einer formal-hierarchisch strukturierten Organisation nicht alle Macht hast, um die (aus Deiner Sicht!) notwendigen Veränderungen anzustoßen. Aber hier will ich Dir eine sehr einfach Möglichkeit an die Hand geben, Wandel anzustoßen: Stell Fragen! Denn, und das lernen wir schon als Kind: Fragen kostet nichts. Jede Frage ist aber ein (Mini) Impuls in ein soziales System. Und auch wenn sie nichts kosten – diese kleinen Impulse bewegen einiges. Die aus meiner Sicht fünf wichtigsten Fragen gelingender Organisationsentwicklung klingen auf den ersten Blick trivial, können im Alltag aber einiges bewegen!

Machtfragen?

Vorher aber noch kurz die Klärung, warum es mit der Macht in Organisationen nicht ganz trivial ist: Selbst als Abteilungsleitung und auch als Geschäftsführung ist das Anstoßen tiefgreifender Transformation nicht einfach, denn:

Ohne die Beteiligung der obersten Ebene einer Organisation ist echte Veränderung und die tiefgreifende Unternehmenstransformation bestehender, traditioneller, formal hierarchisch strukturierter Organisationen kaum umzusetzen. Und selbst das dauert (auch wenn einige behaupten, sowas auch in 90 Tagen umsetzen zu können)… Auch wenn es hart klingt:

Ohne formale Macht, Entscheidungen durchsetzen zu können, wird es schwer. Das frustriert auf den ersten Blick. Aber nur auf den ersten. Denn wenn man genau hinschaut, hat jede*r (in seinem mehr oder weniger großen Umfeld) Einfluss. Denn:

Du bist das System.

Macht Fragen!

Aber in jeder Situation hast Du die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Niemand kann Dich davon abhalten, Deine Fragen zu platzieren. Natürlich kosten Fragen Überwindung. Immer. Im Seminar, in einer größeren Gruppe und natürlich auch vor der*dem Vorgesetzten.

1. Wozu?

Das ist die Kernfrage: Wozu machen wir das hier eigentlich? Was ist der Zweck dessen, was wir hier tun? Diese Ebene ist für die Gesamtorganisation, die Abteilung, das Team und für jeden einzelnen Menschen wichtig. „Wozu“ fokussiert auf die Zukunft und spannt den Horizont auf zur Vision, zu dem, wohin es gehen soll.

Ja, es kann nerven, immer wieder diese Frage zu stellen, aber anstatt die Anstrengungen zu verdoppeln und in die falsche Richtung zu galoppieren, macht es Sinn, Richtung und Ziel wieder und wieder gemeinsam auszutarieren und für alle transparent zu machen.

2. Wer?

Da niemand weiß, wie die Zukunft in einer zunehmend dynamischen, komplexen Welt wirklich aussehen wird, macht es wenig Sinn, auf den oder die Expert*in zu warten. Niemand hat die eindeutige Antwort und klare Vorgehensweise.

Es geht vielmehr darum, Menschen zu finden, die mutig neue Wege beschreiten, ausprobieren, Hypothesen aufstellen, testen, beobachten und reagieren. Daraus resultiert Lernen, wiederum auf Ebene der Gesamtorganisation, der Abteilung, des Teams und jeder einzelnen Menschen. Mehr noch: Wir als Gesellschaft lernen (hoffentlich) aus diesem iterativen Vorgehen. Und damit bleibt die Frage:

Wer? Wer kommt mit? Wer ist dabei? Wer geht voraus? Wer hat Lust, Zukunft zu gestalten? 

3. Wie?

In meinem letzten Beitrag habe ich zur Notwendigkeit der Definition von Werten und Prinzipien auf Teamebene beschrieben. Im Kern geht es dabei um die Frage:

Wie wollen wir zusammenarbeiten? Welche Werte leiten uns in unserer Arbeit? Welche Prinzipien ermöglichen Entscheidungen, obwohl niemand weiß, was richtig ist? Und es geht noch konkreter: Die Frage nach dem „Wie“ nimmt auch die Struktur und das Geschäftsmodell insgesamt in den Blick:

Ist es sinnvoll, nach dieser und jener Struktur und Vorgehensweise zu arbeiten, wie wir arbeiten? Die Antworten auf das Wie sollten immer das Wozu, also die Antworten auf Frage 1, in den Mittelpunkt stellen.

4. Was?

„Was machen wir hier eigentlich?“ hängt eng zusammen mit Frage 1 – Wozu machen wir das, was wir machen? Auch in Zukunft gerichtet ist der Impuls hilfreich: „Was sollen wir machen?“ Und dann öffnet die Frage auch noch die Option, Dinge, Vorgehen etc. ganz anders zu machen:

„Was wäre, wenn wir es ganz anders, so oder so machen?“

Denn oft gehen wir davon aus, dass unser Vorgehen „alternativlos“ ist. Aber mal ehrlich: Es gibt immer Wahlmöglichkeiten, die zu neuen Optionen führen. Und ja, auch „Nichtstun“ ist eine Option. 

5. War was?

Im Rückblick bleibt noch die Frage, ob das, was wir getan haben, tatsächlich sinnvoll war und zu dem beigetragen hat, was wir angestrebt haben. Es ist damit die Reflexionsfrage, der Blick zurück und nach vorne.

Leider erlebe ich es häufig, dass diese Frage nicht gestellt wird, obwohl erst aus der Überprüfung der vorab angenommenen Hypothesen Lernen und Entwicklung entsteht.

Mit mehr Fragen in die Lernzone!

Noch einmal: Soziale Systeme lassen sich nicht gezielt – im Sinne traditionellen Change Management Vorgehen – verändern. Sie brauchen Impulse, auf die dann reagiert werden kann. Und Fragen sind Impulse. Fragen bewegen. Fragen regen neues Lernen an. Über Fragen ergeben sich neue Antworten, neue Sichtweisen und neue Perspektiven.

Diese neuen Perspektiven braucht es in Zeiten wie diesen mehr als dringend. Wir müssen raus aus unseren Komfortzonen, auch wenn das angesichts einer Pandemie komisch klingt. Aber auch Jammern und Bewegungslosigkeit können komfortabel werden.

Lasst uns gemeinsam fragend auf die Suche nach der Lernzone unserer Organisation gehen.


P.S.: Interessant im Kontext der Organisations- und Teamentwicklung sind auch systemische Fragen, die explizit auf die Eröffnung neuer Perspektiven angelegt sind.

P.P.S.: Für mich selbst habe ich gerade das Gefühl., direkt aus der Komfort- in die Panikzone gerutscht zu sein, aber dazu später mehr… 😉