Schlagwort: Organisationen der Sozialwirtschaft

Strategie in der Krise: 8 Fragen, die Organisationen der Sozialwirtschaft beantworten müssen

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tl;dr: Neben der „clickbait Überschrift“ findest Du im Beitrag Basics rund um Strategie, Strategieentwicklung und Strategieumsetzung mit einem spezifischen Fokus auf Organisationen der Sozialwirtschaft. Am Ende findest Du die – aus meiner Sicht wirklich wichtigen – Fragen, die Du Dir stellen solltest, wenn Du Dich mit der Strategie Deiner Organisation befassen willst.


Strategie – schon der Begriff weckt Hoffnungen: Sie gibt die Richtung vor, verspricht Klarheit und Transparenz. Die Unternehmensstrategie soll – so eine Definition – als Navigationsprinzip zur Bewältigung von Komplexität dienen (vgl. Malik, 2017:91) – mit dem Ziel, das Überleben der Organisation (nicht nur) in Krisenzeiten zu sichern. Und aktuell, in den wahrlich herausfordernden Zeiten, habe ich das Gefühl, dass in Organisationen der Sozialwirtschaft händeringend nach einer „Strategie in der Krise“ gesucht wird und damit nach etwas, das mehr verspricht als ein „Stochern im Nebel“. Dabei ist – so mein Eindruck – zum einen oft unklar, was unter Strategie verstanden wird und zum anderen, wie genau eine Strategie entwickelt werden und vor allem, wie die Strategieumsetzung gelingen kann.

Mit dem folgenden Beitrag zu Strategie in der Sozialwirtschaft stochere ich selbst ein wenig im Strategienebel, in der Hoffnung, Orientierung geben zu können. Gleichzeitig lade ich aber auch dazu ein, den Nebel einer ungewissen Zukunft proaktiv anzunehmen und gerade dadurch Gestaltungsfreiheit zu gewinnen.

Im Folgenden skizziere ich zunächst meinen aktuellen Eindruck von den Problemen, die hinter der (teilweise) berechtigten Suche nach einer Strategie in der Krise stehen, um darauf aufbauend einen Einblick in aktuelle Grundlagen rund um Strategieentwicklung und Strategieumsetzung zu geben. Abschließend versuche ich auf dieser Basis einige Handlungsoptionen für Organisationen der Sozialwirtschaft zu skizzieren, die Dir und Deiner Organisation hoffentlich etwas Orientierung auf der Suche nach Orientierung geben können.

Und falls Du Dich für weitere Beiträge rund um Strategie und Co. interessierst, findest Du zum Beispiel hier einen Beitrag mit dem Fokus auf agile Strategieentwicklung und -umsetzung und hier einen Beitrag zur adaptiven Strategiearbeit in Sozialen Organisationen mit Ausführungen für Ansätze, Herausforderungen und Lösungen.

Strategie in der Krise oder Krisenstrategien?

Du merkst schon in der Einleitung, dass ich mich vorsichtig ausdrücke. Ich schreibe nicht davon, dass ich – trotz einiger, erfolgreich durchgeführter Projekte – das eine Rezept habe, mit dem Strategieentwicklung immer gelingt. Ich schreibe nicht davon, dass ich den Stein der Weisen gefunden haben und damit den einzig wahren Weg, um Klarheit, Orientierung und Transparenz für dich und deine Organisation auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft zu gewinnen.

Das ist aus Marketingsicht schlecht.

Du suchst nach Antworten und ich antworte vage. Ich biete Dir kein „Strategierad“ an, das Dir die strategischen Themen vorgibt. Ich sage auch nicht, dass das Durchlaufen der sehr hilfreichen Strategie-Schleife (vgl. Nagel, 2014) der Königsweg ist. Ich stochere häufig genauso im Nebel wie du. Das ist für mein „strategisches Marketing“ – wie gesagt – alles andere als gut. Denn aus Vertriebssicht hilft es viel mehr, einfache, wenn auch oft falsche Antworten auf komplexe Fragen zu geben.

Und die Fragen sind nicht nur komplex, sondern auch paradox. Entweder-oder-Entscheidungen sind bei vielen Themen kaum möglich. An vielen Stellen geht es um ein „sowohl als auch“ und damit – eben – um Nebel.

Gleichzeitig, und das ist der Ausgangspunkt dieses Beitrags, stelle ich fest, dass gerade in den aktuell (wieder einmal) herausfordernden Zeiten viele Menschen und Organisationen auf der Suche nach Antworten sind, um wieder zu einer wie auch immer gearteten Sicherheit zu gelangen. Und da kommen Strategien ins Spiel.

Um nur drei Beispiele herauszugreifen geht es

  • in der „neue caritas“ (Ausgabe 06/25, siehe hier) übergreifend um das Thema Strategie.
  • im Leitartikel der „sozialwirtschaft aktuell“ (Erlinghagen, 05/2025) – etwas reißerisch – um „Organisationen der Sozialwirtschaft in Zeiten kollabierender Systeme“. Dabei beschreibt der Beitrag „einige absehbare Entwicklungen, begründet, warum wir uns mit dem Phänomen kollabierender Systeme auseinandersetzen, und geht der Frage nach, was das für Unternehmen der Sozialwirtschaft im Speziellen bedeutet“ (ebd.), womit er – zumindest aus meiner Sicht – viel mit dem Thema Zukunft und Strategie zu tun hat. So kommt der Autor auch passenderweise zum Schluss: „Solange Kollapsphänomene ignoriert oder als Ausnahmezustände betrachtet werden, sind tiefergehende Anpassungsstrategien nicht vorstellbar“ (ebd., 3).
  • im Beitrag von Anja um „Lebenslanges Lernen in Zeitenwenden: Überlebensstrategien für eine Welt im Umbruch“. Ja, dieser Beitrag ist nicht spezifisch auf die Sozialwirtschaft und auch nicht (nur) auf Organisationen bezogen. Aber der Untertitel – „In einer Zeit radikaler Veränderungen sind lebenslanges Lernen und Anpassungsfähigkeit entscheidend. Wie werden wir fit für unsere gemeinsame Zukunft?“ – hat mich – neben dem Strategieaspekt – doch sehr an die Herausforderungen von Organisationen der Sozialwirtschaft erinnert. Etwas abgewandelt:

Wie werden Organisationen der Sozialen Arbeit fit für eine gemeinsame Zukunft – und (wie) kann die Strategie in der Krise bei der Beantwortung der Frage helfen?

Basics der Strategieentwicklung und -umsetzung

Aber was ist Strategie im Kontext von Organisationen und Unternehmen eigentlich?

Das ist, wie auch Nagel (2014) schreibt, „oft unklar“. Es „hat sich bis heute keine allgemeinverbindliche Definition von ‚Strategie‘ durchgesetzt“ (ebd.).

In der Strategiearbeit geht es aber, so viel als gemeinsame Basis, um Fragen, die für die Organisation überlebensrelevant sind.

Zur weiteren Eingrenzung ist die Unterscheidung in die drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements – angelehnt an das St. Galler Management-Modell – hilfreich:

Während sich das normative Management mit den unternehmenspolitischen Wert- und Interessenkonflikten aller Beteiligten auseinandersetzt (Was sind unsere Grundwerte?) und das operative Management als die unmittelbare Steuerung wiederkehrender Prozesse und konkreter Strukturen zur Erbringung von (Dienst-)Leistungen verstanden werden kann, beschäftigt sich das strategische Management mit Entscheidungen zu komplexen Problemen qualitativer Art, wie z.B. der Bewältigung zukünftiger Marktbedingungen und/oder Exnovations- bzw. Innovationspotenziale der Organisation (vgl. Grunwald, 2022:9).

Hier kann die Frage „Welche zentralen Themen/Ziele/Möglichkeiten verfolgen wir (und welche auch nicht) in den nächsten Jahren?“ Orientierung geben.

Gibt es Kriterien für strategische Themen?

Wichtig ist, dass die Entscheidungen zu Problemen qualitativer Art (oder kürzer: die übergreifenden strategischen Themen/Optionen) langfristig (nicht kurzfristig), folgenreich (nicht beliebig), funktionsübergreifend (nicht spezifisch) und komplex (also nicht trivial) sind.

Diese vier Aspekte können gut als grobe Kriterien für die Überprüfung der eigenen strategischen Entscheidungen bzw. der auf den Entscheidungen basierenden strategischen Ziele herangezogen werden. Und wenn Du jetzt auf die (hoffentlich vorhandene) Strategie Deiner Organisation schaust:

Sind die formulierten strategischen Optionen

  • langfristig,
  • folgenreich,
  • funktionsübergreifend und
  • komplex?

Um es konkret zu machen ist die strategische Option „Ausweitung des Marktportfolios“

  • langfristig (Planung, Finanzierung, Personalaufbau → oft über Jahre),
  • folgenreich (Verändert Reichweite, Zielgruppen und Ressourcenstruktur),
  • funktionsübergreifend (Pädagogik, Verwaltung, Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit) und
  • komplex (gesetzliche Rahmenbedingungen, Bedarfsanalysen, Personalgewinnung…).

Das wird bspw. greifbar, wenn es um die Eröffnung eines neuen Standorts, einer neuer Einrichtung oder eines neuen Arbeitsfelds geht.

Im Gegensatz dazu ist – logisch – die Anschaffung neuer Möbel für ein Gruppenangebot keine strategische Entscheidung, da diese nur eine geringe Tragweite hat, kaum funktionsübergreifend ist und primär Sachmittel und nicht die inhaltliche Ausrichtung betrifft.

Entscheidungen treffen

Deutlich wird:

Es geht um das Treffen von – in dem Fall strategischen – Entscheidungen. Das sind Entscheidungen „zu den zu erbringenden Leistungen und zu den Modalitäten der künftigen Leistungserbringung. Dies zieht Nachfolgeentscheidungen zum Personal (…) und zu den Kommunikationswegen (…) nach sich, jedoch geht solchen Entscheidungen die basale Entscheidung zu den Programmen voraus“ (Merchel, Gesmann, 2021:305).

Angelehnt an Heinz v. Förster sind Entscheidungen jedoch immer Entscheidungen des prinzipiell Unentscheidbaren (vgl. Teil der Welt, S. 67 f.). Klingt komisch, heißt aber nur:

Wäre A besser als B, würden wir natürlich B nehmen – alles andere wäre blöd. Entscheiden ist hier nicht notwendig. Dann aber, wenn A und B gleichwertig sind, braucht es die Entscheidung.

A und B klingt einfach, sind auf Ebene der strategischen Entscheidungen jedoch die Optionen, die für die Organisation (Überlebens-)Relevanz haben:

Einrichtung eröffnen oder aufgrund des Fachkräftemangels das Portfolio fokussieren? Lobbyarbeit stärken oder die Ressourcen in den Ausbau des digitalen Marketings stecken? Formale Hierarchien abflachen und eher Richtung agiler Selbstorganisation oder formale Hierarchien stärken und eher in Richtung Klarheit und Orientierung gehen?

Strategieumsetzung

Noch einmal: Echte Strategien sind mehr als rein auf finanzielle Planungen ausgerichtete Plattitüden.

Sie lassen sich – eine andere Definition – als Navigationsprinzipien für das Bewältigen von Komplexität (vgl. Malik, 2017:91) definieren und verfolgen den Zweck, das Überleben der Organisation in Zeiten des Wandels sicherzustellen.

Einführend lohnt sich ein Blick auf Muster und damit auf Vorgehensweisen der Strategieumsetzung, die sich in Organisationen immer wieder zeigen. Grob lassen sich vier Muster unterscheiden;

  1. Der:die Chef:in entscheidet intuitiv (das erinnert ein wenig an den Zollidioten aus Amerika, bei dem man nie weiß, was morgen kommt).
  2. Strategiearbeit wird an „Expertinnen“ wie Beratungsunternehmen oder auch Stabsstellen in Unternehmen ausgelagert.
  3. Strategiearbeit passiert – positiv formuliert – evolutionär (negativ formuliert wurschtelt man sich so durch, da man ja nie wissen kann, was morgen ist).
  4. Strategiearbeit geschieht systemisch als gemeinsame Führungsaufgabe.

Optimal wäre natürlich eine systemische Strategiearbeit, die neben den Führungskräften auch die Mitarbeitenden mit einbezieht und ihnen vermittelt, dass sie mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur (Weiter-)Entwicklung der Gesamtorganisation leisten. In meinen eigenen Begleitungen von Strategieprozessen versuche ich diesen Weg zu gehen, was hoffentlich in den Ausführungen hier deutlich wird bzw. geworden ist. Und ja, manchmal haben auch die anderen drei Muster zu Teilen ihre Berechtigung: Manchmal macht es Sinn, dass top-down entschieden wird, manchmal hilft es, Expert:innen einzubinden und manchmal ist man im Nebel unterwegs und bewegt sich „evolutionär“ voran.

Wieder zurück zur Strategieumsetzung in Zeiten des Wandels: Selbst wenn die Marktdynamik in der Sozialwirtschaft nicht so ausgeprägt ist wie in der freien Wirtschaft, so haben wir doch – organisationsintern wie -extern – gerade genug Dynamik und damit Wandel, oder?

Spätestens hier wird es aber herausfordernd, denn die fundierte Strategieentwicklung, die in einen Plan führt, der nur noch checklistenartig umzusetzen ist, macht keinen Sinn. Dafür sind zum einen die hybriden, meist dezentral strukturierten Organisationen der Sozialwirtschaft viel zu komplex. Zum anderen kommt die Komplexität und Dynamik der (Um-)Welt hinzu – oft diskutiert als „VUKA-Welt“.

Entsprechend reicht es nicht, alle 5 Jahre auf das damals erarbeitete Strategiepapier zu schauen und mal eben neu auszurichten, um dann wieder fünf Jahre weiterzumachen wie bisher.

Nach der Entwicklung steht somit die Frage im Zentrum:

  • Wie können strategische Entscheidungen umgesetzt werden, wenn – Achtung, Binse – das einzig Sichere der Wandel ist?

Dazu präferiere ich einen Weg, der sich grob als „agile Strategieumsetzung“ beschreiben lässt.

Darunter verstehe ich, dass nach der Entscheidung für strategische Optionen und der Beschreibung der Ziele, die sich hinter den Optionen verbergen, gemeinsam überlegt wird, welche Projekte initiiert werden können, die einen Beitrag zu den Optionen leisten.

Strategieverantwortliche

Um die Strategie der Gesamtorganisation projektbezogen angehen zu können, ist es relevant, dass sich jeweils ein/e Verantwortliche/r für eine strategische Option findet und sich für das Thema „den Hut aufsetzt“. Hilfreich ist es, wenn die „Strategieverantwortlichen“ in der formalen Hierarchie möglichst hoch „aufgehängt“ sind (bspw. zweite Führungsebene), um dem jeweiligen strategischen Thema die notwendige Durchsetzungskraft zu verleihen.

Die Strategieverantwortlichen sind dann gefordert, sich ein interdisziplinäres und hierarchieübergreifendes „Strategieteam“ zu suchen, um erste Ideen für strategische Projekte zu generieren. Sie sind nicht unmittelbar operativ, sondern zum einen für die Zusammensetzung und das Funktionieren der Projektteams verantwortlich. Zum anderen besteht die Gefahr, dass ohne klare Verantwortlichkeiten Unsicherheiten entstehen, wer für welches strategische Projekt zuständig ist.

Strategische Projekte

Die Suche nach ersten Ideen für strategische Projekte kann und sollte auch darauf basieren, was in der Organisation aktuell bereits an Projekten läuft, die sich den entsprechenden strategischen Optionen zuordnen lassen. So wird ggfs. die strategische Option „Digitalisierung sinnvoll nutzen“ definiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach laufen aber bereits Projekte rund um das Thema Digitalisierung, vielleicht experimentieren einige Bereiche und Abteilungen bereits mit KI-Anwendungen, andere Bereiche testen und nutzen bereits Technik im Kontext von AAL.

Kurz: Projekte müssen nicht unbedingt „neu“ sein. Es können auch bestehende Projekte zukunftsorientiert weitergeführt werden – allerdings nicht mehr isoliert und unverbunden, sondern unter dem Dach der Strategie vernetzt und mit einem ganzheitlichen Blick auf die Gesamtorganisation.

Regelmäßige Retrospektiven

Wichtig ist, dass die Strategieverantwortlichen in regelmäßigen Abständen – z.B. alle vier Monate – über den Stand und die Entwicklung der jeweiligen Projekte in den Führungsrunden berichten. Der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand obliegt es dann – im Sinne eines „Product Owners“ und idealerweise gemeinsam mit dem Leitungsteam – zu entscheiden, ob und in welcher Form die angestoßenen Projekte mit welchen Ressourcen weiterverfolgt werden sollen.

Mit diesem Vorgehen gelingt es, Fehlentwicklungen zu vermeiden, knappe Ressourcen bedarfsgerecht zu steuern und die Strategieumsetzung nicht losgelöst von aktuellen Entwicklungen zu betrachten. Ideal ist, wenn es gelingt, nicht nur auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, sondern diese aktiv in die Strategieumsetzung einzubeziehen. In meiner – vielleicht etwas naiven – Traumvorstellung bewegen wir uns damit in einer „Effectuation-Logik“:

Unvorhergesehene Entwicklungen werden nicht als „Angriff auf die strikte Planung der Strategieumsetzung“ verstanden („Auch das noch!“), sondern als Möglichkeit und Chance, die für die jeweilige strategische Option bzw. das jeweilige Projekt gewinnbringend genutzt werden kann. Eine entsprechend flexible Reaktion auf Veränderungen ist hier nicht nur unvermeidlich, sondern sogar erwünscht.

Regelmäßige Retrospektiven sind aber nicht nur auf der obersten Ebene zu etablieren, sondern – fast selbstverständlich, oder? – auch in den Projektteams selbst, die an der Umsetzung der Strategie arbeiten:

Auch hier gilt es, in regelmäßigen, kurzen Abständen innezuhalten und zu überlegen, ob die laufenden Projekte auf dem richtigen Weg sind, ob sie modifiziert oder gar eingestellt werden müssen – weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, weil amerikanische oder russische Freaks absurde Entscheidungen getroffen haben oder weil irgendwelche Viren sich überlegt haben, die nächste Pandemie auszulösen. Mit anderen Worten:

Auch in der konkreten Projektarbeit können sich die Bedingungen ändern – aus welchen Gründen auch immer. Statt am Plan festzuhalten, muss immer wieder gemeinsam neu entschieden werden, ob und wie es weitergeht.

Strategische Projektsteuerung

Angenommen, eine Organisation hat sechs strategische Optionen erarbeitet und für jede Option Strategieverantwortliche gefunden. Diese beginnen nun, „strategische Projekte“ zu initiieren. So weit, so gut.

Die Gefahr, dass es zu einer unkoordinierten Vielzahl von Projekten kommt, die wiederum unverbunden nebeneinander stehen, wird aber sofort deutlich.

Um dieser Gefahr zu begegnen ist neben den bereits erwähnten regelmäßigen Retrospektiven auf Leitungsebene, die den Raum für Entscheidungen über die Neuaufnahme, Anpassung oder – auch wenn es manchmal weh tut – Beendigung von Projekten bieten, die Etablierung einer „strategischen Projektsteuerung“ hilfreich.

Vor allem in großen Komplexträgern der Sozialwirtschaft werden hierfür häufig Stabsstellen eingerichtet. In kleineren Organisationen ist es sinnvoll, die Rolle der Projektsteuerung zu definieren und in bestehende Strukturen zu integrieren.

Aus meiner Sicht geht es bei der strategischen Projektsteuerung aber nicht nur darum, den Überblick über Projekte und Ressourcen zu behalten. Sinnvoller ist es, die strategische Projektsteuerung – im Sinne eines „Scrum Masters“ oder „Agile Coaches“ – auch für die Begleitung der einzelnen, temporär zusammengesetzten Projektteams zu nutzen.

Ziel dabei ist es, die Projektteams unter den ohnehin herausfordernden Arbeitsbedingungen zu unterstützen, möglichst schnell arbeitsfähig zu werden, effektiv und effizient ergebnisorientiert zu agieren und der Gefahr zu begegnen, dass Projektteams zu „Arbeitskreisen“ werden, die existieren, weil sie schon immer existiert haben.

Weglassen nicht vergessen

Die bisherigen Ausführungen klingen so, als wäre Strategieentwicklung und -umsetzung immer die Arbeit am „mehr“, an neuen strategischen Optionen mithilfe neuer Projekte, die von in der Sozialwirtschaft sowieso mehr als überlasteten Menschen verantwortet und von Teams umgesetzt werden, die nicht wissen, woher die zeitlichen und finanziellen Ressourcen dafür kommen sollen.

Hier hilft zum einen Michael Porter, der (in diesem Beitrag) schrieb, dass „Die Essenz der Strategie (…) darin [besteht] zu entscheiden, was nicht zu tun ist!“ Oder anders ausgedrückt:

Alles geht nicht! Denn wenn alles ginge, bräuchte es keine Entscheidungen und damit auch keine Strategie.

Zum anderen hilft ein Blick auf den Begriff der Exnovation im Sinne der gezielten, bewussten Reduktion oder Abschaffung von Produkten, Technologien, Prozessen, Praktiken, Institutionen oder Strukturen (vgl. Bils, Töpfer, 2024:223).

Wie wäre es, wenn in der Strategie Deiner Organisation strategische Option definiert wäre, die Exnovation explizit in den Mittelpunkt stellt:

„Wir reduzieren gezielt nicht mehr sinnvolle Produkte, Technologien, Prozesse, Praktiken oder Strukturen. Wenn möglich und sinnvoll, schaffen wir sie ganz ab. Dabei ist uns bewusst, dass Abschaffen auch bedeuten kann, Alternativen zu entwickeln.“

Exnovation ist also – dies nur als kleiner Hinweis – ohne Innovation nicht denkbar.

Exkurs: Bereichs- oder Abteilungsstrategien als Alternative zur „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“?

Alternativ zu der hier skizzierten „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“ erlebe ich häufig, dass „Teilstrategien“ entwickelt werden:

Es wird z.B. in einem Komplexträger der Eingliederungshilfe für eine Abteilung – z.B. dem Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung – eine „Teilstrategie“ erarbeitet, die dann auf die Teams in den jeweiligen Bereichen „heruntergebrochen“ bzw. von den Teams umgesetzt wird bzw. werden soll.

Der Vorteil ist, dass die oftmals sehr abstrakte Gesamtstrategie für die Mitarbeitenden vor Ort deutlich greifbarer wird. So wird bspw. in der Gesamtstrategie die strategische Option „Personal und Führung – professionell gestalten!“ verabschiedet und ggfs. noch mit ein paar Sätzen hinterlegt. Die unmittelbare Übertragung des abstrakten Themas auf den eigenen Bereich ist schwierig.

Wenn aber – um im Beispiel zu bleiben – im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die zu dieser strategischen Option heruntergebrochene Bereichsstrategie „Förderung der Mitarbeiterbindung!“ (Oder wie auch immer) lautet, ist ein „Andocken“ deutlich leichter möglich: Wie können wir im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die Mitarbeiterbindung erhöhen?

Problematisch sehe ich jedoch, dass es sich bei Bereichs- oder Abteilungsstrategien nicht mehr um die Gesamtstrategie der Organisation handelt. Der Fokus verschiebt sich auf den eigenen Bereich.

Dem Wunsch nach „siloübergreifender Zusammenarbeit“ kann damit natürlich nicht mehr begegnet werden: Der Anreiz, gemeinsam an der Strategie für die Gesamtorganisation zu arbeiten, entfällt: „Ich arbeite an meiner Strategie für meinen Bereich. Was die anderen machen, interessiert mich nicht.“ Ja klar, das ist etwas radikal formuliert, trifft aber häufig zu und ist aus Perspektive der jeweils verantwortlichen Rolle (bspw. Bereichsleitung) völlig nachvollziehbar.

Das führt auch dazu, dass – sofern dennoch an der Gesamtstrategie der Organisation gearbeitet werden soll – der Koordinationsaufwand deutlich steigt, da Abstimmungen mit anderen Bereichen und Abteilungen schwierig, zeitintensiv und häufig konfliktträchtig sind.

Kurz: Auch hier zeigt sich, dass jede Problemlösung Lösungsprobleme erzeugt – jede Vorgehensweise hat Vor- und Nachteile. Wenn aber in den sowieso sehr dezentral strukturierten, lose gekoppelten Organisationen der Sozialwirtschaft der Wunsch nach einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung, der Wunsch nach mehr Identität oder der Wunsch nach interdisziplinären Zusammenarbeit und einem „voneinander Lernen“ besteht, liegen die Vorteile aus meiner Perspektive eher auf Seiten der projektbasierten, agilen Strategieumsetzung.

Strategie in der Krise entwickeln und umsetzen: Die 8 wichtigsten Fragen für Organisationen der Sozialwirtschaft

Hast Du geschafft, bis hierhin dranzubleiben? Respekt, denn es ist doch mehr geworden, als ursprünglich gedacht. Aber halbe Sachen sind auch doof.

Jetzt aber meine „10 wichtigsten Fragen“ rund um die Stratehieentwicklung und -umsetzung, die Du Dir vor und während der Strategiearbeit immer stellen solltest:

1. Was verstehst Du und Deine Organisation unter „Strategie“?

Dem folgend, dass es keine einheitliche Definition von Strategie gibt kannst Du auch nicht davon ausgehen, dass alle Menschen in Deiner Organisation ein einheitliches Verständnis von Strategie haben.

Vor der eigentlichen Strategiearbeit, vor der Strategieentwicklung und -umsetzung also, ist ein gemeinsames Verständnis darüber herzustellen, was ihr unter Strategie versteht.

2. Ist es Dir und Deiner Organisation mit der Strategiearbeit ernst?

Organisationen brauchen eine Strategie, oder?

Mitarbeitende suchen nach Orientierung und wollen wissen, „wo es denn hingeht“, was die größere Linie ist. Genauso beschäftigen sich Führungskräfte gerne in netten Locations, abgekoppelt vom anstrengenden Alltag, mit Fragen der Zukunft. Denn die Zukunft ist – frei nach dem Reiseesel Mallorca – immer da, wo man gerade nicht ist. Du merkst mein Augenzwinkern, aber:

Strategiearbeit, insbesondere der oben beschriebenen Vorgehensweise, macht nur dann Sinn, wenn es ernst wird. Nur dann, wenn wirklich der Wunsch nach gemeinsamem Lernen, nach Entwicklung und partizipativer Umsetzung von Entscheidungen existiert, lohnt sich das „systemische Vorgehen“.

Wie oben geschrieben, ist die „evolutionäre Strategiearbeit“ aka Durchwurschteln deutlich einfacher ebenso wie das Treffen von emotional gesteuerten Top-Down Entscheidungen durch den:die Chef:in oder das Auslagern der Strategie an Expert:innen. Denen kann man dann zumindest die Schuld in die Schuhe schieben, dass es doch nicht so gekommen ist, wie geplant.

Kurz: Ist es Dir und Euch ernst?

3. Ist Strategiearbeit für Dich und Deine Organisation notwendig?

Ist das nicht die gleiche Frage wie oben? Nicht ganz. Bei der Frage nach dem Ernst ging es mir um die Herangehensweise. Hier geht es mir um die Frage, ob Du und Deine Organisation tatsächlich „Not wenden“ muss?

Not wenden – die Notwendigkeit – fokussiert darauf, dass Strategiearbeit wenig Sinn macht, wenn es nicht um wirklich (Überlebens-)Notwendiges geht. Denn dafür ist Strategie, dafür sind strategische Entscheidungen da:

Das Überleben der Organisation in Zukunft zu sichern.

4. Wer profitiert vom Status Quo?

„Wer will Veränderung?“ – Alle Hände gehen hoch.

„Wer will sich verändern?“ – Du kennst die Grafik vermutlich.

Deutlich wird dabei, dass es – auch wenn Strategie für Dich und Deine Organisation notwendig ist und auch wenn klar ist, was ihr unter Strategie versteht – Menschen in der Organisation gibt, die in ihrer Rolle vom aktuellen Zustand profitieren. Die einfache Zuschreibung, dass doch alle bei jeder noch so sinnvollen Veränderung „Widerstand“ aufbringen, reicht hier nicht aus. Die Zuschreibung verändert nichts.

Hilfreicher ist, sich schon vor oder zumindest während der Strategieentwicklung bewusst zu werden, wer warum vom Ist-Stand der Organisation profitiert. Dann wird es möglich, gezielt die Bedenken und Befürchtungen zu thematisieren und Veränderung – zumindest besser – gelingen zu lassen.

5. Wer hat welche Erwartungen an den Strategieprozess?

In eine ähnliche Richtung zielt auch die Frage nach den Erwartungen:

Erst wenn ein klareres Bild davon existiert, wer welche Erwartungen an den Strategieprozess hat, wird eine gemeinsame Arbeit an der Strategie und die Umsetzung strategischer Projekte wahrscheinlicher.

Dabei sind vor allem die informalen Erwartungen, also die Erwartungen, die verdeckt sind, interessant und gleichzeitig schwer zu thematisieren. Allein aber die Reflexion über die Frage, wer welche Erwartungen hat, kann befreiend sein, da überhaupt in diese Richtung gedacht wird.

Um näher an die informalen Erwartungen heranzukommen, hilft die Thematisierung dessen, was nach dem Strategieprozess aus Perspektive der Beteiligten anders sein soll als heute oder danach, was im Strategieprozess auf keinen Fall passieren soll.

6. Hast Du und Deine Organisation alles, was ihr braucht?

Dahinter verbirgt sich die Frage nach den Personen, die aktiv an der Strategieentwicklung und später verantwortlich an der Strategieumsetzung beteiligt sind:

  • Verfügen die Personen, die sich mit der Strategie befassen, über inhaltliche Kompetenzen, um die anstehenden Fragen kompetent beurteilen zu können?
  • Haben sie die Kompetenz, die Methoden, Instrumente und Verfahren auszuwählen und anzuwenden?
  • Können sie mit eventuell auftretenden schwierigen und konfliktreichen Situationen umgehen?
  • Haben sie die Zeit und das persönliche Engagement, sich dem Strategieprozess so zu widmen, wie es erforderlich ist oder werden könnte?

Zwei konkrete Beispiele:

Bei einem Kunden erarbeite ich gerade einen „Crashkurs Strategiearbeit“, in dem es darum geht, allen Führungskräften zumindest über die grundlegenden Kompetenzen der in dieser Organisation angestrebten Strategiearbeit an die Hand zu geben. Ich finde das wunderbar, denn so ist zumindest ein gemeinsames Grundgerüst gegeben, auf das immer wieder zurück gegriffen werden kann. Eine andere Organisation hat ein Programm ins Leben gerufen, dass die Arbeit in Projekten thematisiert, um so in der Gesamtorganisation das Thema Projektmanagement zu verankern.

Ja, das ist Aufwand. Und nein, es ist nicht sichergestellt, dass alle Projekte zum Erfolg führen und die Strategien umgesetzt werden. Aber zu hoffen, dass es auch so irgendwie klappt, ist sicher noch weniger erfolgsversprechend.

7. Wie kommunizierst Du die Arbeit an der Strategie von Beginn an?

Organisationen der Sozialwirtschaft sind komplexe soziale Systeme mit vielen Mitarbeitenden. Da ist es klar, dass nicht alle Mitarbeitenden in gleicher Weise in die Strategiearbeit eingebunden werden können. Nicht alle Mitarbeitende können in Workshops involviert sein, können strategische Optionen erarbeiten, Projektideen aufsetzen oder sich in Projektteams an strategischen Projekten beteiligen.

Entsprechend wichtig ist es, von Beginn an zu überlegen, wer wann wie eingebunden wird, wer wann über welchen Weg informiert wird, wer wann wie beteiligt wird usw.

Es wäre naiv – aber das wurde deutlich, denke ich – im stillen Kämmerlein eine noch so toll klingende Strategie zu erarbeiten, diese auf Hochglanzpapier zu veröffentlichen und dann zu glauben, dass Mitarbeitende die Strategie kennen geschweige denn sich dieser auch nur ansatzweise verbunden fühlen.

8. Brauchst Du und Deine Organisation alle fünf Jahre eine neue Strategie?

Hier bin ich unschlüssig:

Einerseits macht es durchaus Sinn, regelmäßig aus dem Alltag auszusteigen und zu überlegen, was in Zukunft für die eigene Organisation überlebenswichtig sein wird. Genau dazu dienen ja die „Strategieklausuren“.

Aus der oben skizzierten „agilen Strategieumsetzung“ ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, kontinuierlich über die Zukunft nachzudenken.

Ernsthaft umgesetzt sollte jede Retrospektive der Leitungsrunde einen Blick in die Zukunft werfen: Sind die laufenden Projekte noch sinnvoll? Wo müssen sie angepasst werden? Was kann und muss weg? Und darüber hinaus plädiere ich eher für regelmäßige, z.B. jährliche Überprüfungen, ob die strategischen Optionen noch den aktuellen Bedürfnissen entsprechen.

Das hat zur Folge, dass nicht mehr alle paar Jahre eine gesonderte Strategieentwicklung notwendig ist, sondern die Strategiearbeit und auch die Anpassung der strategischen Optionen an die aktuellen Bedingungen kontinuierlich erfolgt.

Nebeneffekt ist, dass die Strategie so kontinuierlich auf dem Schirm der Organisation bleibt und nicht nach fünf Jahren, kurz vor dem nächsten Strategiezyklus, hektisch hervorgeholt wird – mit der Feststellung, dass wir eigentlich nicht weitergekommen sind.

Strategie in der Krise – ein ganz kurzes Fazit

Strategie- komplexes Thema, was sich in einem definitiv zu langen Blogbeitrag zeigt. Aber ich hau den trotzdem raus.

Denn meine Hoffnung ist, dass Du darin vielleicht den einen oder anderen Hinweis findest, der Dich in Deiner Strategiearbeit weiterbringt. Und vielleicht hilft es Dir ja auch, über die Fragen am Ende nachzudenken und eigene Antworten für Dich und Deine Organisation zu finden.

Hilfreich für mich wäre aber zu erfahren, was Deine Erfahrungen mit Strategiearbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft sind?

Lass dazu doch gerne einen Kommentar da oder schreib mir gerne – würde mich sehr freuen.

Quellen:

  • Bils, S., Töpfer, G. (2024): Exnovation und Innovation. Synergie von Ende und Anfang in Veränderungen. Schäffer Poeschel.
  • Gesmann, S., Merchel, J. (2021): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Carl-Auer.
  • Grunwald, K. (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen: Eine Einführung. Springer VS.
  • Nagel, R. (2014): Lust auf Strategie: Workbook zur systemischen Strategieentwicklung. aktualisierte Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Nagel, R., Wimmer, R. (2014): Systemische Strategieentwicklung: Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider. 6. Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Malik, F. (2017): In: Roehl, H., Asselmeyer, H.: Organisationen klug gestalten. Das Handbuch für Organisationsentwicklung und Change Management. Schäffer Poeschel.

Fachcamp Soziale Arbeit 2025 – wo stehen wir und wo geht’s hin?

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tl;dr: Am Freitag, den 27. Juni 2025, findet das Fachcamp Soziale Arbeit 2025 im Bathildisheim in Bad Arolsen statt. Wir laden Dich herzlich ein, daran teilzunehmen. Besuche die Eventseite für mehr Infos und um Dich anzumelden.

Und damit: Welcome back zum Fachcamp Soziale Arbeit! Christian aka sozial-pr.net und ich freuen uns riesig, dass wir nach dem Start 2024 jetzt das zweite Fachcamp Soziale Arbeit ankündigen dürfen – und zwar am 27.06.2025 in Bad Arolsen.

Wir freuen uns darauf, Dich dabei zu haben!

Was ist das Fachcamp Soziale Arbeit?

Nur noch einmal kurz zur Wiederholung:

Das Fachcamp Soziale Arbeit ist eine Veranstaltung für Fach- und Führungskräfte aus der Sozialen Arbeit. Anders als klassische Barcamps, die oft ein breites Publikum ansprechen, konzentrieren wir uns ausschließlich auf die spezifischen Themen und Herausforderungen, denen Du in Deinem und denen Sie in Ihrem Arbeitsalltag in der Sozialen Arbeit begegnest.

Das Fachcamp bietet eine Plattform für kollegialen Austausch, Inspiration und, ja, auch ein wenig Psychohygiene 😉 Unabhängig von Deiner Rolle, Deiner hierarchischen Position oder Deinem Arbeitsbereich ist das Fachcamp der richtige Ort für Dich, wenn Du in der sozialen Arbeit tätig bist, Dich austauschen, neue Ideen generieren, alte Ideen loslassen, Lösungen anstreben und gemeinsam weiterdenken willst.

Warum braucht es das Fachcamp Soziale Arbeit?

Die Idee für dieses Event entstand vor einiger Zeit aus zwei Gedanken:

Zum einen steht die Soziale Arbeit und damit auch Organisationen der Sozialen Arbeit unter ziemlichem Druck:

Digitalisierung, KI, Finanzierungsengpässe, steigende Energiekosten, Fachkräftemangel, Klimakatastrophe und nicht zuletzt Demokratiekrise erfordern andere Lösungen, Ideen und Herangehensweisen.

Das klingt alles extrem herausfordernd, komplex und unsicher. Die Entwicklung von Ideen und Lösungen für die Themen und Fragen der „VUKA-Welt“ findet aber am Besten gemeinsamin einem offenen, innovativen Format und ohne organisationale Grenzen – statt.

Zum anderen sind wir überzeugt, dass es im Bereich der Sozialen Arbeit eine Lücke gibt:

Obwohl es großartige Barcamps wie bspw. das SocialBarCamp in Kiel gibt, fehlte bislang ein Barcamp, das sich vor Ort, lokal und explizit an Fach- und Führungskräfte der Sozialen Arbeit richtet.

Deswegen haben wir das neue Format aufgesetzt, bei dem sich Menschen, die täglich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind, treffen können, um sich in einem geschützten Raum auszutauschen, Ideen zu entwickeln und gegenseitig zu unterstützen.

Warum Bad Arolsen?

Jaja, uns ist klar, dass Bad Arolsen nicht der Nabel der Welt und damit nicht ganz einfach zu erreichen ist.

Wir haben uns trotzdem für Bad Arolsen, vor allem aber für das Bathildisheim als Veranstaltungsort entschieden, weil wir zum einen wunderbar supported werden (Danke dafür!!!).

Erst diese Zusammenarbeit ermöglicht es uns, das Event in einem kleinen Rahmen anzubieten, ohne hohe Teilnahmegebühren verlangen zu müssen (40 EUR inkl. Verpflegung für den Tag klingen echt entspannt, oder?).

Zum anderen entwickelt sich das Bathildisheim seit einigen Jahren hin zu einem kollegial geführten Unternehmen. Und diesen Aspekt wollen wir beim Fachcamp Soziale Arbeit 2025 etwas stärker in den Blick rücken:

Wie gelingt Organisationsentwicklung und menschenfreundliches Arbeiten in und für Organisationen und Mitarbeitende der Sozialen Arbeit?

Da können die Mitarbeiter:innen aus dem Bathildisheim sicherlich einige spannende Insights liefern…

Das Format

Das Format bleibt auch beim 2. Fachcamp: Wir nutzen das Barcamp-Format, nennen unsere Veranstaltung aber bewusst „Fachcamp“.

Dabei geht’s darum, Diskussionen über Teilnahmegebühren zu vermeiden. Unsere Tickets sind erschwinglich, aber sie kosten Geld, um die Ausgaben für Verpflegung und Location zu decken – 40 Euro, bzw. 20 Euro für Studierende – echt entspannt, oder?

Und klar ist, dass das Programm – wie bei einem Barcamp – von Dir, von Euch und damit von den Teilnehmer:innen, nein, besser „Teilgeber:innen“ gestaltet wird. Es gibt zwar einen Zeitplan und vorgesehene Zeiträume für Sessions, aber die inhaltliche Gestaltung liegt bei Dir und den anderen Teilnehmenden.

Kurz: Du kannst die Themen einbringen, die Dir wichtig sind, und Dich mit anderen darüber austauschen.

Programm und Ablauf des Fachcamps

Das Fachcamp beginnt um 9 Uhr mit einem Snack und einer Begrüßung. Um 9:30 Uhr gibt es eine kurze Vorstellungsrunde, gefolgt von der Session-Planung. Die Sessions finden zwischen 10:30 Uhr und 15 Uhr statt, gefolgt von einem gemeinsamen Abschluss. Um 15:30 Uhr endet das Fachcamp. Die Sessions werden dokumentiert und die Dokumentationen dann unter allen Teilnehmenden geteilt, so dass auch im Nachgang weiter gearbeitet werden kann.

Und – ganz wichtig – das Format ist offen und praxisorientiert:

Ob Du eine Diskussion anstoßen, eine Frage klären oder einfach eine Idee vorstellen möchtest – beim Fachcamp ist alles möglich. Es geht um interaktiven und co-creativen Austausch und gemeinsames Lernen, nicht (nur) um Vorträge oder Präsentationen.

Anmeldung zum Fachcamp Soziale Arbeit 2025, Tickets und Kosten

Die Tickets für das Fachcamp Soziale Arbeit kosten 40 Euro, für Studierende 20 Euro. Wir haben uns bewusst für diesen kleinen Beitrag entschieden, um die Veranstaltung finanziell abzusichern. Sollten die Kosten für Dich ein Problem darstellen, melde Dich gerne bei uns – wir finden sicher eine Lösung.

Dankeschön und Einladung

Ein herzliches Dankeschön geht an unseren Hauptsponsor des 2. Fachcamps – das Bathildisheim Bad Arolsen!

Ohne Euch wäre dieses Event nicht möglich.

Wir freuen uns auf den 27. Juni 2025 und darauf, Euch (wieder) zu sehen, um sich zu vernetzen, auszutauschen und neue Ideen mitzunehmen.

Bock drauf? Dann melde Dich an und sei dabei. Wir freuen uns darauf, Dich in Bad Arolsen zu begrüßen!

Für weitere Informationen und zur Anmeldung besuche die Eventseite unter https://eveeno.com/fachcamp-soziale-arbeit-ii.

P.S.: Zum ersten Fachcamp haben Christian und ich einen Podcast aufgenommen. Oder Du hörst in den Podcast rein, den Christian zum Fachcamp aufgenommen hat.

Und noch ein letzter Hinweis: Es wäre super, wenn Du das Fachcamp Soziale Arbeit 2025 in Deinem Netzwerk teilst!

Wir sind Dir dann zu ewigem Dank verpflichtet – echt jetzt 😉

Schnittstellenmanagement in Organisationen der Sozialen Arbeit: Herausforderungen, Chancen und konkrete Umsetzung

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In Organisationen der Sozialen Arbeit treffen täglich zahlreiche Menschen, Teams und Fachbereiche aufeinander. Die Zusammenarbeit über Abteilungs- oder Organisationsgrenzen hinweg ist essenziell, um Klient:innen bestmöglich zu unterstützen. Doch genau hier entstehen häufig Reibungsverluste: Wer ist für welche Aufgaben verantwortlich? Warum macht die Personalabteilung schon wieder, was Personalabteilungen so machen? Wo verlaufen die Grenzen zwischen verschiedenen Zuständigkeiten? Und wie kann verhindert werden, dass wichtige Informationen verloren gehen oder doppelt bearbeitet werden? Es geht um die Schnittstellen und das professionelle Schnittstellenmanagement in Organisationen der Sozialen Arbeit.

Doch was genau bedeutet Schnittstellenmanagement und wie kann es in Deiner Organisation erfolgreich(er) umgesetzt werden? In diesem Beitrag findest Du einen Überblick über das Thema. Ich skizziere außerdem Herausforderungen und Chancen und stelle Dir zum Abschluss ein konkretes Vorgehen zur Optimierung von Schnittstellen in Deiner Organisation vor.

Warum ist Schnittstellenmanagement wichtig?

Schnittstellen sind Berührungspunkte zwischen verschiedenen Bereichen einer Organisation, zwischen Teams und Abteilungen, etwa zwischen Verwaltung und Fachkräften, zwischen stationären und ambulanten Angeboten oder zwischen Sozialarbeit und medizinischen Diensten. Schnittstellen bestehen aber auch zwischen der Organisation und externen Stakeholder:innen – Kostenträgern, der Politik etc. Überall dort, wo diese Übergänge nicht möglichst klar geregelt sind, können Missverständnisse, Doppelarbeit oder Effizienzverluste entstehen.

Ein professionelles Schnittstellenmanagement sorgt dafür, dass:

  • Prozesse funktionieren,
  • Informationen reibungslos fließen,
  • Verantwortlichkeiten klar definiert sind,
  • Ressourcen effizient genutzt werden und
  • die Qualität der Leistungen für die Klient:innen steigt.

Besonders in der Sozialen Arbeit, wo oft komplexe Fallkonstellationen bearbeitet werden und verschiedene Akteur:innen beteiligt sind, kann ein fehlendes oder schlechtes Schnittstellenmanagement zu erheblichen Problemen führen – mit negativen Folgen für Fachkräfte, Organisationen und nicht zuletzt die betreuten Menschen.

Herausforderungen im Schnittstellenmanagement

Warum gelingt es oft nicht, Schnittstellen effektiv zu gestalten? Typische Herausforderungen sind:

  1. Unklare Verantwortlichkeiten: Wer entscheidet was? Wer ist für welchen Prozessschritt zuständig? Ohne klare Regelungen kommt es zu Unsicherheiten, Doppelarbeit und zu Konflikten zwischen Teams und Abteilungen.
  2. Kommunikationsprobleme: Unterschiedliche Fachsprachen, fehlende Informationsweitergabe oder Missverständnisse erschweren die Zusammenarbeit.
  3. Kulturelle Unterschiede: Jede Abteilung oder Organisation hat ihre eigene Arbeitsweise und Werte – das kann zu Konflikten führen.
  4. Technische Barrieren: Unterschiedliche IT-Systeme, fehlende digitale Schnittstellen oder mangelnde Zugriffsmöglichkeiten behindern den Informationsaustausch.
  5. Fehlende Prozessübersicht: Ohne eine strukturierte Analyse bleibt oft unklar, wo genau es in der Zusammenarbeit hakt.

Prozesse und Prozessmanagement sind nicht unbedingt die Paradedisziplin sozialer Organisationen, das erlebe ich immer wieder. Die Herausforderungen, die sich an den Schnittstellen ergeben, sind in vielen Organisationen der Sozialen Arbeit Alltag – aber sie lassen sich bewältigen. Hier hilft es, das Thema systematisch anzugehen.

Möglichkeiten zur Umsetzung eines effektiven Schnittstellenmanagements

Um Schnittstellen erfolgreich zu gestalten, braucht es gezielte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen:

1. Analyse der bestehenden Schnittstellen

Der erste Schritt besteht darin, die relevanten Schnittstellen in der eigenen Organisation zu identifizieren. Dafür eignet sich eine systematische Bestandsaufnahme:

  • Wo entstehen Übergänge zwischen verschiedenen Teams oder Abteilungen (bspw. zwischen Fachabteilungen und dem Controlling)?
  • Welche Akteur:innen sind beteiligt?
  • Welche Probleme treten an diesen Punkten regelmäßig auf?

Ein gutes Werkzeug dafür (und für Schritt 2) ist eine Prozesslandkarte (hier findest Du eine Anleitung, wie das geht), in der alle relevanten Berührungspunkte visuell dargestellt werden.

2. Verantwortlichkeiten und Prozesse definieren

Sind die Schwachstellen identifiziert, geht es darum, klare Regelungen zu schaffen. Dabei helfen:

  • Erwartungsklärung, um die gegenseitigen Erwartungen der beteiligten Akteur:innen transparent zu machen und Aufgaben und Zuständigkeiten festlegen (bspw. mit dem „Marktplatz der Erwartungen„),
  • Prozessbeschreibungen, die Abläufe standardisieren, und
  • Kommunikationsrichtlinien, die den Informationsfluss sicherstellen.

Diese Vereinbarungen sollten nicht nur auf Papier existieren, sondern aktiv im Arbeitsalltag gelebt werden. Hier hilft es, direkt bei der Erstellung entsprechender Papiere Überarbeitungszyklen festzulegen (bspw. jährlich), damit die Papiere auf dem Schirm bleiben und immer weiter entwickelt werden.

3. Kommunikation und Zusammenarbeit fördern

Technische Lösungen allein reichen nicht – auch die menschliche Ebene muss berücksichtigt werden. Dazu gehören:

  • Regelmäßige Schnittstellenmeetings, um Probleme frühzeitig zu erkennen,
  • gemeinsame Workshops, in denen gegenseitiges Verständnis gefördert wird, Rollen geklärt und Veränderungen in den Teams aufgegriffen werden, und die Arbeit in
  • interdisziplinären Teams, die team-, abteilungs- und fachübergreifende Zusammenarbeit stärken.

4. Digitale Unterstützung nutzen

Effektives Schnittstellenmanagement kann durch digitale Tools erleichtert werden. Dazu gehören:

  • Gemeinsame Datenbanken, um den Informationsaustausch zu verbessern,
  • automatisierte Workflows, um Abstimmungsprozesse zu beschleunigen,
  • Kommunikationstools, die den Austausch zwischen Teams erleichtern,
  • digitale Whiteboards, die die Prozesse und Schnittstellen veranschaulichen.

5. Kultur der Zusammenarbeit etablieren

Letztlich entscheidet die Kultur der Zusammenarbeit darüber, ob Schnittstellen erfolgreich gemanagt werden. Kultur entwickelt sich aus den Strukturen (Zielen, Kommunikationswegen, Prozessen), die auf Zusammenarbeit ausgerichtet sein sollten. Aber auch die „Art der Kommunikation“ ist wichtig. So sollten Führungskräfte eine offene Kommunikation fördern, Verantwortungsbewusstsein stärken und Mitarbeitende aktiv in die Schnittstellengestaltung einbinden. Bei allem hilft es aber wenig, nur zu appellieren – gestalte vielmehr Strukturen, die das fördern. Denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, funktioniert das System.

Konkretes Vorgehen zur Bearbeitung von Schnittstellen

Wie kannst Du bzw. (D)eine Organisation das Thema Schnittstellenmanagement konkret angehen?

Dazu habe ich hier mal ein erprobtes, aber nur sehr grobes Vorgehen skizziert, dass – je nach Ebene – für und mit den für die Prozesse und Schnittstellen Verantwortlichen angepasst und durchgeführt werden kann:

Schritt 1: Ist-Analyse

  • Erhebung der bestehenden Schnittstellen im Team, der Abteilung oder der Gedamtorganisation (bspw. durch Interviews, Workshops oder Prozessanalysen)
  • Identifikation von Problemen an Schnittstellen und möglichen Verbesserungspotenzialen
  • Erstellung einer Prozesslandkarte

Schritt 2: Zieldefinition

  • Festlegen, welche konkreten Verbesserungen erzielt werden sollen (z. B. schnellere Abstimmung, weniger Fehler, bessere Zusammenarbeit)
  • Definition von Erfolgskriterien

Schritt 3: Maßnahmenplanung

  • Entwicklung konkreter Maßnahmen zur Optimierung (z. B. neue Kommunikationswege, Standardisierung von Abläufen, technische Lösungen, Rollenklärung, Erarbeitung eines Organisationshandbuchs)
  • Verantwortlichkeiten und Zeitpläne festlegen

Schritt 4: Umsetzung und Begleitung

  • Einführung neuer und Veränderung bestehender Prozesse und Strukturen (Entscheidungen treffen!)
  • Schulungen und Workshops für Mitarbeitende
  • Regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen und ggf. Anpassung (Retrospektiven)

Schritt 5: Evaluation und kontinuierliche Verbesserung

  • Überprüfung der Zielerreichung anhand definierter Kriterien
  • Sammlung von Feedback aus der Praxis
  • Kontinuierliche Anpassung und Optimierung der Schnittstellen

Fazit: Schnittstellenmanagement als Chance begreifen

Schnittstellenmanagement mag zunächst nach einer zusätzlichen und nicht nur lustigen Aufgabe klingen – kann aber bzw. können gute Schnittstellen den Arbeitsalltag enorm erleichtern. Denn wenn Du Schnittstellen gezielt analysierst, klare Zuständigkeiten schaffst und eine Kultur der Zusammenarbeit förderst, sorgt das für mehr Effizienz, weniger Reibungsverluste und am Ende des Tages eine bessere Versorgung der Klient:innen. Der Aufwand, den Du in die Schnittstellenarbeit steckst, lohnt sich, denn der Aufwand, der in nicht funktionierende Schnittstellen fließt, ist enorm.

Für Vorstände und Führungskräfte in der Sozialen Arbeit bedeutet das:

Schnittstellenmanagement ist strategische Aufgabe. Es lassen sich nicht nur interne Abläufe verbessern, sondern auch die Wirkung der (Sozialen) Arbeit insgesamt steigern.

Wie steht’s in Deiner Organisation um die Schnittstellen?

10 Faustregeln für den erfolgreichen Umgang mit Unsicherheit!

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Ich habe vor einigen Jahren mal den Job gewechselt. Nach neun Jahren. Ich habe damals nicht nur eine neue Aufgabe übernommen, nein, ich habe die „Firma“ gewechselt.

Jetzt könnte man sagen: „Toll, Junge“.

Jobwechsel gibt es ständig, immer wieder. Jede:r hat mal irgendwo angefangen, hat die Stelle gewechselt, ist dafür umgezogen, hat neu angefangen, was auch immer. Nichts Spektakuläres.


Das hier ist die überarbeitete und gekürzte Version eines Beitrags, den ich schon 2017 veröffentlicht hatte. Ich denke aber, die aktuelle Zeit braucht ein paar Ideen, wie es gelingen kann, mit Unsicherheit umzugehen – und vielleicht findest Du ja auch den ein oder anderen hilfreichen Hinweis?


Von Unsicherheitshelden und Arbeit

In meiner neuen Position fühlte ich mich damals – völlig verständlich und normal – ziemlich unsicher. Das war ich jedoch in dieser Form gar nicht mehr gewohnt. Neben Jobwechseln gibt es heute und in Zukunft enorm viele Unsicherheitsfaktoren, denen wir uns zwangsläufig aussetzen müssen. Wenn ich diese Unsicherheitsfaktoren so betrachte, muss ich für meinen Teil sagen, dass ich kein Held der Unsicherheit bin.

Ich erinnere mich hier nur kurz (und dunkel) an den Bruch, den es für mich bedeutete, aus dem Angestelltenverhältnis in die komplette Freiberuflichkeit zu wechseln – kein Netz mehr, kein doppelter Boden, sondern eher „Verführungen am äußeren Rand der Panikzone“.

Kurz: Unsicherheit ist grundsätzlich eine spannende, wenn auch nicht unbedingt schöne Erfahrung. Das kennt wahrscheinlich jede:r…

Gleichzeitig ist aber davon auszugehen, dass diese Unsicherheitsphasen in Zukunft deutlich zunehmen werden. Das bezieht sich nicht nur, aber auch auf den „Job“, bei dem davon auszugehen ist, dass die Zyklen, in denen wir in einem „Job“ bleiben, immer kürzer werden. Hinzu kommt, dass es in einigen, eigentlich in fast allen Branchen – und damit auch im Sozialbereich – vor allem durch Digitalisierung und Fachkräftemangel zu tiefgreifenden Umwälzungen kommen wird.

So reicht bspw. die Frage: Welche Teile Deiner bisherigen Arbeit können von immer intelligenter werdenden Maschinen, können von KI übernommen werden?

Das sind viele. Und es werden vermutlich immer mehr. KI kann schon jetzt – sehr unproblematisch – Anträge ausfüllen und Online-Beratungen durchführen. Wie viele Jobs in der Sozialen Arbeit fallen dadurch weg oder verändern sich zumindest – teilweise radikal?

Ein Blick in das Management der Organisationen zeigt ebenfalls, dass – vor allem vor dem Hintergrund zunehmender Bürokratisierung oder einem um sich greifenden Managerialismus – viele Aufgaben in den Führungsetagen von Computern übernommen werden können. Und selbst wenn es Computer und KI nicht besser können, so können sie es zumindest billiger.

Die VUCA-Welt lässt grüßen – ein Alptraum?

Nein, mindestens zwei Albträume.

Einmal der Alptraum des Managerialismus. Wir müssen wieder dahin kommen, dass „soziale“ Arbeit auch in der Sozialen Arbeit möglich wird. Aber das ist ein – hier zumindest – anderes Thema.

Und dann der Alptraum, dass wir uns häufig nicht mit den Veränderungen und der damit einhergehenden Unsicherheit beschäftigen und wir als Menschheit, als Gesellschaft, in unseren Organisationen und auch als Menschen häufig erst gegen die Wand laufen müssen, bevor wir die Richtung wechseln – „Die Grenzen des Wachstums“ von 1972 zeigen das erschreckend deutlich.

Umgang mit Unsicherheit

Die Unsicherheit über den Verlauf der zukünftigen Entwicklung rund um KI, Fachkräftemangel, Klima, Politik und Co. ist hoch – weil sie von politischen Rahmensetzungen und der Kooperation der Akteure abhängt.

Klar, wir können nicht genau wissen, was kommt.

Aber wir können es gestalten – in unserer Umgebung, in unserem „Circle of Influence“, in unserem Einflussbereich.

Aber wie?

Wie lassen sich unsichere Entwicklungen und damit verbundene komplexe Situationen – ganz allgemein – positiv gestalten?

Ich habe mir – im Zuge meiner eigenen Unsicherheit einmal angeschaut, was die Psychologie zum individuellen Umgang mit Unsicherheiten sagt.​ Dazu habe ich Veröffentlichungen von dem Kasseler Psychologen Ernst Lantermann herangezogen, die ich hier zusammenfassend widergebe:

Typen im Umgang mit Unsicherheit

Zunächst einmal lassen sich verschiedene Typen festmachen, die ich mir nicht selbst ausgedacht habe.

Der:die gläubige Analytiker:in

Das mentale Modell beruht auf Gesetzen und Regeln mit dem Grundsatz:

Wer erfolgreich sein will, muss nur diese Regeln kennen, um dann nüchtern und überlegt die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Intuition, Gefühl oder Handeln „aus dem Bauch heraus“ sind dem:der gläubigen Analytiker:in ein Gräuel.

Daraus folgt, dass gläubige Analytiker:innen alles, was nicht analytisch erfassbar ist, einfach nicht zum Gegenstand ihres Weltbildes machen. Easy: Der Glaube an die Berechenbarkeit und Vorhersagbarkeit der Welt macht sie und ihn jedoch extrem anfällig für „Störungen“. Unvorhergesehenen Überraschungen und „Regelabweichungen“ steht er:sie hilflos gegenüber. Es entsteht eine Handlungsstarre.

Statt auf eine Lösung zu drängen, zieht er:sie sich auf das zurück, was er:sie besonders gut kann: Daten sammeln und analysieren, auch wenn der Zug inzwischen längst abgefahren ist.

Menschen mit diesen Weltbildern und Fähigkeiten sind nahezu unschlagbar, wenn es darum geht, relativ einfache, komplizierte, wenig komplexe und überschaubare Anforderungen erfolgreich zu bearbeiten. Werden die Anforderungen jedoch komplex und unüberschaubarer, sind von ihnen kaum lösungsorientierte Vorschläge und Ansätze zu erwarten.

Dann gibt es Überzeugungstäter:innen

Das mentale Modell des:der Überzeugungstäters:in hilft, die Komplexität der Welt durch klare Zielhierarchien, klare Unterscheidungen zwischen „gut“ und „böse“, „richtig“ und „falsch“ erheblich zu reduzieren.

Damit einher geht die Ausblendung möglicher „Kollateralschäden“ des Handelns.

Der:die Überzeugungstäter:in handelt zielstrebig nach bestem Wissen und Gewissen und ganz im Einklang mit den inneren Überzeugungen. Das verleiht ihm ein gefühlt hohes Maß an moralischer Überlegenheit, nicht selten gepaart mit einer scharfen Ablehnung von „Opportunisten“, Menschen ohne unbeugsam klare innere Haltung.

Welches Leitprinzip dabei handlungsleitend ist, ist zunächst unerheblich. Es kann also das Leitprinzip der Rettung der Menschheit sein oder auch das Leitprinzip der Gewinnmaximierung. Kompromisse sind nicht möglich. Damit läuft er:sie mit in die typischen Fallen, die eine komplexe Situation bereithält und wird so zu einem hohen „Sicherheitsrisiko“ gerade für innovative und dynamische Unternehmen, die auf neue Ideen, Wege und Denkweisen angewiesen sind.

Der:die lustbetonte Draufgänger:in

Der:die lustbetonte Draufgänger:in hat grundsätzlich wenig Lust, sich gründlich zu informieren. So interessieren Details weniger, es genügt ein grober Überblick über das Problem. Es geht ihm:ihr darum, etwas auszuprobieren und zu sehen, was dabei herauskommt.

Gerade in komplexen Situationen drängt er:die auf die Umsetzung und auf entschlossenes Handeln.  Er drängt auf Veränderung und will das Problem möglichst rasch gelöst haben. Dadurch werden natürlich neue Probleme geschaffen – jede Problemlösung erzeugt Lösungsprobleme.

Die möglichen Fern- und Nebenwirkungen sind nicht im Fokus des entschlossenen Handelns. Dabei wird das „Weltmodell“ in nicht immer zielführender Weise vereinfacht. Zwar werden schnell Entscheidungen getroffen, aber viele Fallstricke, viele Informationen, viele Einwände werden nicht bedacht.

Der:die Klarheits-Suchende

Klarheitssuchende Menschen suchen klare Verhältnisse und Übersicht. Unsichere Situationen sind Störungen der gewohnten Handlungsroutinen. Am liebsten entwirft er:sie exakte und detaillierte Pläne, um die notwendige Klarheit und Eindeutigkeit der Situation wiederherzustellen.

Die klare Struktur ist für sie:ihn eine zwingende Voraussetzung für erfolgreiches Handeln. In Situationen, die schnelle Entscheidungen auch bei unvollständiger Informationslage erfordern, neigt er:sie dazu, auf bewährte Routinen und Gewohnheiten zurückzugreifen. Die Hoffnung besteht darin, durch erhöhten Einsatz Sicherheit zurückzugewinnen.

Das sind natürlich nicht alle „Typen“ und – wenn ich mich selbst so betrachte – gibt es natürlich auch Mischformen der Typen. Zugleich zeigt die Typologie, welche groben mentalen Modelle unter Unsicherheitsbedingungen existieren können.

Fehler im Umgang mit Unsicherheit

Spannend ist es jetzt, die typischen Fehler im Umgang mit Unsicherheit anzuschauen. Neben der Zentralreduktion als kognitive Strategie,  bei der Probleme und Schwierigkeiten auf eine zentrale Ursache zurückgeführt werden, gibt es hier noch die Verabsolutierung von Zielen oder auch das Handeln nach dem Reparaturdienstprinzip (man löst immer nur die gerade anstehenden Probleme).

Die geschilderten Fehlervarianten lassen sich als Beispiele für Wege und Strategien, die Menschen im Umgang mit komplexen und unsicheren Handlungsanforderungen wählen ansehen, wenn Motive zur Reduzierung von Unsicherheit, zum Schutz des eigenen Kompetenzgefühls und einfache mentale Modelle das Handeln bestimmen.

Gemeinsam ist diesen verschiedenen Handlungsmustern, dass sie zentrale Merkmale komplexer Handlungsräume ignorieren und daher zu wenig erfolgreichen Ergebnissen führen.

Mir geht es aber viel eher um die Frage, wie man denn jetzt mit den Unsicherheiten umgehen lernen kann. Das ist natürlich ganz im Sinne des lustbetonten Draufgängers, der auf die rasche Lösung seines Problems drängt. Das ist mir bewusst.

Gibt es also so etwas wie einfache Regeln, nach denen man in unsicheren Situationen handeln kann? Ja, die gibt es, und auch hier liefert uns der tolle Text von Prof. Lantermann hilfreiche Informationen.

10 Faustregeln für den erfolgreichen Umgang mit Unsicherheit

Leider gibt es keine allgemein anwendbaren, erfolgssicheren Strategien im Umgang mit komplexen Anforderungen und hoher subjektiver Unsicherheit. Dies ist angesichts der Komplexität auch nicht verwunderlich.

Vielmehr muss jede:r für sich die für ihn passenden Wege im Umgang mit unsicheren Situationen finden. Dabei ist neben der spezifischen Aufgabenstellung auch die eigene Persönlichkeitsstruktur – siehe Typen oben – zu berücksichtigen. Der notwendige individuelle Umgang mit Unsicherheit gilt übrigens genauso für Teams oder Organisationen insgesamt, was die „klassische“ Beraterbranche ziemlich unter Druck setzt.

Gleichzeitig gibt es aber eine Reihe von Faustregeln und Verfahren, die es ermöglichen, jeweils genau auf die Situation zugeschnittene gute Herangehensweisen und Strategien für erfolgreiches Handeln unter den Bedingungen von Komplexität und Unvorhersehbarkeit zu entwickeln und anzuwenden.

I. Fehler erkennen

Wer seine Fehler erkennt, kann sie in Zukunft vermeiden. Das heißt aber auch: Wer sie ignoriert, wird immer wieder die gleichen Fehler machen.

II. Phasen der Handlungsbezogenen Selbstreflexion

Immer wieder sollten Phasen der handlungsbezogenen Selbstreflexion eingeschoben werden.

Selbstreflexion bezieht sich wiederum auf den Einzelnen, aber auch auf das Team oder die Organisation als Ganzes. Folgende Fragen können dabei gestellt werden:

  • Wie haben wir uns dabei gefühlt?
  • Was könnten wir beim nächsten Mal anders machen?
  • Inwieweit ist das eingetreten, was wir erwartet haben?
  • Welche Erwartungen haben wir an unsere Handlungen und Entscheidungen geknüpft?
  • Warum haben wir (oder ich) das getan, was wir getan haben?

III. Nicht alles kontrollieren

Der Versuch, alles zu kontrollieren und zu verstehen, wird nach hinten losgehen. Besser ist es, sich auf die wichtigsten Aspekte der Situation zu konzentrieren und die Unsicherheit und Unzulänglichkeit des Wissens zu akzeptieren.

IV. Keine Detailplanung

Detailplanung kann nur schief gehen.

V. Planung auf mittlere Sicht

Mehr ist unter komplexen Bedingungen sowieso nicht möglich.

VI. Plan B 

Was könnte getan werden, wenn das Erwartete nicht eintrifft?

VII. Durchwursteln

Erfolgreicher als langfristige Planungen ist es, Entscheidungen und Handlungen flexibel an die jeweiligen Möglichkeiten anzupassen (Durchwursteln), ohne das „große Ziel“ aus den Augen zu verlieren.

VIII. Keine festgefahrenen Prinzipien

Prinzipien können gerne als Überzeugungen existieren, sollten aber in komplexen Situationen nicht handlungsleitend sein. So macht handlungsbezogene Prinzipientreue kompromissunfähig und führt gerade in der Konfrontation mit komplexen Anforderungen nicht zu guten Handlungsstrategien!

IX. Blick von außen

Es macht Sinn, die Situation aus der Sicht von Menschen zu betrachten, die von außen draufschauen und die ganz anders denken. Dies erhöht zwar zunächst die Komplexität und damit die als größer empfundene Unsicherheit der Situation. In der Folge kommt es aber häufig zu einer zielführenden Reduktion der Unsicherheit.

X. Vertraue! 

Wer anderen vertrauen kann, dem wird auch vertraut. Und Vertrauen ist eine zentrale Ressource für erfolgreiches Handeln unter unsicheren Bedingungen.

Denkstrategien für den Umgang mit Unsicherheit

Abschließend möchte ich noch einige Denkstrategien nennen, die sich im Umgang mit Unsicherheit und komplexen Situationen als hilfreich erwiesen haben (vgl. Lantermann et al., 2009):

  • Immer in Zusammenhängen denken und nie den Gesamtkontext aus den Augen verlieren, in den einzelne Handlungen eingebettet sind.
  • Prognosen und Erwartungshorizonte bilden, bevor konkrete Handlungspläne entworfen werden.
  • Ziele und Pläne flexibel gestalten, mit Leerstellen, die erst in der konkreten Situation gefüllt werden.
  • Zwischen Planen und Handeln problemadäquat wechseln.
  • Temporäre Prioritäten setzen und rechtzeitig Korrekturen einleiten. Nicht an einmal gefassten Vorsätzen festhalten!
  • Flexibel zwischen Detailbetrachtung und Vogelperspektive wechseln.

Umgang mit Unsicherheit und die Soziale Arbeit

Abschließend – nach so vielen Worten – noch ein kurzer Blick auf Unsicherheit und Soziale Arbeit. Unsicherheit ist dort ständiger Begleiter. Hintergrund ist natürlich, dass wir mit Menschen arbeiten.

Kommen die Menschen zum vereinbarten Beratungstermin? Wie geht es den Jugendlichen nach den Weihnachtsferien? Was hat der neue Jugendliche erlebt und wie reagiert er auf mich?

Das und viel mehr sind sehr unsichere Situationen. In der Sozialen Arbeit geht es oft um Beziehungsgestaltung, um die Gestaltung von komplexen Settings und um die Gestaltung von Netzwerken. Unsicherheitsbewältigungskompetenz (tolles Wort) sollte daher – neben Ambiguitätstoleranz – Teil der Ausbildung und des Studiums der Sozialen Arbeit sein.

Darüber hinaus könnte damit auch ein stärkeres unternehmerisches Denken und Handeln in sozialen Organisationen gefördert werden…

Der Blick auf Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt auch, dass diese häufig unter prekären Bedingungen agieren. Als Beispiel sei nur das Thema Fachkräftemangel genannt.

Unsicherheitsbewältigungskompetenz ist damit eine Kernkompetenz für das Führungskräfte sozialer Organisationen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es auch eine organisationale Unsicherheitsbewältigungskompetenz geben kann?

Hier kommen wir dann zu Themen wie der organisationalen Resilienz oder zum agilen Management von Organisationen der Sozialwirtschaft – Themen, zu denen Du auf dem Blog und auch sonst überall ja einiges finden kannst.

Ich hoffe, ich konnte ein paar Denkanstöße liefern. Hast Du etwas mitnehmen können? Gerne hier einen Kommentar oder mir eine Nachricht hinterlassen…

Zum Weiterlesen:

*Das sind affiliate links. Ich verdiene ein paar cent, wenn ihr die Bücher über die Links bei Amazon kauft.

Wie du Widerstand in Veränderungsprozessen begegnen kannst

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Klima, KI, Fachkräftemangel, neue gesetzliche Vorgaben, knapper werdende Mittel, Nachfolge usw. Die Notwendigkeit zur Veränderung in den Organisationen der Sozialen Arbeit liegt auf der Hand. Ich will hier nicht das große, leider inzwischen überstrapazierte Wort „Transformation“ in den Mund nehmen. Aber dass sich etwas bewegen muss, dass sich etwas verändern muss, im Kleinen wie im Großen, das ist klar. Immer wieder und ganz aktuell in einem Lehrauftrag zum Thema Change Management taucht die Frage auf, wie man mit Widerstand in Veränderungsprozessen umgehen kann. Widerstand wird dabei vor allem als Hindernis für Veränderungsprozesse gesehen, das es zu beseitigen gilt. Ich möchte in diesem Beitrag aber auch die Funktion von Widerstand als Ausdruck aufkommender Probleme betonen, die aktiv angegangen werden sollten. Denn neben dem Umstand, dass wir „unser Veränderungsziel schnell erreichen wollen“, wollen wir ja irgendwie auch „die Mitarbeiter:innen bei der Zielerreichung mitnehmen“. Und beide Perspektiven sind wichtig! Im Folgenden soll daher ein Überblick über die Ursachen von Widerstand in Veränderungsprozessen, die Bedeutung des Umgangs damit und praktische Strategien zur erfolgreichen Umsetzung von Veränderungen in Organisationen der Sozialen Arbeit gegeben werden.

Obwohl schon viel zu diesem Thema geschrieben wurde, nutze ich den Blog hier zum einen als eigenen Reflexionsraum, in dem ich mich mit Themen und manchmal auch noch unausgegorenen Ideen auseinandersetze. Zum anderen dient der Blog aber auch als Material- und Methodensammlung, auf die Du bei deinen Fragen zurückgreifen kannst.

Widerstand in Veränderungsprozessen – eine Einführung

Grundsätzlich ist relevant, dass sich Organisationen als soziale Systeme „strukturell konservativ“ verhalten und erst dann verändern, „wenn sie mit ihrem Latein am Ende sind, wenn sie die Grenze des Machbaren erreicht haben“ (Seliger 2022: 14f). Da Organisationen aber nicht im luftleeren Raum agieren, sondern in eine bzw. ihre sich verändernde Umwelt eingebunden sind, müssen Veränderungen entsprechend in der Organisation verarbeitet werden, da sich das soziale System Organisation sonst nicht und vor allem nicht selbst erhalten kann (vgl. näher bspw. hier).

Doch trotz der Notwendigkeit von Veränderungen lösen Veränderungsprozesse häufig Widerstände bei den Mitarbeitenden aus. Und es sollte klar sein, dass ignorierter oder falsch interpretierter Widerstand den Erfolg von Veränderungsprozessen erheblich beeinträchtigt (vgl. z.B. Schein, 2009). Die aktive Auseinandersetzung mit den Ursachen und Ausdrucksformen von Widerstand erhöht daher die Effektivität des Veränderungsprozesses und fördert zudem das Vertrauen und die Motivation der Mitarbeitenden.

Aber:

Was ist Widerstand?

Es ist wichtig zu verstehen, dass Widerstand ein natürlicher Bestandteil von Veränderungsprozessen ist, aber oft negativ konnotiert wird. Hier lohnt sich eine differenzierte Betrachtung.

Von Widerstand in Veränderungsprozessen kann dann gesprochen werden, wenn ein Veränderungsvorhaben aus zunächst nicht erkennbaren Gründen bei einzelnen Personen, Teams, Gruppen oder der gesamten Belegschaft auf Ablehnung stößt, nicht nachvollziehbare Vorbehalte hervorruft oder durch passives Verhalten unterlaufen wird.

Widerstand bedeutet also zunächst einmal Verweigerung von Engagement – eine bewusste oder unbewusste Reaktion, die sich auf die Sachebene (fachlich-inhaltlich), die Beziehungsebene („die Beteiligten sind doof“) oder die Zeitebene („zu schnell, zu langsam oder aktuell unpassend“) bezieht.

Widerstand wird häufig – und vor allem von der Gegenseite – als Hindernis wahrgenommen, erfüllt aber eine wichtige systemstabilisierende Funktion, die nicht nur negativ zu sehen ist: Er hilft, den Status quo und die Handlungsfreiheit zu erhalten. In diesem Sinne kann Widerstand sogar positiv interpretiert werden, da er zunächst die Frage aufwirft, ob die Veränderung des Status quo überhaupt sinnvoll, funktional und notwendig ist.

Widerstand als Ausdruck von Unsicherheit, Informationsdefiziten oder auch unbewältigten Ängsten bedeutet jedoch nicht, dass „nichts gelernt“ wird oder die Entwicklung stagniert.

Vielmehr kann Widerstand als Vorbote von Lösungen gesehen werden – als Signal, dass die eingeschlagene Richtung möglicherweise nicht als sinnvoll empfunden wird oder noch etwas fehlt. Es ist also eine Frage der Sichtweise der Führungskraft (oder auch des/der Berater:in), ob Widerstand als Blockade oder als Chance wahrgenommen wird.

Darauf aufbauend ist es dann entscheidend, wie mit Widerstand umgegangen wird. Für das Gelingen von Veränderungsprozessen ist es daher relevant, Widerstand nicht persönlich zu nehmen, sondern als Botschaft und Kommunikationsangebot zu verstehen. Widerstand ist ein Feedback, das darauf hinweist, dass (zumindest aus Sicht der widerständigen Mitarbeitenden) Anpassungsbedarf besteht – sei es in der Kommunikation, in den Zielen, im Tempo oder in den Vorgehensweisen und Methoden des Veränderungsprozesses.

Entsprechend interpretiert und genutzt, eröffnet Widerstand somit die Möglichkeit, den Veränderungsprozess zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Widerstand aus individueller Perspektive

Um Widerstand aus individueller Perspektive zu erfassen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, welche elementaren Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sein müssen, damit Menschen „gut arbeiten“ können. Hierzu ist aus meiner Sicht das SCARF-Modell (mehr dazu hier) passend, in dem die folgenden fünf elementaren Grundbedürfnisse des Menschen definiert werden:

– Status (Anerkennung)
– Certainty (Sicherheit)
– Autonomy (Selbstbestimmung)
– Relatedness (Verbundenheit) und
– Fairness.

Wichtig ist, dass die Ausprägung der Grundbedürfnisse bei jedem Menschen individuell ist. „Das heißt, was für den einen eine massive Bedrohung ist, mag Dich nur minimal bewegen. Oder umgekehrt“ (klick).

Mit Blick auf Veränderungsprozesse unter Bezugnahme auf dieses Modell wird deutlich, dass – als Beispiel – die Einführung neuer digitaler Tools die Sicherheit der Mitarbeiter:innen reduziert – z.B. aufgrund bislang nicht vorhandener Kompetenzen im Umgang mit den neuen Tools. Darüber hinaus sinkt aber auch der Aspekt „Status“ bzw. Anerkennung, da unklar ist, welche Leistungen als „anerkennenswert“ bewertet werden. Außerdem werden neue und gut ausgestattete Arbeitsumgebungen von anderen Mitarbeiter:innen vielleicht als unfair wahrgenommen. Und es kann auch sein, dass durch die digitale Transformation und die damit verbundenen neuen Anforderungen bisher feste Teams und Gruppen aufgelöst werden und damit die Bindung an das bisherige Team sinkt.

So ist es verständlich, dass Widerstände entstehen und beispielsweise die Einführung neuer digitaler Tools nicht von allen als „Heilsbringer“ erlebt und damit deutlich erschwert wird.

Unterschiedliche Geschwindigkeit, oder: Der Widerstandkanon

Bevor ich zu Ansätzen für den Umgang mit Widerständen gegen Veränderungsprozesse in der eigenen Organisation komme, möchte ich noch auf eine interessante Beobachtung hinweisen.

Zum Verständnis dieser Beobachtung zunächst ein Hinweis auf die im Zusammenhang mit dem Umgang mit Widerständen häufig verwendete Veränderungskurve nach Kübler-Ross/Streich vgl. bspw. hier.

Demnach durchlaufen Menschen (und auch Organisationen) in Veränderungsprozessen die folgenden 7 Phasen:

Phase 1: Schock
Phase 2: Ablehnung
Phase 3: Rationale Akzeptanz
Phase 4: Emotionale Akzeptanz
Phase 5: Lernen
Phase 6: Erkenntnis
Phase 7: Integration

Mir geht es hier nicht um das Modell als solches, sondern um die Erkenntnis, dass immer individuelle Unterschiede im Umgang mit Veränderungen zu berücksichtigen sind: Nicht alle Menschen durchlaufen die Phasen in der gleichen Reihenfolge, erleben sie auf die gleiche Weise oder auch in der gleichen Geschwindigkeit.

Und der Blick auf Veränderungsprozesse zeigt, dass diese häufig auf der Ebene der Geschäftsführung, des Vorstandes oder der Führungsebenen konzipiert bzw. angestoßen werden. Die Analyse des Ist-Zustandes und der Abgleich mit den gewünschten Soll-Zuständen ist Aufgabe des Managements, um daraus Entscheidungen über das weitere Vorgehen abzuleiten.

Wenn aber die Geschäftsführung die Notwendigkeit von Veränderungen erkannt und entsprechende Schritte eingeleitet hat, heißt das noch lange nicht, dass die darunter liegenden Ebenen – Bereichs-, Abteilungs- und Teamleitungen, geschweige denn die Mitarbeitenden – diese Notwendigkeit ebenfalls erkannt haben.

Vielmehr entsteht ein „emotionaler Kanon“ durch die Ungleichzeitigkeit der Auseinandersetzung mit der Veränderung:

Während z.B. die Geschäftsleitung schon in Phase 4 oder 5 der Veränderungskurve angekommen ist, hängt die Ebene der Bereichsleitungen noch in Phase 2 oder 3. Und die Mitarbeitenden stehen noch ganz am Anfang und sind geschockt, dass überhaupt eine Veränderung notwendig ist.

Kurz: Die einen sind schon durch und auf dem Weg der Integration, während die anderen noch in den ersten Phasen stecken. Von daher ist es naiv anzunehmen, dass alle Mitarbeitenden auf allen Ebenen die gleiche „Begeisterung“ für die Veränderung haben, nur weil jetzt darüber informiert wurde.

Möglichkeiten zum Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen

Aber wie kannst Du nun konkret in Deiner Organisation mit Widerstand umgehen? Dazu hier einige praxisnahe Strategien:

1. Die eigene Rolle im Umgang mit Widerstand annehmen

Als Führungskraft trägst Du die Verantwortung für den Veränderungsprozess und die erfolgreiche Kommunikation im Veränderungsprozess. Das bedeutet, dass Du die Verantwortung trägst, die Mitarbeitenden nicht nur durch die Veränderung zu begleiten, sondern sie aktiv zu unterstützen.

Die Art und Weise, wie Führungskräfte mit ihren eigenen Widerständen und denen ihrer Mitarbeitenden umgehen, ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor. Denn Widersprüche zwischen den gegebenen Informationen und dem gezeigten Verhalten der Führungskraft fördern den Widerstand der Mitarbeitenden gegen geplante Veränderungen (vgl. Stabenow, 2018:3).

Dementsprechend ist hier eine offene und individuell reflektierte Haltung gegenüber dem Veränderungsprozess und dem eigenen Widerstand wesentlich:

  • Wie gehst Du mit Veränderung um?
  • Wie schätzt Du Deinen Widerstand gegenüber dem Prozess ein?
  • Wie gelingt Dir ein guter Umgang mit Deinen eigenen Herausforderungen?
  • Was gibt Dir Anerkennung, Sicherheit, Verbundenheit?

Dabei ist ein Blick auf die Zusammenarbeit innerhalb des Führungsteams hilfreich. Transparenz, regelmäßiger Austausch und ehrliche Reflexion über den Umgang mit Widerstand im Führungsteam sind unerlässlich, um einheitlich, klar und „authentisch“ zu handeln. So wird vermieden, dass widersprüchliche Signale gesendet werden, die die Verunsicherung der Mitarbeitenden verstärken können.

Kurz: Wer seine Verantwortung im Umgang mit Widerstand bewusst wahrnimmt und einen konstruktiven Umgang vorlebt, schafft die Basis für einen erfolgreichen Veränderungsprozess. Ein transparenter, reflektierter und lösungsorientierter Umgang mit Herausforderungen fördert nicht nur das Vertrauen der Mitarbeitenden, sondern stärkt auch die Resilienz der gesamten Organisation.

2. Verständnis für die Gründe des Widerstands entwickeln

Bevor Du Maßnahmen ergreifst, ist es essenziell, die Ursachen des Widerstands zu identifizieren. Häufig resultiert dieser aus:

  • Angst vor dem Unbekannten: Veränderungen erzeugen Unsicherheit (siehe SCARF-Modell) und können Ängste hervorrufen, sei es vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder vor neuen Aufgaben.
  • Mangel an Informationen: Unzureichende oder unklare Kommunikation führt zu Unsicherheit und Missverständnissen. Und da gelingende Kommunikation unwahrscheinlich ist, da sie verschiedene Hindernisse überwinden muss (Verstehensproblem, Distanzproblem, Erfolgsproblem, vgl. bspw. hier) ist das mit der Information gar nicht trivial.
  • Überforderung: Mitarbeitende sehen sich mit zusätzlichen Belastungen konfrontiert, was gerade in sowieso schon belasteten Organisationen zur kompletten Überforderung bis hin zu individuellem und organisationalen Burnout führen kann.
  • Fehlende Kompetenzen: Es besteht Unsicherheit darüber, ob die eigenen Fähigkeiten den neuen Anforderungen entsprechen. Denn neben dem „Wollen“, der Lust auf Veränderung, geht es auch immer um ein „Können“, also der Frage, ob sich die Mitarbeitenden kompetent fühlen (und sind), die neue Situation bearbeiten zu können.
  • Unpassendes Tempo: Das Veränderungstempo wird als zu schnell empfunden, wodurch Anpassungsschwierigkeiten entstehen – siehe Widerstandskanon.

Allein das Kennen der Gründe kann helfen, gezielt auf die Widerstände eingehen und entsprechende Unterstützungsangebote schaffen zu können. Das „Erkennen können“ setzt jedoch psychologische Sicherheit voraus, um überhaupt an die wirklichen Themen zu kommen.

3. Offene und transparente Kommunikation fördern

Trotz aller kommunikativen Herausforderungen bleibt eine klare und regelmäßige Kommunikation ein Schlüssel, um Unsicherheiten zu minimieren. Es geht darum, die Mitarbeitenden so früh wie möglich (nicht so früh wie möglich) über die geplanten Veränderungen, die Gründe und die erwarteten Auswirkungen zu informieren.

Dabei sollten verschiedene Kommunikationskanäle und -formate (Dialogräume, E-Mail, Podcast, Video…) genutzt werden, um sicherzustellen, dass alle erreicht werden. Und es versteht sich (fast) von selbst, dass nicht nur sachliche Aspekte kommuniziert werden, sondern auch die emotionale Seite berücksichtigt werden muss.

4. Mitarbeitende aktiv einbinden

Es hilft, die Mitarbeitenden von Anfang an in den Veränderungsprozess einzubeziehen und ihre Meinungen und Ideen einzuholen (vgl. Stabenow, 2018:3).

Dies kann durch Workshops, Dialog- und Feedbackrunden oder in Arbeitsgruppen geschehen. Eine aktive Einbindung fördert das Gefühl der Mitbestimmung und baut Widerstände ab. Zudem können so wertvolles Wissen und Erfahrungen der Mitarbeitenden genutzt werden, um den Veränderungsprozess effektiver zu gestalten.

Wichtig ist dabei, nicht nur so zu tun, als ob: Mitarbeitende merken sehr schnell, wenn es sich um eine reine „Scheinbeteiligung“ handelt und ihre Meinung zwar gehört, aber nicht weiter genutzt wird. Auch hier hilft eine klare Kommunikation: „Wir wollen Deine Meinung hören, aber es ist noch nicht entschieden, ob genau Deine Meinung in den Veränderungsprozess einfließt!“

5. Schulungen und Weiterbildungen anbieten

Stelle sicher, dass Deine Mitarbeitenden über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Biete gezielte Aus- und Weiterbildungen an, um Wissens- und Kompetenzlücken zu schliessen und Sicherheit im Umgang mit den neuen Aufgaben zu vermitteln. Dies erhöht nicht nur die Fachkompetenz, sondern auch das Selbstvertrauen der Mitarbeitenden und trägt letztlich zum Aspekt „Anerkennung“ des SCARF-Modells bei.

6. Emotionale Unterstützung bieten

Veränderungen können Stress und Unsicherheit auslösen. Zeige Einfühlungsvermögen und biete Unterstützung an, sei es durch Gespräche, Coaching oder externe Beratungsangebote. Ein offenes Ohr für die Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden signalisiert Wertschätzung und stärkt das Vertrauen in die Führung.

7. Positive Aspekte der Veränderung betonen

Betone die Vorteile und Chancen der Veränderung. Zeige auf, wie die Neuerungen und Veränderungen den Arbeitsalltag erleichtern, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten oder die Organisation insgesamt stärken. Ein positiver Ausblick kann helfen, Vorbehalte abzubauen und Motivation zu schaffen.

Gleichzeitig ist es nicht verkehrt, auch die eigenen Unsicherheiten im Veränderungsprozess (soweit möglich) transparent zu machen: Auch Du wirst Unsicherheiten spüren, da Veränderungen in komplexen sozialen Systemen trotz aller Voraussicht und Planung nie „planmäßig“ verlaufen. Insbesondere die Veränderung formaler Strukturen (Ziele, Entscheidungswege, Prozesse, Personal) hat immer auch Auswirkungen auf die Kultur der Organisation, nur: Welche Auswirkungen genau, ist unklar.

8. Geduld und Flexibilität zeigen

Veränderungsprozesse brauchen Zeit und Energie. Sei geduldig und bereit, den Prozess anzupassen, wenn unerwartete Hindernisse auftauchen. Flexibilität und das Eingehen auf Feedback zeigen, dass du den Prozess ernst nimmst und bereit bist, gemeinsam Lösungen zu finden.

Fazit

Widerstand in Veränderungsprozessen ist kein Zeichen von Unwillen oder Sturheit. Basierend auf der Grundannahme des Konstruktivismus, nach der jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit erschafft – also konstruiert – agiert jede:r Mitarbeiter:in aus seiner individuellen Perspektive „rational“ – auch in Veränderungsprozessen.

Widerstand ist daher meist Ausdruck von Unsicherheit, Angst oder Überforderung. Nimmt man als Führungskraft diese Signale ernst und geht proaktiv darauf ein, kann es besser gelingen, den Veränderungsprozess positiv zu gestalten und tatsächlich Fortschritte zu erzielen.

Widerstand ist dann eher eine Chance zur Reflexion und Verbesserung als eine reine „Abwehr“.

Quellen:

  • Schein, E. H. (2009). Führung und Veränderungsmanagement. Zürich, Switzerland: EHP.
  • Seliger, Ruth (2022): Systemische Beratung der Gesellschaft. Strategien für die Transformation. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
  • Stabenow, M. (2018). Widerstände im Change-Prozess erfolgreich überwinden. In F. C. Brodbeck (Hrsg.), Evidenzbasierte Wirtschaftspsychologie, (23). Ludwig-Maximilians-Universität München. http://www.evidenzbasiertesmanagement.de.

It’s the end of New Work as we know it…?! Oder: Wie Führung und die Gestaltung sozialer Organisationen in Zeiten des Fachkräftemangels gelingt!

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Der Titel löst Fragen aus: Was ist New Work? Ist New Work am Ende? Wenn ja, warum? Und was hat Führung und die Gestaltung sozialer Organisationen mit dem Fachkräftemangel zu tun?

Antworten auf diese Fragen sind bedeutsam, um Organisationen der Sozialen Arbeit zukunftsfähig zu gestalten und damit – wieder angelehnt an das bekannte Lied „It’s the End of the World…“ von R.E.M. – doch zu einem „…and we feel fine!“ zu kommen.

Das gelingt – wenn man die Herausforderungen des Fach- und Arbeitskräftemangels in der Sozialen Arbeit in den Blick nimmt – weniger mit „New Work“ als mit „New Organizing“ verstanden als die durchgängige Professionalisierung von Organisationen der Sozialen Arbeit unter Berücksichtigung ihrer Spezifika.


Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift bethel>wissen der Stiftungen Sarepta und Nazareth. Hier kann die Zeitschrift als PDF heruntergeladen werden.


Was New Work ist und wie es verstanden wird

New Work meint a) die Sozialutopie der Abkehr von der klassischen Lohnarbeit. Frithjof Bergmann (1 – die Zahlen sind Klammern verweisen auf die Quellen am Ende) wollte damit einen Gegenentwurf zum Kapitalismus liefern. Hängengeblieben ist von seinen Ideen oftmals allein der Satz, dass Menschen das tun sollten, was sie „wirklich, wirklich tun wollen“.

Dieser Satz hat einen nicht unwesentlichen Anteil an dem heute populären Verständnis von New Work im Sinne der Gestaltung von Organisationen, die von einem „evolutionären Sinn“ getrieben sind, in denen Menschen „ihr ganzes Selbst einbringen“ können und „hierarchiefrei und selbstorganisiert auf Augenhöhe“ zusammenarbeiten. Mit dieser aktuellen Vorstellung von New Work, die durch das Buch „Reinventing Organizations“ von Laloux (2) populär wurde, geht einher, dass klassische Aspekte, die Organisationen definieren, in Frage gestellt werden: Formale Hierarchien, Vorgesetzte, klare Prozesse, Regeln und Vorgaben haben nach dieser Vorstellung von New Work einen schweren Stand.

Die Auswirkungen des Fach- und Arbeitskräftemangels auf Organisationen der Sozialen Arbeit

Befeuert werden diese Vorstellungen von New Work durch den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel, von dem insbesondere die Gesundheits- und Sozialwirtschaft massiv betroffen ist (3). Denn – so die gängige Vorstellung – wenn sich (potenzielle) Fachkräfte ihren Arbeitsplatz aussuchen können, müssen Organisationen alles tun, um sie zu „gewinnen und zu binden“. Die Gewinnung und Bindung erfolgt dann häufig dadurch, dass man die „Mitarbeitenden in den Mittelpunkt der Organisation“ stellt und ihnen alle erdenklichen Annehmlichkeiten zur Verfügung stellt – angefangen von Mitgliedschaften in Fitnessstudios über Jobräder bis hin zu (in sozialen Berufen begrenzten) Möglichkeiten, Arbeitszeit, -ort und -inhalt selbst zu bestimmen. Dies nährt jedoch „auf Seiten der Menschen die Illusion, dass sich die Organisation um ihre Anliegen und Wünsche herum entwickelt – also die Organisation sich in den Dienst der Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter stellt“. Diese Illusion hat jedoch „katastrophale Auswirkungen auf die Organisation“ (4).

Der sich durch den demografischen Wandel verschärfende Arbeitskräftemangel führt auch dazu, dass Organisationen der Sozialen Arbeit nicht mehr davon ausgehen können, sehr gut ausgebildete, hoch motivierte und engagierte Fachkräfte zu finden. Vielmehr geht es zunehmend darum, die anfallende Arbeit überhaupt bewältigen zu können. Dies führt in vielen Arbeitsfeldern (z.B. Eingliederungshilfe, Altenhilfe oder Erziehung) dazu, dass neben Fachkräften zunehmend auch nicht explizit ausgebildete Arbeitskräfte eingesetzt werden (müssen).

Daraus ergeben sich neue Herausforderungen, wenn die komplexen Besonderheiten der „Produktion“ personenbezogener sozialer Dienstleistungen berücksichtigt werden. Diese Dienstleistungen sind dadurch charakterisiert, dass sie a) immateriell, b) unteilbar und nicht speicherbar sind und immer c) die Einbeziehung der Klient:innen in die Dienstleistungserstellung erfordern. Darüber hinaus sind sie immer d) individuell in direkter Interaktion mit den Klient:innen zu erbringen (5). Kurz:

Soziale Arbeit ist hochgradig komplex und findet zum einen immer „selbstorganisiert“ in direkter Interaktion mit den Klient:innen statt. Zum anderen erfordert professionelle, d.h. wirklich gute Soziale Arbeit überdurchschnittlich ausgeprägte fachliche und soziale Kompetenzen, um die Komplexität der Arbeit mit Menschen bewältigen zu können. Die leider vielerorts vorherrschende Vorstellung „Soziale Arbeit kann jede:r“ ist völlig abwegig!

Problematisch für die Menschen in der Sozialen Arbeit und die Organisationen der Sozialen Arbeit wird es dann, wenn – wie skizziert – Soziale Arbeit zunehmend von Laien erbracht wird, die aufgrund der Komplexität Sozialer Arbeit häufig überfordert sind, und gleichzeitig immer höhere Anforderungen (z.B. an Wirkungsnachweise) seitens der Kostenträger gestellt werden, da die Aufrechterhaltung der Qualität Sozialer Arbeit kaum noch möglich ist.

Werden diese Überlegungen dann mit (falsch verstandenen) Vorstellungen von New Work im Sinne der skizzierten „hierarchiefreien, selbstorganisierten und auf Augenhöhe arbeitenden Teams“ in Verbindung gebracht, wird deutlich, dass eine Orientierung an den (sehr heterogenen) Bedürfnissen der unterschiedlich ausgebildeten Mitarbeiter innen für Organisationen der Sozialen Arbeit auf Dauer kein zielführender Ansatz ist.

Führung in komplexen Organisationen

Dies unterstreicht auch ein Blick auf „Führung“, verstanden als „erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten“ (6). „Führung“ bzw. die erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten wird aus dieser Perspektive erst dann notwendig, wenn die in der Organisation vorhandenen formellen oder informellen Erwartungen (dazu mehr hier) nicht ausreichen, um Kooperation zu ermöglichen.

Die “kritischen Momente” sind z.B. dadurch gekennzeichnet, dass die Mitarbeiter/innen unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen, oder dass Unklarheit darüber besteht, ob die Situation richtig interpretiert wird, wer das Wort ergreifen soll oder ob sich die Situation zu einem Konflikt entwickeln könnte. Mit anderen Worten: Es bräuchte keine Führung, wenn es gelänge, eine „perfekt organisierte Organisation“ zu schaffen. Das ist aber völlig unrealistisch. Und die „perfekt durchorganisierte Organisation“ als „Heilsbringer“ wird noch unrealistischer, wenn man die skizzierten Spezifika Sozialer Arbeit hinzuzieht:

Da die „Produktion“ personenbezogener sozialer Dienstleistungen „an der Basis“ in direkter Interaktion mit den Klient:innen stattfindet und dieser Prozess hochkomplex und in Teilen chaotisch (im Sinne von nicht planbar) verläuft und nicht durch Vorgaben oder Prozesse gestaltet werden kann („Wenn die Klientin XY sagt, musst du Z sagen!“), sind kritische Momente – Momente der Unsicherheit und Unklarheit – der Sozialen Arbeit inhärent – denn man hätte immer auch anders handeln können.

Auch wenn diese Unklarheiten unmittelbar durch die eigene Entscheidung der Fachkraft in der jeweiligen Situation geklärt werden, braucht erfolgreiche Soziale Arbeit Führung – in diesem Fall Selbstführung, verstanden als die Kompetenz, in unklaren Situationen selbst Entscheidungen zu treffen. Dazu benötigen Fachkräfte der Sozialen Arbeit aber neben sozialer Kompetenz und Intuition auch Kompetenzen in verschiedenen relevanten Bereichen (u.a. Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Recht).

Und insbesondere (aber nicht nur) dann, wenn aufgrund des Fach- und Arbeitskräftemangels vermehrt Personen ohne entsprechende Ausbildung in der Sozialen Arbeit tätig sein werden, bedarf es der Führung, um in kritischen Momenten Einfluss nehmen und Entscheidungen treffen zu können. Da die Selbstführung hier aufgrund mangelnder Fachlichkeit an ihre Grenzen stoßen kann, muss die Einflussnahme zwangsläufig durch andere Instanzen erfolgen. Diese Instanzen müssen nicht notwendigerweise formale Vorgesetzte sein. Auch die Entscheidung „kritischer Momente“ im und durch das Team ist denkbar, sofern geeignete Entscheidungsmethoden (wie z.B. Konsent-Moderation, 8) eingesetzt werden.

Rahmenbedingungen gestalten und Erwartungen transparent machen

Wichtig bleibt aber, dass die Entscheidungen, wie Soziale Arbeit im Einzelfall und trotz Fachkräftemangel erfolgreich umgesetzt werden kann, so getroffen werden, dass sie den vorgegebenen und/oder von der Organisation gewünschten Standards entsprechen. Diese Standards müssen aber nicht immer wieder neu gemeinsam ausgehandelt werden. Vielmehr sind die Führungskräfte gefordert, diese Standards als Rahmenbedingung für die gemeinsame Arbeit zu setzen. Mit der Vorgabe allein ist es aber nicht getan: Führungskräfte tragen auch die Verantwortung für die Umsetzung und damit für die Einhaltung der von ihnen gesetzten Standards!

Damit dies möglichst konfliktfrei geschehen kann, empfiehlt es sich, die formalen Erwartungen an die jeweiligen Rollen (z.B. Führungskraft, Fachkraft und Nichtfachkraft) transparent zu machen und zu klären, was genau von welcher Rolle erwartet wird. Das Rollenverständnis hilft auch, Personen nicht „pauschal“ zu kritisieren, sondern auf die jeweiligen gemeinsam erarbeiteten und transparent gemachten Erwartungen an die jeweilige Rolle zu verweisen.

Fazit, oder: Wie Führung und die Gestaltung sozialer Organisationen in Zeiten des Fachkräftemangels gelingt

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich „the end of New Work“ nur auf die romantisierenden, oft illusionären Vorstellungen einer ganzheitlichen, radikal selbstorganisierten und auf Augenhöhe stattfindenden Sozialen Arbeit bezieht. Mit dem Ende von „New Work, wie wir sie kennen“ sollte auch das Ende der Illusion einhergehen, dass sich Organisationen um die Anliegen und Wünsche ihrer Mitarbeitenden herum entwickeln müssten.

Um den Herausforderungen des Fach- und Arbeitskräftemangels in der Sozialen Arbeit begegnen zu können, muss es in Zukunft statt um „New Work“ verstärkt um eine andere, funktionale Gestaltung von Organisationen der Sozialen Arbeit – von mir aus „New Organizing“ – gehen und damit um funktionale Organisationsentwicklung von Organisationen der Sozialen Arbeit – unter Berücksichtigung ihrer Spezifika.

Professionell und funktional meint insbesondere die Gestaltung von funktionalen Strukturen, die Trennung von Person und Rolle sowie die Etablierung von Führung, die in der Lage ist, in kritischen Momenten Verantwortung zu übernehmen, diese Momente zu analysieren, Entscheidungen zu treffen und für deren Umsetzung zu sorgen – in der Hoffnung, damit zu einem „…and we feel fine!“ zu kommen.

Quellen:

  • 1 Vgl. Bergmann, F. (2004): Neue Arbeit, neue Kultur. Freiburg im Breisgau: Arbor Verlag.
  • 2 Vgl. Laloux, F. (2015): Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Verlag Franz Vahlen.
  • 3 Vgl. Hohendanner, Chr., Rocha, J., Steinke, J. (2024): Vor dem Kollaps!? Beschäftigung im sozialen Sektor. Empirische Vermessung und Handlungsansätze. Oldenburg: De Gruyter.
  • 4 Wimmer, R., von Ameln, F. (2019): Agilität, Ambidextrie und organisationale Veränderungskompetenz. Rudi Wimmer über Erbe und Zukunft des Change Managements. Gr Interakt Org 50, 211–216.
  • 5 Vgl. Gesmann, S., Merchel, J. (2019): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit: Handbuch für Studium und Praxis. Erste Auflage. Systemische soziale Arbeit. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
  • 6 Muster, J. et al. (2020): Führung als erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten. Grundzüge, Implikationen und Forschungsperspektiven. In: Barthel, Chr. (Hrsg.): Managementmoden in der Verwaltung. Sinn und Unsinn. Wiesbaden: Springer Gabler. S. 285 – 305.
  • 7 Richter, T., Groth, T. (2023): Wirksam führen mit Systemtheorie. Kernideen für die Praxis. Carl Auer Verlag.
  • 8 Vgl. Rüther, Chr. (2022): KonsenT-Moderation. Gemeinsam effektiv auf Augenhöhe entscheiden. Ein Lehrbuch und Praxisleitfaden! Hamburg: Tredition.

Methoden für Exnovation I: Ecocycle Planning – ein Werkzeug zur Reflexion von Angeboten und Dienstleistungen

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Als Führungskraft in der Sozialwirtschaft stehst du oft vor der Frage, wie du mit knappen Ressourcen das Beste für deine Organisation erreichen kannst. Es geht darum, innovative Ansätze voranzutreiben, aber auch alte Strukturen loszulassen, die nicht mehr zielführend sind. Genau dafür ist Ecocycle Planning ein praktisches Werkzeug, das dir hilft, die Aktivitäten deiner Organisation strategisch zu bewerten, weiterzuentwickeln und vor allem auch loszulassen.

Im Folgenden findest Du eine kurze Einführung, was Exnovation ist und warum wir das dringend brauchen. Und dann findest Du eine praxistaugliche Beschreibung der Methode Ecocycle Planning – eine (nicht nur) Exnovationsmethode aus den „Liberating Structures“.

Was ist Exnovation – und warum überhaupt?

Der Blick auf die aktuellen Herausforderungen, vor denen Organisationen und wir als Gesellschaft stehen, erfordert weniger.

Neben den dringend notwendigen Innovationen brauchen wir in Zukunft unbedingt auch Exnovationen, verstanden als Verzicht auf, Loslassen von oder Ausstieg aus bisher sinnvollen Angeboten, Prozessen, Praktiken oder Technologien, weil sie nicht mehr zielführend, nicht mehr strategiekonform oder gar schädlich sind.

In diesem Beitrag kannst Du die Grundzüge der Exnovation vertieft nachlesen.

Was ist Ecocycle Planning?

Ecocycle Planning ist ein Modell, das sich an natürlichen Wachstumsprozessen orientiert.

Es beschreibt vier Phasen, die jede Aktivität in deiner Organisation durchlaufen kann. Es macht aber Sinn, die Methode vor allem für die Reflexion Eurer Angebote und Dienstleistungen zu nutzen:

  1. Geburt: Neue Ideen entstehen, und Projekte nehmen ihren Anfang. Es herrscht Aufbruchsstimmung.
  2. Reife: Aktivitäten haben sich etabliert, und Abläufe sind eingespielt. Ressourcen werden effizient genutzt.
  3. Kreative Zerstörung (Exnovation): Alte Strukturen, die nicht mehr funktionieren, werden beendet, um Platz für Neues zu schaffen.
  4. Wachstum/Erneuerung: Freigewordene Ressourcen fließen in frische Ideen und neue Projekte.

Hier passt die Metapher eines Waldes, in dem Wachstum, Stagnation, Zerstörung und Regeneration zum natürlichen Kreislauf gehören.

Ecocycle Planning

Warum solltest du Ecocycle Planning nutzen?

Dass wir in der Sozialwirtschaft häufig unter schwierigen Bedingungen arbeiten ist ja nichts Neues: begrenzte Budgets, hohe Erwartungen, fehlende Fachkräfte und komplexe Herausforderungen.

Mit Ecocycle Planning kannst du…

  • …Klarheit darüber gewinnen, welche Projekte oder Aktivitäten in deiner Organisation Ressourcen binden.
  • …herausfinden, welche Aufgaben, Projekte und Angebote du loslassen solltest, um Raum für Neues zu schaffen.
  • …die Prioritäten deiner Organisation klar und strukturiert setzen.

Durch die Visualisierung auf dem Ecocycle-Modell fällt es leichter, Entscheidungen zu treffen und dein Team mitzunehmen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Eine Wohlfahrtsorganisation hat Ecocycle Planning genutzt, um ihre Jugendhilfeprojekte unter die Lupe zu nehmen. Das Ziel: Fokussierung, bessere Ergebnisse erzielen, neue Fördermöglichkeiten erschließen und Raum schaffen für innovative Projekte.

Schritt 1: Einführung und Analyse
Zuerst haben die Führungskräfte und Projektleitenden alle aktuellen Aktivitäten aufgelistet – von Jugendcafés über Mentoring-Programme bis hin zu Präventionsprojekten. Jede Aktivität wurde auf einer großen Ecocycle-Abbildung positioniert:

  • Die Jugendcafés wurden in die „Reifephase“ eingeordnet, weil sie gut etabliert und regelmäßig besucht waren.
  • Ein neues Mentoring-Programm befand sich in der „Geburtsphase“.
  • Ein älteres Präventionsprogramm landete in der Phase der „kreativen Zerstörung“, weil es trotz hoher Kosten nur noch wenige Jugendliche erreichte.

Schritt 2: Diskussion und Entscheidungen
Nach der Analyse ging es darum, konkrete Maßnahmen zu entwickeln:

  • Die Jugendcafés sollten durch digitale Lernangebote ergänzt werden, um aktuelle Bedürfnisse der Jugendlichen besser zu erfüllen.
  • Das Mentoring-Programm bekam mehr Ressourcen, um schneller zu wachsen.
  • Das alte Präventionsprogramm wurde beendet, und die freiwerdenden Mittel wurden in die anderen Projekte investiert.

Das Ergebnis: Die Organisation konnte ihre Angebote modernisieren, neue Zielgruppen ansprechen und gleichzeitig effizienter arbeiten.

So kannst du Ecocycle Planning in deiner Organisation anwenden

Die Methode ist einfach und flexibel einsetzbar. Hier ein Leitfaden:

  1. Vorbereitung
    Zeichne den Ecocycle auf ein Flipchart oder nutze eine Vorlage. Die vier Phasen – Geburt, Reife, kreative Zerstörung, Erneuerung – bilden den Rahmen.
  2. Aktivitäten sammeln
    Liste alle Projekte, Aufgaben und Aktivitäten auf, die in deiner Organisation Zeit und Ressourcen beanspruchen.
  3. Positionierung
    Ordne jede Aktivität einer Phase des Zyklus zu. Du kannst dein Team einbeziehen, um unterschiedliche Perspektiven zu sammeln.
  4. Fokus auf Exnovation
    Diskutiere gezielt, welche Aktivitäten ihr beenden solltet, um Kapazitäten für Neues zu schaffen. Impulsfragen wie diese können helfen:
  • Welche Projekte kosten zu viel Energie und bringen keinen ausreichenden Nutzen mehr?
  • Wo gibt es veraltete Strukturen, die Raum für Innovation blockieren?

Und dann Maßnahmen planen
Erstellt konkrete To-Dos für die Projekte, die ihr beenden, erweitern oder neu starten wollt.

Herausforderungen und wie du sie meisterst

Herausforderungen:

  • Emotionale Bindung: Es ist oft schwer, sich von langjährigen Projekten zu trennen, auch wenn sie nicht mehr wirken.
  • Konsens finden: Unterschiedliche Meinungen können den Prozess erschweren.

Tipps:

  • Sei transparent: Erkläre klar, warum bestimmte Aktivitäten losgelassen werden müssen.
  • Binde dein Team ein: Je mehr Beteiligte mitwirken, desto größer die Akzeptanz.
  • Beachte den Trauerprozess: Loslassen heißt auch Trauern. Und die „Phasen der Trauer“ lassen sich – verkürzt – in a) die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens und der Verleugnung, b) die Phase der aufbrechenden Gefühle, c) die Phase der langsamen Neuorientierung und d) die Phase des neuen Gleichgewichts bzw. der Akzeptanz unterteilen. Hierauf zu achten hilft, um die Akzeptanz für Widerstände bei den Mitarbeitenden zu erhöhen.
  • Plane regelmäßig: Nutze Ecocycle Planning nicht nur einmal, sondern integriere es ritualisiert in eure Arbeitsweise.

Fazit: Ecocyle Planning als Werkzeug, um Deine Organisation zu entschlacken

Ecocycle Planning kann helfen, Angebote und Dienstleistungen Deiner Organisation zu entschlacken. Es hilft dir, Altlasten zu identifizieren, Ressourcen neu zu verteilen und Raum für Innovation zu schaffen. Die Methode ist leicht anwendbar und bringt Klarheit in komplexe Entscheidungen.

Nutze diese Chance und frage dich:

  • Welche Aktivitäten in meiner Organisation befinden sich in der Phase der kreativen Zerstörung?
  • Was müssen wir jetzt loslassen, um Platz für Neues zu schaffen?

Kennst Du weitere „Methoden für Weniger“ aka Exnovationsmethoden? Dann lass doch gerne einen Kommentar hier oder schreib mir direkt. Würde mich sehr freuen!

Rezension: „Gute Arbeit“ von Marion King

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Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist mehr als eine Anleitung zur Verbesserung der Arbeitswelt; es ist ein leidenschaftlicher Appell an alle, die ihre berufliche und persönliche Selbstwirksamkeit entdecken und ausbauen wollen. Das Buch verbindet fundierte Theorie mit einer Fülle persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse der Autorin. King versteht es meisterhaft, den Leser mit humorvollen, berührenden und klugen Beobachtungen durch die Geschichte der Arbeit und in die Zukunft zu führen. Dabei gelingt es ihr, die oft abstrakten Konzepte von „New Work“ greifbar und praxisnah darzustellen.

Gliederung des Buches: Ein Blick auf die Struktur

Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist klar und übersichtlich gegliedert, was es dem Leser leicht macht, dem roten Faden zu folgen und die einzelnen Themen zu vertiefen. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt die Tiefe und Vielfalt der behandelten Aspekte:

  1. Das Vorwort: Marion King beginnt ihr Buch mit einer philosophischen Einführung von Natalie Knapp, die den Leser dazu anregt, sich seiner eigenen Macht und Wirksamkeit bewusst zu werden. Der Ton ist motivierend und gibt den Rahmen für die folgenden Kapitel vor.
  2. Der Zustand der Arbeit: In diesem einleitenden Kapitel beschreibt King aus verschiedenen Perspektiven, wie sich die heutige Arbeitswelt darstellt. Sie beleuchtet die Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Organisationen und der Führungskräfte und macht deutlich, dass zwischen Erwartungen und Realität oft eine Lücke klafft. Das Kapitel „Wer jammert, hat noch Reserven“ weist auf humorvolle Weise auf das Potenzial hin, das in scheinbar schwierigen Arbeitssituationen steckt.
  3. Alte Arbeit: Dieses Kapitel führt den Leser tief in die historische Entwicklung der Arbeitswelt. King beleuchtet die Ursprünge moderner Arbeitsprinzipien, angefangen bei Pionieren wie Taylor, Fayol und Ford. Sie analysiert kritisch, wie die industriellen Revolutionen die Arbeitswelt geprägt haben und welche der alten Paradigmen bis heute überlebt haben. Das Kapitel „Taylor meets IT“ beschreibt die digitale Transformation und die damit verbundenen Herausforderungen.
  4. Neue Arbeit: In diesem Teil widmet sich King der modernen Arbeitswelt, dem Konzept „New Work“ und den damit verbundenen Mythen. Sie beschreibt, wie die Bewegung durch Frithjof Bergmann an Popularität gewann und bietet eine differenzierte Sicht auf die oft idealisierte Vorstellung dieser neuen Arbeit. Echte „Gute Arbeit“, so King, entsteht nicht durch Schlagworte, sondern durch einen echten Wandel von Strukturen in Organisationen, die dann auch zu einer anderen Haltung führen (können).
  5. Machen: Der praxisorientierte Teil des Buches motiviert zum Handeln. King zeigt zwölf „gute“ Gründe auf, warum Veränderungen oft scheitern, und gibt Hinweise, wie diese Hürden überwunden werden können. Besonders inspirierend ist das Kapitel „Neue Arbeit selbst machen“, in dem die Autorin konkrete Methoden und Beispiele für Selbstwirksamkeit vorstellt. Hier geht es um den Mut, aus vorgefertigten Strukturen auszubrechen und aktiv neue Wege zu gehen. King betont, dass dieser Prozess nicht ohne Geduld und Ausdauer geht, was sie im Kapitel „Über Geduld“ aufgreift.
  6. Inspirationen: In den abschließenden Kapiteln geht King auf gesellschaftliche Veränderungen ein, die eng mit dem Wandel der Arbeitswelt verbunden sind. Sie spricht von „New Masculinity“ und „New (Generation) Female“ und zeigt auf, wie feministische Prinzipien und Selbstwirksamkeit in den Arbeitsalltag integriert werden können. Das Kapitel „Eine neue Schule“ eröffnet Perspektiven, wie Bildung und Selbstwirksamkeit zusammenhängen und warum beides für eine nachhaltige Arbeitskultur so wichtig ist.
  7. Anhang: Der letzte Teil des Buchs „Gute Arbeit“ von Marion King bietet eine Sammlung weiterführender Literatur und Empfehlungen zur Vertiefung der behandelten Themen. King nennt ihre persönlichen „Lieblingsbücher“ und schlägt damit eine Brücke für Leser:innen, die sich tiefer mit den philosophischen und praktischen Aspekten der Arbeitswelt beschäftigen möchten.

Analyse und Reflexion zum Buch „Gute Arbeit“ von Marion King

„Wer jammert, hat noch Reserven!“ Puhhh, ich musste länger über den Satz nachdenken, der über der „eigentlichen Einleitung zum Buch“ (S. 22/23) steht (King bezieht sich auf den Artikel von Duve, 2003) und dachte an die Einrichtungen und Organisationen in denen ich unterwegs bin – Pflege, Soziale Arbeit, Erziehung, Gesundheit… Geht da noch was?

King ist sich sicher: „Ich weiß ganz sicher, dass da noch was geht, dass es anders geht – das mit dem Arbeiten und das mit dem Verändern.“ (ebd.)

Ja, dieser Blick macht das Buch für mich aus: Es geht was, es geht anders, vor allem aber geht es (selbst-)wirksamer. Arbeit genauso wie Veränderung. Allein an dem kurzen Einblick ins Buch zeigt sich, dass Gute Arbeit weit mehr ist als eine rein theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit. Es ist ein Buch, das bewegen und aufrütteln soll – und das auch schafft.

Dazu trägt Kings Schreibstil bei – fesselnd und direkt, sie spricht ihre Leser:innen wie Vertraute an und macht die Lektüre zu einer fast persönlichen Erfahrung. Dazu tragen auch die vielen Beispiele aus ihrem eigenen Berufsleben bei, die auf lebendige Weise veranschaulichen, dass Veränderungen nicht nur notwendig, sondern auch und anders machbar sind.

Mir gefällt aber besonders Kings Fähigkeit, die Verbindung zwischen einer aus meiner Sicht realisitsch eingeordneten Perspektive von „New Work“ (in Anführungsstrichen als Klammer für alle zeitgemäßen Formen, Methoden und Tools von Arbeit und Zusammenarbeit, S. 67) und der eigenen ebenso wie der organisationalen Selbstwirksamkeit herzustellen.

Ja klar, manches sind Wiederholungen für Menschen, die sich schon lange im Kontext von New Work und Organisationsentwicklung bewegen – aber das ist normal und wichtig, denn: Ohne ein- und hinführende Worte zu komplexen Themenstellungen geht es nicht.

Marion King zeigt aber insgesamt, dass es bei erfüllender Arbeit nicht nur um Produktivität und Karriere geht, sondern darum, Einfluss auf seine Umwelt zu nehmen und (wieder) Sinn in seiner Arbeit zu finden. In einer Welt, die oft von Leistungsgedanken und kurzfristigen Erfolgen getrieben ist, erinnert das Buch daran, dass wahre Erfüllung nur dann erlebt wird, wenn man langfristig wirklich, wirklich etwas bewirkt.

Und so denke ich über die eigene Hoffnung nach, mit meiner Arbeit etwas – was auch immer – zu bewirken – für mich, vor allem aber für die tollen Menschen und Organisationen, mit denen ich in herausfordernden Zeiten zusammenarbeiten darf.

Fazit

Das Buch „Gute Arbeit“ von Marion King ist ein inspirierendes und facettenreiches Buch, das weit über die gängigen Buzzwords der „New Work“-Bewegung hinausgeht. Es ist ein Aufruf zu Verantwortung, Mut und Offenheit – sowohl für den Einzelnen als auch für Organisationen. Kings humorvoller und zugleich nachdenklicher Ton führt die Leser:innen durch die verschiedenen Facetten der Arbeitswelt und motiviert zur aktiven Gestaltung des Wandels.

Aus meiner Sicht eine klare Empfehlung für alle, die sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben und bereit sind, sich nicht nur für „Gute Arbeit“, sondern auch für die Stärkung der Selbstwirksamkeit auf gesellschaftlicher Ebene einzusetzen.

Und das braucht’s – Selbstwirksamkeitserfahrungen für sich selbst, in unseren Organisationen und der Gesellschaft. Da geht noch was!

Und hier geht’s zum Buch!

Exnovation in sozialen Organisationen – ein Interview

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Das Buch „Exnovation und Innovation – Synergie von Ende und Anfang in Veränderungen“ von Sandra Bils und Gudrun Töpfer beschäftigt sich mit der Notwendigkeit, alte Methoden, Technologien und Prozesse aufzugeben, um neuen Entwicklungen Platz zu machen. Die Herausforderungen, vor allem aber die Chancen, die mit dem Aufhören in einer innovationsgetriebenen Gesellschaft einhergehen, werden jedoch oft übersehen. So braucht es mehr als die bloße Entscheidung zum Aufhören, Beenden, Loslassen und Verlernen – persönlich, in unseren Organisationen und in der Gesellschaft. Vielmehr müssen auch die damit verbundenen sozialen und psychologischen Aspekte berücksichtigt werden, um dem Abschiedsschmerz und der Schwierigkeit, sich von Vertrautem zu trennen, zu begegnen. Und gleichzeitig ergeben sich durch Aufhören und Loslassen, durch Exnovation in sozialen Organisationen, die so dringend benötigten (Frei-)Räume, um wieder Atmen und sich bewegen zu können.

Um einen breiten Blick auf das Thema Exnovation zu ermöglichen, kommen im Buch auch Menschen zu Wort, die aus unterschiedlichen Branchen und Arbeitszusammenhängen berichten und deren Sichtweisen auf Exnovation einschließen. Auch ich durfte ein Interview zu dem soeben erschienenen Buch beitragen (hier noch mal der Link zum Buch).

Und im Folgenden findest Du dieses Interview, in dem ich meine Erfahrungen mit Exnovation in sozialen Organisationen beisteuere. Ich habe meine Ausführungen hier sprachlich leicht angepasst, aber die Inhalte unverändert gelassen. Vielleicht sind ja ein paar interessante Gedanken für Dich dabei?

P.S.: Hier habe ich einen einführenden Beitrag zum Thema Exnovation verfasst, der Dir als Einstieg ins Thema dienen kann.

Wo in Ihrem Arbeitskontext sind Ihnen schon Spuren von Exnovation begegnet? In welchen Themen, zu welchen Zeitpunkten im Gesamtkontext war das? Wie stellte sich das Thema dar?

Der Schwerpunkt meiner Beratungstätigkeit liegt in Fragen der Organisationsentwicklung sozialer Organisationen. Dazu gehören Kindergärten ebenso wie Wohlfahrtsverbände (z.B. Caritas oder Diakonie) oder Einrichtungen der Altenhilfe. Alle diese Organisationen erbringen im Kern „personenbezogene soziale Dienstleistungen“. Daraus ergeben sich (mindestens) zwei Herausforderungen, die für Exnovation von Bedeutung sind:

Zum einen werden diese Dienstleistungen aufgrund gesetzlicher Grundlagen aus Steuermitteln finanziert. Das heißt, die Sozialgesetzbücher regeln, welche Leistungen von Organisationen angeboten und damit finanziert werden dürfen. Dies hat zur Folge, dass sinkende Steuereinnahmen bzw. hohe Staatsausgaben dazu führen, dass die Finanzierung sozialer Dienstleistungen – trotz steigender Nachfrage aufgrund zunehmender sozialer Probleme – nicht mehr ausreichend gesichert ist. In den letzten Jahren sind durch die Corona-Pandemie und den Angriffskrieg Russlands massive Ausgaben auf den Staat zugekommen, die dazu führen, dass die Finanzierung sozialer Dienste zurückgefahren wird und Angebote in Frage gestellt werden (müssen). Hinzu kommen massive Kostensteigerungen auf Seiten der Leistungserbringer (Einrichtungen) bspw. durch steigende Energiekosten, Inflation oder gestiegene Personalkosten, die bis hin zur Insolvenz von Einrichtungen geführt haben.

Zum anderen ist eine Besonderheit sozialer, personenbezogener Dienstleistungen, dass sie fast ausschließlich von Menschen erbracht werden. Die Pflege älterer Menschen und die Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten, um nur zwei Beispiele zu nennen, kann nur von Menschen geleistet werden. Angesichts des demografischen Wandels haben wir aber bereits heute und in Zukunft verstärkt einen massiven Fachkräftemangel, der kaum durch Automatisierung und auch nur zu einem geringen Teil durch Fachkräfte aus dem Ausland kompensiert werden kann. Daraus ergibt sich wiederum die Notwendigkeit seitens der Organisationen, genau abzuwägen, welche Angebote zukünftig noch aufrechterhalten werden können bzw. eingestellt werden müssen.

Hinzu kommt als weiterer Aspekt, dass insbesondere große Träger sozialer Organisationen in den letzten Jahrzehnten formale Organisationsstrukturen ausgebildet haben, die häufig denen einer Verwaltung in nichts nachstehen. Angesichts der Dynamik und Komplexität unserer Gesellschaft stellt sich daher auch organisationsintern die Frage, welche der Strukturen, Regeln, Prozesse, Hierarchieebenen etc. eigentlich noch funktional für die zeitgemäße und bedarfsgerechte Erfüllung des Organisationszwecks sind. Daraus ergeben sich „interne Exnovationsnotwendigkeiten“.

Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gezogen, welche Learnings haben Sie in der Rückschau mitnehmen können? Wie gestaltete sich der Prozess?

Abschiedsprozesse sind immer hoch emotional. Das liegt auf der Ebene der Angebote daran, dass diese nicht mangels Nachfrage oder Bedarf eingestellt werden müssen. Im Gegenteil: Der gesellschaftliche Bedarf z.B. an Pflege und Kinderbetreuung steigt von Jahr zu Jahr. Entsprechend schwierig sind Entscheidungen, bestimmte Leistungen nicht mehr anzubieten, da es immer um Menschen geht – und zwar um Menschen in oft prekären Lebenslagen.

Auf der Ebene der „internen Exnovation“ zeigt sich für mich immer wieder sehr eindrücklich, wie stark eingeschliffene Verhaltensmuster wirken und wie behutsam entsprechend mit Exnovation bzw. dem Abbau von liebgewonnenen Prozessen und damit der Veränderung von Arbeitsabläufen umgegangen werden muss. Als Beispiel fällt mir eine Wohnbereichsleitung in einer stationären Altenhilfeeinrichtung ein, die für die Erstellung des Dienstplans zuständig war. Die Aufgabe war hochgradig aufwendig und unbeliebt – man kann es nie allen recht machen. Aber die Überlegung, die Aufgabe „wegzunehmen“ und durch eine andere Person ausführen zu lassen, stieß auf massiven Widerstand.

In beiden Fällen – der externen wie der internen Exnovation – geht es darum, den Abschied zu gestalten. Dazu ist aus meiner Sicht eine Auseinandersetzung mit den „Phasen der Trauer“ hilfreich, die sich – verkürzt – in a) die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens und der Verleugnung, b) die Phase der aufbrechenden Gefühle, c) die Phase der langsamen Neuorientierung und d) die Phase des neuen Gleichgewichts bzw. der Akzeptanz unterteilen lassen.

Was war oder ist im Umgang mit der Exnovation schwierig und anstrengend gewesen? Wo lagen für die Beteiligten die großen Herausforderungen?

Wir Menschen denken nicht in „weniger“. Wir suchen vielmehr systematisch nach Mehr, nach dem Hinzufügen. Etwas wegzulassen wird immer übersehen. Dies wurde z.B. in der Studie „People systematically overlook subtractive changes“ (Adams, et al. Nature 592, 258-261, 2021, hier) eindrucksvoll herausgearbeitet.

Entsprechend herausfordernd ist der Umgang mit Veränderungen hin zu weniger – wie die gesellschaftlichen Anstrengungen rund um den Umgang mit dem Klimawandel eindrucksvoll zeigen. Hinzu kommt, dass uns die Systemtheorie unter dem Begriff der Autopoiese lehrt, dass das primäre Ziel eines jeden Systems sein Überleben ist. Daraus folgt, dass das Weglassen und damit das „Sterben“ von Angeboten und Institutionen als soziale Systeme immer mit massiven Widerständen verbunden ist.

Und wenn es dann noch darum geht, Angebote und Dienstleistungen für Menschen in prekären Lebenslagen abzubauen, kann man sich die Herausforderungen vorstellen. Wie gesagt, es geht um Trauer und Trauerbewältigung.

Welche Empfehlungen können Sie aus Ihren Erfahrungen heraus geben? Was sollte man tun, was sollte man lassen? Wie sollte man mit den negativen Emotionen umgehen, die einen Exnovationsprozess begleiten? Und welche waren/sind die „schönen“ Momente in so einem Prozess?

Die schönen Momente liegen eindeutig in der Perspektive, durch „interne Exnovation“ wieder Luft zum Atmen zu bekommen, sich zu bewegen, neu zu denken und zu handeln. Das Eliminieren von aus Anwendersicht nicht sinnvollen, geschweige denn effizienten Prozessen – z.B. durch die Methode „Kill a stupid rule“ – wird als äußerst positiv empfunden. Hier zeigt sich immer wieder, wie hilfreich es ist, Menschen in Organisationen in ihrer – und wenn auch nur minimalen – Selbstwirksamkeit in Bezug auf ihren Einflussbereich zu stärken.

Bezogen auf die „dunkle Seite der Exnovation“ ist es aus meiner Sicht wichtig, dass sich die Verantwortlichen für Exnovationsentscheidungen nicht ausschließlich sachlich-informativ an die Betroffenen (Mitarbeiter:innen wie auch Nutzer:innen) wenden, sondern immer auch die emotionale Seite berücksichtigen.

Informationen darüber, warum es notwendig ist, bestimmte Angebote einzustellen, sind wichtig, aber definitiv nicht ausreichend. Ähnlich wie bei der Trauerbewältigung geht es darum, Dialogräume anzubieten, in denen der Trauer, der Wut und der Enttäuschung Raum gegeben werden kann, um von dort aus wieder gemeinsam in eine positive, vor allem aber gestaltbare Zukunft zu blicken.

Denn: Exnovationsbedarf bietet immer auch die Chance zu hinterfragen, ob Angebote und auch die internen Strukturen, Prozesse und Abläufe wirklich wirksam und damit notwendig sind.


Und bei Dir so: Welche Erfahrungen machst Du in Deiner Organisation mit dem Loslassen bzw. der Exnovation in sozialen Organisationen? Hinterlasse doch hier einen Kommentar! Danke schon jetzt!!!

Das Cynefin Framework: Warum es für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich ist und wie Du es nutzen kannst

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Führungskräfte in Organisationen der Sozialwirtschaft stehen täglich vor einer Vielzahl von schwierigen, komplexen und oftmals auch paradoxen Entscheidungen – nicht umsonst beschreibt Klaus Grunwald das „Dilemmatamanagement“ als eine der Kernkompetenz für Führungskräfte (vgl. 2022:92ff). Hinzu kommen Fragen, wie eine „funktionale Gestaltung der Organisation“ (oder auch des Teams) gelingen kann: „Bleiben wir klassisch organisiert, formal-hierarchisch, mit verschiedenen Leitungsebenen oder wollen wir zur ‚agilen Organisation‘ werden, mit selbstbestimmt agierenden Teams und einer ‚flachen Hierarchie‘?“ Hinzu kommen spontane Krisen, die zu bewältigen sind (Corona, Hackerangriffe und und und) ebenso wie die Notwendigkeit, zunehmend effizienter zu wirtschaften, ohne die Zwecke der Organisation aus dem Blick zu verlieren. Unter diesen Rahmenbedingungen kann das Cynefin Framework eine wertvolle Unterstützung im Führungsalltag bieten.

Das Framework hilft, unterschiedliche Situationen besser zu verstehen und die richtigen Entscheidungs- und Handlungsstrategien zu entwickeln, um angemessen zu reagieren. In diesem Beitrag erfährst Du, was das Cynefin Framework ist, warum die Nutzung für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich ist und wie Du es in Deiner eigenen Organisation ganz konkret anwenden kannst.

Was ist das Cynefin Framework?

Das Cynefin Framework wurde im Jahr 2000 von Dave Snowden, einem ehemaligen IBM-Mitarbeiter und Berater, entwickelt und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Hier kannst Du einen Beitrag von Snowden zum Framework im Harvard Business Review nachlesen.

Der walisische Begriff „Cynefin“ (ausgesprochen: Kü-NE-fin) lässt sich als „Lebensraum“ übersetzen. Das ist eine Metapher für die Erkenntnis, dass sowohl Individuen als auch Systeme durch ihre jeweilige Entwicklungsgeschichte sowie ihren Kontext geprägt sind.

Das Framework ist ein Modell zur Entscheidungsfindung, das verschiedene Situationen in fünf Domänen einteilt. Zwei der fünf Cynefin-Domänen lassen sich durch Ordnung und lineare Kausalität kennzeichnen (einfach, kompliziert). Den beiden anderen Domänen (komplex, chaotisch) fehlt eine grundlegende Ordnung. Die fünfte Domäne (Disorder) lässt sich am besten mit dem Vorwissen der anderen vier Cynefin-Domänen erklären:

  • Einfach (Clear): Probleme und Themenstellungen, die dieser Domäne zuzurechnen sind, sind leicht zu erkennen und die Lösung folgt bewährten Best Practices. Es gibt nur wenige Informationen und Variablen und diese stehen in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung (kausal) zueinander. Das vor Dir liegende Thema, das Problem oder die Aufgabe kannst Du allein durch Beobachtung umfassend beurteilen. Auch gibt es meist viel Erfahrungswissen, was es ermöglicht, eine verlässliche Vorhersage über das notwendige Vorgehen zu treffen. Hier gilt es, Checklisten, Prozesse, feste Regeln und “Best Practices” zu nutzen, um zuverlässig zum Erfolg zu kommen.
    Beispiele für einfache Aufgaben lassen sich auch auf Ebene der Führung in Organisationen der Sozialen Arbeit finden. Hier geht es vornehmlich um die Sicherstellung, dass bewährte Verfahren, Regeln, Vorgaben und Prozesse konsequent angewendet werden. Dazu gehört die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung von Checklisten, Formularen und Verfahrensanweisungen, z.B. für administrative Aufgaben.
  • Kompliziert (Knowable, Complicated): Ursachen von und Lösungen für Probleme sind nicht sofort offensichtlich, können aber mit Expert:innenwissen und Analysen identifiziert werden. Komplizierte Systeme, Aufgaben und Probleme zeichnen sich durch eine Vielzahl an Informationen und Variablen aus. Ähnlich wie in einfachen Systemen gibt es auch hier feste Ordnungen und lineare Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Allerdings lassen sich die Zusammenhänge nur durch gründliche Analysen verstehen, die Fachwissen und Expertise erfordern. Erst durch diese detaillierte Analyse können fundierte Pläne erstellt werden, die Abhängigkeiten und potenzielle Risiken mit einbeziehen. Um in komplizierten Systemen oder an komplizierten Aufgaben zu arbeiten, ist es daher notwendig, auf Expert:innen für bestimmte Themen zurückzugreifen.
    Als Beispiel für komplizierte Aufgaben im Führungsalltag lässt sich die Ressourcenallokation anführen: Führungskräfte müssen entscheiden, wie finanzielle und personelle Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden können, um komplizierte, aber lösbare Probleme zu bewältigen, was Erfahrung und Wissen voraussetzt.
  • Komplex: In komplexen Systemen und bei komplexen Aufgaben gibt es eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. Es kann sowohl zu eskalierenden als auch zu stabilisierenden Rückkopplungen kommen – es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Dies macht es unmöglich, Ergebnisse genau vorherzusagen oder einen festen Plan zur Zielerreichung aufzustellen. Selbst wenn man auf Erfahrungen aus ähnlichen Situationen zurückgreifen kann, ist es nicht möglich, den einen, optimalen Weg zum gewünschten Ergebnis im Voraus zu bestimmen. Die effektivste Vorgehensweise besteht daher darin, durch zeitlich begrenztes Ausprobieren (Experimentieren) Fortschritte zu erzielen, Muster zu erkennen und sein Handeln entsprechend anzupassen. So kann das Problem in kleinere, überschaubare Teilaufgaben zerlegt werden, die dann wieder als komplex, aber lösbar angesehen werden können.
    Exemplarisch geht es hier um die Bereitschaft, neue und experimentelle Ansätze auszuprobieren, Innovationen zuzulassen und neue Wege in Situationen zu gehen, für die es noch keine vorgefertigten Lösungen gibt.
  • Chaotisch: Ein klares Muster ist nicht erkennbar. Vielmehr muss sofort gehandelt werden, um die chaotische Situation zu stabilisieren. Der Zufall regiert. Man hat es mit einer unüberschaubaren Anzahl von Einflussfaktoren zu tun, die sich gegenseitig beeinflussen und extrem schnell verändern. Anders als in komplexen Umwelten bleibt keine Zeit, durch Experimente Muster zu erkennen. Die einzig sinnvolle Strategie ist, Neues auszuprobieren, schnell und entschlossen zu handeln, um das System zu stabilisieren. Ausgehend von ersten lokalen Stabilisierungen wird schrittweise der Übergang vom chaotischen zum komplexen Zustand angestrebt.
    Beispiele für chaotische Situationen und Aufgaben sind Krisen, die sofort angegangen werden müssen. Hier hilft vielleicht die Erinnerung an den Beginn der Corona-Pandemie: Die plötzlich auftretenden Herausforderungen führten zu chaotischen Zuständen, die das Tagesgeschäft lähmten. Hier war sofortiges Handeln gefragt, um die Krise zu bewältigen, Vertrauen wiederherzustellen und operative Stabilität zu schaffen.

Die fünfte Domäne – Verwirrung (Disorder) – tritt auf, wenn unklar ist, welche der anderen Domänen zutrifft. Ziel ist es hier, die Unsicherheit zu klären und Ordnung zu schaffen.

Das Cynefin Framework

Warum ist das Cynefin Framework für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft hilfreich?

Das Cynefin Framework ist zum einen hilfreich, um eine grobe Einschätzung vorzunehmen, in welchen Umfeldern sich Deine Organisation bzw. Dein Verantwortungsbereich bewegt. Es macht einen Unterschied, ob Du vornehmlich in einem geordneten Umfeld arbeitest (einfach, kompliziert, vielleicht im Kontext eines Sozialamts oder der Arbeitsagentur oder auch in der Personalverwaltung Deiner Organisation) oder ob die Verhältnisse ungeordnet sind (komplex, chaotisch, bspw. als Gruppenleitung einer Kita oder als Vorstand eines Komplexträgers mit verschiedenen Arbeitsfeldern). Basierend darauf kannst Du passfähig(er)e Vorgehensweisen etablieren, Entscheidungsprozesse definieren, die Zusammenarbeit organisieren oder formale Strukturen Deiner Organisation weiter entwickeln.

Darüber hinaus fällt mir immer wieder auf, dass im Alltag nach dem Hammer (bspw. der „agilen Organisation“) gesucht wird, mit dem alle Probleme der Organisation bearbeitet werden können. Das Problem ist, dass nicht alle Probleme Nägel sind 😉

Mit anderen Worten sind Führungskräfte in hybriden Organisationen der Sozialwirtschaft strategisch ebenso wie im operativen Alltag mit ganz verschiedenen – einfachen, komplizierten, komplexen und chaotischen – Situationen und Aufgaben konfrontiert. Führungs- und Gestaltungsaufgaben, Prozessgestaltung und Kontrolle der Einhaltung, der Umgang mit dem Klientel und den Kostenträgern oder die innovativen Entwicklung neuer Angebote und Dienstleistungen erfordern völlig unterschiedliche Herangehensweisen.

Hier hilft das Cynefin Framework, Aufgaben zu sortieren, Herausforderungen richtig einzuschätzen und dann passfähig reagieren zu können.

Zum anderen kann das Framework im Alltag

  • die Entscheidungsfindung verbessern: Das Framework hilft, Situationen richtig einzuordnen und passende Maßnahmen zu ergreifen, statt auf jedes Problem mit denselben Lösungen zu reagieren.
  • die Anpassungsfähigkeit steigern: In komplexen oder chaotischen Situationen wird über das Cynefin Framework deutlich, dass iterative Ansätze, die es erlauben, schnell auf Veränderungen zu reagieren, passfähiger sind als Pläne und Checklisten.
  • das Krisenmanagement unterstützen: In chaotischen Situationen gilt es, sofort zu handeln, um die Lage zu stabilisieren, bevor Du eine langfristige Strategie entwickelst.

Konkrete Anwendung des Cynefin Frameworks in Organisationen der Sozialwirtschaft

Was hat uns die Katze denn heute wieder vor die Tür gelegt?

Vielleicht akutes Ausfallmanagement, neue gesetzliche Anforderungen, Fachkräftemangel, Unterschriftenliste, irgendwas mit Digitalisierung, eine Workshop zu einer neuen Struktur eines Bereichs, die „agile Transformation“, Nachfolgeplanung und, und, und…?

Immer stellt sich die Frage: „Was nu, was soll ich damit jetzt machen?“

Klar, bei einigen Dingen hat sich bei Dir – Gott sei Dank oder hoffentlich – eine Routine eingeschlichen, aber bei anderen Aufgaben, Themen und Herausforderungen kann es sehr hilfreich sein, einen klare(re)n Fahrplan zu haben, wie damit umgegangen werden kann. Da hilft Cynefin (vielleicht). Deswegen hier noch einmal verdeutlicht, wann, bei welcher Aufgabe, wie vorgegangen werden sollte:

  1. Einfache Domäne = standardisierte Prozesse optimieren:
    In der Sozialwirtschaft gibt es viele Routineprozesse, wie z. B. Verwaltungsabläufe oder die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Diese fallen in die einfache Domäne. Das Framework hilft Dir, diese Prozesse zu identifizieren und nach Best Practices zu optimieren, wodurch Effizienz und Zuverlässigkeit steigen.
  2. Komplizierte Domäne = Expert:innenwissen nutzen
    Wenn Du komplizierte Projekte umsetzt, z. B. die Einführung neuer Technologien, fällt dies in die komplizierte Domäne. Hier ist es wichtig, Expert:innenwissen einzubeziehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Framework zeigt auf, wann es notwendig ist, Expert:innen zu Rate zu ziehen, um detaillierte Analysen durchzuführen. Du rufst ja auch keine agile Arbeitsgruppe ein, wenn Dein Auto nicht mehr fährt, sondern gehst zur Werkstatt.
  3. Komplexe Domäne = Experimente machen
    Bei den o.g. Themen und Aufgaben gibt es oft keine klaren Lösungen oder ein eindeutig definiertes Ziel. Und selbst der Weg hin zum Ziel liegt oft im Dunkeln. Hier kannst Du den Übertrag auf die Arbeit mit Klient:innen in schwierigen Lebenssituationen machen: Auch da weißt Du nicht (immer), welche Maßnahmen langfristig erfolgreich sein werden. Das Cynefin Framework zeigt, dass in der komplexen Domäne Experimentieren und Feedbackschleifen entscheidend sind, um den richtigen Weg zu finden. Experimentieren und Feedback erinnert dann wieder stark an den Kern agilen Arbeiten: Ausprobieren, expect and adapt, das passt hier rein.
  4. Chaotische Domäne = schnelles Handeln in Krisensituationen
    In chaotischen Situationen, wie z. B. einer Krisenintervention oder bei einer plötzlichen Notlage, sind schnelle und entschlossene Handlungen notwendig, die dann, im Nachgang, reflektiert werden müssen. Es geht darum, kurzfristige Maßnahmen zu ergreifen, bis die Lage unter Kontrolle ist und langfristige Lösungen – bspw. mithilfe des Vorgehens aus der komplexen Domäne – gefunden werden können.
  5. Verwirrung = Ordnung schaffen
    Dich erschlagen die aktuellen Herausforderungen, Deine Aufgabenliste wird unendlich und der Tag hat nur 24 Stunden (und schlafen kommt noch hinzu)? Bei Situationen, Aufgaben und Themen, bei denen Du nicht sofort weißt, in welcher der oben genannten Domänen Du Dich befindest führen zu Unsicherheit, die hier als Disorder bezeichnet wird. Das Framework hilft, diese Unordnung zunächst anzunehmen und dann zu klären, zu welcher Domäne die jeweilige Situation passt, um so geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hier geht es also ums Innehalten, Reflektieren, Sortieren und Ordnung schaffen, oder: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam!“

Praktische Tipps zur Anwendung des Cynefin Frameworks in Deiner Organisation

Um das Denken und Handeln basierend auf den fünf Domänen des Cynefin Frameworks effektiv in Deiner Organisation zu nutzen, kannst Du (unter anderem) folgende Schritte unternehmen:

  1. Schulungen für Mitarbeitende und Führungskräfte: Bringe Deinem Team das Denken in den Domänen des Cynefin Framework nahe. Es hilft Mitarbeitenden und Führungskräften, Situationen, Aufgaben und Herausforderungen richtig zu bewerten und angemessene Entscheidungen zur Bearbeitung der Aufgaben zu treffen. Und vielleicht braucht man dann, wenn man mal nicht weiter weiß, doch keinen Arbeitskreis, sondern einen klaren Prozess.
  2. Reflexion der Arbeit mit dem Framework: In regelmäßigen Teammeetings können Fallbeispiele aus der Praxis besprochen und in die jeweiligen Domänen des Frameworks eingeordnet werden: Wie haben wir Aufgabe XY gelöst und wie hat uns das Framework geholfen?
  3. Organisationsentwicklung: Ich nutze das Framework gerne, um in OE-Prozessen eine grobe Einschätzung vorzunehmen, was für das jeweilige Problem eine passende Herangehensweise ist. Auch dabei ist immer wieder zu unterscheiden zwischen der Optimierung bestehender Prozesse, der Fachberatung und dem Einbringen von Expertenwissen und der gemeinsamen Neuentwicklung von bspw. Strategien, Angeboten, Strukturen. Und manchmal geht’s auch um das Bearbeiten einer akuten Krise.

Das Cynefin Framework als Kompass

Zusammenfassend wird durch das Cynefin Framework (für mich) immer wieder deutlich, dass die wenigsten Organisationen, Situationen und Projekte nur aus einer Perspektive betrachtet werden können. Vielmehr geht es darum, die Vielfalt zu akzeptieren und je nach Situation neu zu entscheiden, was wann wo wie hilfreich sein kann.

Ganz klar: Das Cynefin Framework ist kein Allheilmittel, mit dem sich jede Situation endgültig (er)klären lässt. Es ist auch nicht der Hammer, der aus jedem Problem einen Nagel macht. Denn viele Themen, Probleme und Herausforderungen sind vielschichtig. Sie setzen sich gleichzeitig aus einfachen, komplizierten und komplexen Elementen zusammen. Manchmal bewegen sie sich auch zwischen den verschiedenen Bereichen der Cynefin-Matrix. Dennoch dient Cynefin als nützlicher Kompass, um den Kontext zu erkennen und zu verstehen.

Wenn es allen Beteiligten gelingt, ein gemeinsames Grundverständnis darüber zu entwickeln, ist eine der größten Gefahren bereits gebannt – nämlich die, jedes Problem wie einen Nagel zu betrachten und Deine gewohnten Vorgehensweisen als universelle Lösung zu sehen.

Diese Vorgehensweisen funktionieren nämlich nur in etablierten Umgebungen, mit denen Deine Organisation vertraut ist. Gleichzeitig musst du deine bewährten Routinen nicht völlig aufgeben, sondern sie nur gezielter einsetzen. Und vor allem in komplexen Situationen oder bei der Entwicklung von Neuem (wie auch beim Weglassen, bei der Exnovation) ist eine neue Arbeitskultur gefragt. Diese kann neben bisher etablierten Ritualen bestehen – es geht um ein „Und“ statt um ein „Oder“, was wiederum die Vielfalt verdeutlicht, in der sich Organisationen der Sozialen Arbeit bewegen.

Hier kannst Du eine Vorlage zur Arbeit mit dem Framework herunterladen!

Bin gespannt, auf Deine Erfahrungen, lass dazu doch gerne einen Kommentar auf dem Blog oder auf den verschiedenen Plattformen da, schreib mir dazu oder ! Danke!!!

Quellen:

  • Grunwald, Klaus (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.