Schlagwort: Strategie

Strategie in der Krise: 8 Fragen, die Organisationen der Sozialwirtschaft beantworten müssen

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tl;dr: Neben der „clickbait Überschrift“ findest Du im Beitrag Basics rund um Strategie, Strategieentwicklung und Strategieumsetzung mit einem spezifischen Fokus auf Organisationen der Sozialwirtschaft. Am Ende findest Du die – aus meiner Sicht wirklich wichtigen – Fragen, die Du Dir stellen solltest, wenn Du Dich mit der Strategie Deiner Organisation befassen willst.


Strategie – schon der Begriff weckt Hoffnungen: Sie gibt die Richtung vor, verspricht Klarheit und Transparenz. Die Unternehmensstrategie soll – so eine Definition – als Navigationsprinzip zur Bewältigung von Komplexität dienen (vgl. Malik, 2017:91) – mit dem Ziel, das Überleben der Organisation (nicht nur) in Krisenzeiten zu sichern. Und aktuell, in den wahrlich herausfordernden Zeiten, habe ich das Gefühl, dass in Organisationen der Sozialwirtschaft händeringend nach einer „Strategie in der Krise“ gesucht wird und damit nach etwas, das mehr verspricht als ein „Stochern im Nebel“. Dabei ist – so mein Eindruck – zum einen oft unklar, was unter Strategie verstanden wird und zum anderen, wie genau eine Strategie entwickelt werden und vor allem, wie die Strategieumsetzung gelingen kann.

Mit dem folgenden Beitrag zu Strategie in der Sozialwirtschaft stochere ich selbst ein wenig im Strategienebel, in der Hoffnung, Orientierung geben zu können. Gleichzeitig lade ich aber auch dazu ein, den Nebel einer ungewissen Zukunft proaktiv anzunehmen und gerade dadurch Gestaltungsfreiheit zu gewinnen.

Im Folgenden skizziere ich zunächst meinen aktuellen Eindruck von den Problemen, die hinter der (teilweise) berechtigten Suche nach einer Strategie in der Krise stehen, um darauf aufbauend einen Einblick in aktuelle Grundlagen rund um Strategieentwicklung und Strategieumsetzung zu geben. Abschließend versuche ich auf dieser Basis einige Handlungsoptionen für Organisationen der Sozialwirtschaft zu skizzieren, die Dir und Deiner Organisation hoffentlich etwas Orientierung auf der Suche nach Orientierung geben können.

Und falls Du Dich für weitere Beiträge rund um Strategie und Co. interessierst, findest Du zum Beispiel hier einen Beitrag mit dem Fokus auf agile Strategieentwicklung und -umsetzung und hier einen Beitrag zur adaptiven Strategiearbeit in Sozialen Organisationen mit Ausführungen für Ansätze, Herausforderungen und Lösungen.

Strategie in der Krise oder Krisenstrategien?

Du merkst schon in der Einleitung, dass ich mich vorsichtig ausdrücke. Ich schreibe nicht davon, dass ich – trotz einiger, erfolgreich durchgeführter Projekte – das eine Rezept habe, mit dem Strategieentwicklung immer gelingt. Ich schreibe nicht davon, dass ich den Stein der Weisen gefunden haben und damit den einzig wahren Weg, um Klarheit, Orientierung und Transparenz für dich und deine Organisation auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft zu gewinnen.

Das ist aus Marketingsicht schlecht.

Du suchst nach Antworten und ich antworte vage. Ich biete Dir kein „Strategierad“ an, das Dir die strategischen Themen vorgibt. Ich sage auch nicht, dass das Durchlaufen der sehr hilfreichen Strategie-Schleife (vgl. Nagel, 2014) der Königsweg ist. Ich stochere häufig genauso im Nebel wie du. Das ist für mein „strategisches Marketing“ – wie gesagt – alles andere als gut. Denn aus Vertriebssicht hilft es viel mehr, einfache, wenn auch oft falsche Antworten auf komplexe Fragen zu geben.

Und die Fragen sind nicht nur komplex, sondern auch paradox. Entweder-oder-Entscheidungen sind bei vielen Themen kaum möglich. An vielen Stellen geht es um ein „sowohl als auch“ und damit – eben – um Nebel.

Gleichzeitig, und das ist der Ausgangspunkt dieses Beitrags, stelle ich fest, dass gerade in den aktuell (wieder einmal) herausfordernden Zeiten viele Menschen und Organisationen auf der Suche nach Antworten sind, um wieder zu einer wie auch immer gearteten Sicherheit zu gelangen. Und da kommen Strategien ins Spiel.

Um nur drei Beispiele herauszugreifen geht es

  • in der „neue caritas“ (Ausgabe 06/25, siehe hier) übergreifend um das Thema Strategie.
  • im Leitartikel der „sozialwirtschaft aktuell“ (Erlinghagen, 05/2025) – etwas reißerisch – um „Organisationen der Sozialwirtschaft in Zeiten kollabierender Systeme“. Dabei beschreibt der Beitrag „einige absehbare Entwicklungen, begründet, warum wir uns mit dem Phänomen kollabierender Systeme auseinandersetzen, und geht der Frage nach, was das für Unternehmen der Sozialwirtschaft im Speziellen bedeutet“ (ebd.), womit er – zumindest aus meiner Sicht – viel mit dem Thema Zukunft und Strategie zu tun hat. So kommt der Autor auch passenderweise zum Schluss: „Solange Kollapsphänomene ignoriert oder als Ausnahmezustände betrachtet werden, sind tiefergehende Anpassungsstrategien nicht vorstellbar“ (ebd., 3).
  • im Beitrag von Anja um „Lebenslanges Lernen in Zeitenwenden: Überlebensstrategien für eine Welt im Umbruch“. Ja, dieser Beitrag ist nicht spezifisch auf die Sozialwirtschaft und auch nicht (nur) auf Organisationen bezogen. Aber der Untertitel – „In einer Zeit radikaler Veränderungen sind lebenslanges Lernen und Anpassungsfähigkeit entscheidend. Wie werden wir fit für unsere gemeinsame Zukunft?“ – hat mich – neben dem Strategieaspekt – doch sehr an die Herausforderungen von Organisationen der Sozialwirtschaft erinnert. Etwas abgewandelt:

Wie werden Organisationen der Sozialen Arbeit fit für eine gemeinsame Zukunft – und (wie) kann die Strategie in der Krise bei der Beantwortung der Frage helfen?

Basics der Strategieentwicklung und -umsetzung

Aber was ist Strategie im Kontext von Organisationen und Unternehmen eigentlich?

Das ist, wie auch Nagel (2014) schreibt, „oft unklar“. Es „hat sich bis heute keine allgemeinverbindliche Definition von ‚Strategie‘ durchgesetzt“ (ebd.).

In der Strategiearbeit geht es aber, so viel als gemeinsame Basis, um Fragen, die für die Organisation überlebensrelevant sind.

Zur weiteren Eingrenzung ist die Unterscheidung in die drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements – angelehnt an das St. Galler Management-Modell – hilfreich:

Während sich das normative Management mit den unternehmenspolitischen Wert- und Interessenkonflikten aller Beteiligten auseinandersetzt (Was sind unsere Grundwerte?) und das operative Management als die unmittelbare Steuerung wiederkehrender Prozesse und konkreter Strukturen zur Erbringung von (Dienst-)Leistungen verstanden werden kann, beschäftigt sich das strategische Management mit Entscheidungen zu komplexen Problemen qualitativer Art, wie z.B. der Bewältigung zukünftiger Marktbedingungen und/oder Exnovations- bzw. Innovationspotenziale der Organisation (vgl. Grunwald, 2022:9).

Hier kann die Frage „Welche zentralen Themen/Ziele/Möglichkeiten verfolgen wir (und welche auch nicht) in den nächsten Jahren?“ Orientierung geben.

Gibt es Kriterien für strategische Themen?

Wichtig ist, dass die Entscheidungen zu Problemen qualitativer Art (oder kürzer: die übergreifenden strategischen Themen/Optionen) langfristig (nicht kurzfristig), folgenreich (nicht beliebig), funktionsübergreifend (nicht spezifisch) und komplex (also nicht trivial) sind.

Diese vier Aspekte können gut als grobe Kriterien für die Überprüfung der eigenen strategischen Entscheidungen bzw. der auf den Entscheidungen basierenden strategischen Ziele herangezogen werden. Und wenn Du jetzt auf die (hoffentlich vorhandene) Strategie Deiner Organisation schaust:

Sind die formulierten strategischen Optionen

  • langfristig,
  • folgenreich,
  • funktionsübergreifend und
  • komplex?

Um es konkret zu machen ist die strategische Option „Ausweitung des Marktportfolios“

  • langfristig (Planung, Finanzierung, Personalaufbau → oft über Jahre),
  • folgenreich (Verändert Reichweite, Zielgruppen und Ressourcenstruktur),
  • funktionsübergreifend (Pädagogik, Verwaltung, Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit) und
  • komplex (gesetzliche Rahmenbedingungen, Bedarfsanalysen, Personalgewinnung…).

Das wird bspw. greifbar, wenn es um die Eröffnung eines neuen Standorts, einer neuer Einrichtung oder eines neuen Arbeitsfelds geht.

Im Gegensatz dazu ist – logisch – die Anschaffung neuer Möbel für ein Gruppenangebot keine strategische Entscheidung, da diese nur eine geringe Tragweite hat, kaum funktionsübergreifend ist und primär Sachmittel und nicht die inhaltliche Ausrichtung betrifft.

Entscheidungen treffen

Deutlich wird:

Es geht um das Treffen von – in dem Fall strategischen – Entscheidungen. Das sind Entscheidungen „zu den zu erbringenden Leistungen und zu den Modalitäten der künftigen Leistungserbringung. Dies zieht Nachfolgeentscheidungen zum Personal (…) und zu den Kommunikationswegen (…) nach sich, jedoch geht solchen Entscheidungen die basale Entscheidung zu den Programmen voraus“ (Merchel, Gesmann, 2021:305).

Angelehnt an Heinz v. Förster sind Entscheidungen jedoch immer Entscheidungen des prinzipiell Unentscheidbaren (vgl. Teil der Welt, S. 67 f.). Klingt komisch, heißt aber nur:

Wäre A besser als B, würden wir natürlich B nehmen – alles andere wäre blöd. Entscheiden ist hier nicht notwendig. Dann aber, wenn A und B gleichwertig sind, braucht es die Entscheidung.

A und B klingt einfach, sind auf Ebene der strategischen Entscheidungen jedoch die Optionen, die für die Organisation (Überlebens-)Relevanz haben:

Einrichtung eröffnen oder aufgrund des Fachkräftemangels das Portfolio fokussieren? Lobbyarbeit stärken oder die Ressourcen in den Ausbau des digitalen Marketings stecken? Formale Hierarchien abflachen und eher Richtung agiler Selbstorganisation oder formale Hierarchien stärken und eher in Richtung Klarheit und Orientierung gehen?

Strategieumsetzung

Noch einmal: Echte Strategien sind mehr als rein auf finanzielle Planungen ausgerichtete Plattitüden.

Sie lassen sich – eine andere Definition – als Navigationsprinzipien für das Bewältigen von Komplexität (vgl. Malik, 2017:91) definieren und verfolgen den Zweck, das Überleben der Organisation in Zeiten des Wandels sicherzustellen.

Einführend lohnt sich ein Blick auf Muster und damit auf Vorgehensweisen der Strategieumsetzung, die sich in Organisationen immer wieder zeigen. Grob lassen sich vier Muster unterscheiden;

  1. Der:die Chef:in entscheidet intuitiv (das erinnert ein wenig an den Zollidioten aus Amerika, bei dem man nie weiß, was morgen kommt).
  2. Strategiearbeit wird an „Expertinnen“ wie Beratungsunternehmen oder auch Stabsstellen in Unternehmen ausgelagert.
  3. Strategiearbeit passiert – positiv formuliert – evolutionär (negativ formuliert wurschtelt man sich so durch, da man ja nie wissen kann, was morgen ist).
  4. Strategiearbeit geschieht systemisch als gemeinsame Führungsaufgabe.

Optimal wäre natürlich eine systemische Strategiearbeit, die neben den Führungskräften auch die Mitarbeitenden mit einbezieht und ihnen vermittelt, dass sie mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur (Weiter-)Entwicklung der Gesamtorganisation leisten. In meinen eigenen Begleitungen von Strategieprozessen versuche ich diesen Weg zu gehen, was hoffentlich in den Ausführungen hier deutlich wird bzw. geworden ist. Und ja, manchmal haben auch die anderen drei Muster zu Teilen ihre Berechtigung: Manchmal macht es Sinn, dass top-down entschieden wird, manchmal hilft es, Expert:innen einzubinden und manchmal ist man im Nebel unterwegs und bewegt sich „evolutionär“ voran.

Wieder zurück zur Strategieumsetzung in Zeiten des Wandels: Selbst wenn die Marktdynamik in der Sozialwirtschaft nicht so ausgeprägt ist wie in der freien Wirtschaft, so haben wir doch – organisationsintern wie -extern – gerade genug Dynamik und damit Wandel, oder?

Spätestens hier wird es aber herausfordernd, denn die fundierte Strategieentwicklung, die in einen Plan führt, der nur noch checklistenartig umzusetzen ist, macht keinen Sinn. Dafür sind zum einen die hybriden, meist dezentral strukturierten Organisationen der Sozialwirtschaft viel zu komplex. Zum anderen kommt die Komplexität und Dynamik der (Um-)Welt hinzu – oft diskutiert als „VUKA-Welt“.

Entsprechend reicht es nicht, alle 5 Jahre auf das damals erarbeitete Strategiepapier zu schauen und mal eben neu auszurichten, um dann wieder fünf Jahre weiterzumachen wie bisher.

Nach der Entwicklung steht somit die Frage im Zentrum:

  • Wie können strategische Entscheidungen umgesetzt werden, wenn – Achtung, Binse – das einzig Sichere der Wandel ist?

Dazu präferiere ich einen Weg, der sich grob als „agile Strategieumsetzung“ beschreiben lässt.

Darunter verstehe ich, dass nach der Entscheidung für strategische Optionen und der Beschreibung der Ziele, die sich hinter den Optionen verbergen, gemeinsam überlegt wird, welche Projekte initiiert werden können, die einen Beitrag zu den Optionen leisten.

Strategieverantwortliche

Um die Strategie der Gesamtorganisation projektbezogen angehen zu können, ist es relevant, dass sich jeweils ein/e Verantwortliche/r für eine strategische Option findet und sich für das Thema „den Hut aufsetzt“. Hilfreich ist es, wenn die „Strategieverantwortlichen“ in der formalen Hierarchie möglichst hoch „aufgehängt“ sind (bspw. zweite Führungsebene), um dem jeweiligen strategischen Thema die notwendige Durchsetzungskraft zu verleihen.

Die Strategieverantwortlichen sind dann gefordert, sich ein interdisziplinäres und hierarchieübergreifendes „Strategieteam“ zu suchen, um erste Ideen für strategische Projekte zu generieren. Sie sind nicht unmittelbar operativ, sondern zum einen für die Zusammensetzung und das Funktionieren der Projektteams verantwortlich. Zum anderen besteht die Gefahr, dass ohne klare Verantwortlichkeiten Unsicherheiten entstehen, wer für welches strategische Projekt zuständig ist.

Strategische Projekte

Die Suche nach ersten Ideen für strategische Projekte kann und sollte auch darauf basieren, was in der Organisation aktuell bereits an Projekten läuft, die sich den entsprechenden strategischen Optionen zuordnen lassen. So wird ggfs. die strategische Option „Digitalisierung sinnvoll nutzen“ definiert. Aller Wahrscheinlichkeit nach laufen aber bereits Projekte rund um das Thema Digitalisierung, vielleicht experimentieren einige Bereiche und Abteilungen bereits mit KI-Anwendungen, andere Bereiche testen und nutzen bereits Technik im Kontext von AAL.

Kurz: Projekte müssen nicht unbedingt „neu“ sein. Es können auch bestehende Projekte zukunftsorientiert weitergeführt werden – allerdings nicht mehr isoliert und unverbunden, sondern unter dem Dach der Strategie vernetzt und mit einem ganzheitlichen Blick auf die Gesamtorganisation.

Regelmäßige Retrospektiven

Wichtig ist, dass die Strategieverantwortlichen in regelmäßigen Abständen – z.B. alle vier Monate – über den Stand und die Entwicklung der jeweiligen Projekte in den Führungsrunden berichten. Der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand obliegt es dann – im Sinne eines „Product Owners“ und idealerweise gemeinsam mit dem Leitungsteam – zu entscheiden, ob und in welcher Form die angestoßenen Projekte mit welchen Ressourcen weiterverfolgt werden sollen.

Mit diesem Vorgehen gelingt es, Fehlentwicklungen zu vermeiden, knappe Ressourcen bedarfsgerecht zu steuern und die Strategieumsetzung nicht losgelöst von aktuellen Entwicklungen zu betrachten. Ideal ist, wenn es gelingt, nicht nur auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, sondern diese aktiv in die Strategieumsetzung einzubeziehen. In meiner – vielleicht etwas naiven – Traumvorstellung bewegen wir uns damit in einer „Effectuation-Logik“:

Unvorhergesehene Entwicklungen werden nicht als „Angriff auf die strikte Planung der Strategieumsetzung“ verstanden („Auch das noch!“), sondern als Möglichkeit und Chance, die für die jeweilige strategische Option bzw. das jeweilige Projekt gewinnbringend genutzt werden kann. Eine entsprechend flexible Reaktion auf Veränderungen ist hier nicht nur unvermeidlich, sondern sogar erwünscht.

Regelmäßige Retrospektiven sind aber nicht nur auf der obersten Ebene zu etablieren, sondern – fast selbstverständlich, oder? – auch in den Projektteams selbst, die an der Umsetzung der Strategie arbeiten:

Auch hier gilt es, in regelmäßigen, kurzen Abständen innezuhalten und zu überlegen, ob die laufenden Projekte auf dem richtigen Weg sind, ob sie modifiziert oder gar eingestellt werden müssen – weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, weil amerikanische oder russische Freaks absurde Entscheidungen getroffen haben oder weil irgendwelche Viren sich überlegt haben, die nächste Pandemie auszulösen. Mit anderen Worten:

Auch in der konkreten Projektarbeit können sich die Bedingungen ändern – aus welchen Gründen auch immer. Statt am Plan festzuhalten, muss immer wieder gemeinsam neu entschieden werden, ob und wie es weitergeht.

Strategische Projektsteuerung

Angenommen, eine Organisation hat sechs strategische Optionen erarbeitet und für jede Option Strategieverantwortliche gefunden. Diese beginnen nun, „strategische Projekte“ zu initiieren. So weit, so gut.

Die Gefahr, dass es zu einer unkoordinierten Vielzahl von Projekten kommt, die wiederum unverbunden nebeneinander stehen, wird aber sofort deutlich.

Um dieser Gefahr zu begegnen ist neben den bereits erwähnten regelmäßigen Retrospektiven auf Leitungsebene, die den Raum für Entscheidungen über die Neuaufnahme, Anpassung oder – auch wenn es manchmal weh tut – Beendigung von Projekten bieten, die Etablierung einer „strategischen Projektsteuerung“ hilfreich.

Vor allem in großen Komplexträgern der Sozialwirtschaft werden hierfür häufig Stabsstellen eingerichtet. In kleineren Organisationen ist es sinnvoll, die Rolle der Projektsteuerung zu definieren und in bestehende Strukturen zu integrieren.

Aus meiner Sicht geht es bei der strategischen Projektsteuerung aber nicht nur darum, den Überblick über Projekte und Ressourcen zu behalten. Sinnvoller ist es, die strategische Projektsteuerung – im Sinne eines „Scrum Masters“ oder „Agile Coaches“ – auch für die Begleitung der einzelnen, temporär zusammengesetzten Projektteams zu nutzen.

Ziel dabei ist es, die Projektteams unter den ohnehin herausfordernden Arbeitsbedingungen zu unterstützen, möglichst schnell arbeitsfähig zu werden, effektiv und effizient ergebnisorientiert zu agieren und der Gefahr zu begegnen, dass Projektteams zu „Arbeitskreisen“ werden, die existieren, weil sie schon immer existiert haben.

Weglassen nicht vergessen

Die bisherigen Ausführungen klingen so, als wäre Strategieentwicklung und -umsetzung immer die Arbeit am „mehr“, an neuen strategischen Optionen mithilfe neuer Projekte, die von in der Sozialwirtschaft sowieso mehr als überlasteten Menschen verantwortet und von Teams umgesetzt werden, die nicht wissen, woher die zeitlichen und finanziellen Ressourcen dafür kommen sollen.

Hier hilft zum einen Michael Porter, der (in diesem Beitrag) schrieb, dass „Die Essenz der Strategie (…) darin [besteht] zu entscheiden, was nicht zu tun ist!“ Oder anders ausgedrückt:

Alles geht nicht! Denn wenn alles ginge, bräuchte es keine Entscheidungen und damit auch keine Strategie.

Zum anderen hilft ein Blick auf den Begriff der Exnovation im Sinne der gezielten, bewussten Reduktion oder Abschaffung von Produkten, Technologien, Prozessen, Praktiken, Institutionen oder Strukturen (vgl. Bils, Töpfer, 2024:223).

Wie wäre es, wenn in der Strategie Deiner Organisation strategische Option definiert wäre, die Exnovation explizit in den Mittelpunkt stellt:

„Wir reduzieren gezielt nicht mehr sinnvolle Produkte, Technologien, Prozesse, Praktiken oder Strukturen. Wenn möglich und sinnvoll, schaffen wir sie ganz ab. Dabei ist uns bewusst, dass Abschaffen auch bedeuten kann, Alternativen zu entwickeln.“

Exnovation ist also – dies nur als kleiner Hinweis – ohne Innovation nicht denkbar.

Exkurs: Bereichs- oder Abteilungsstrategien als Alternative zur „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“?

Alternativ zu der hier skizzierten „projektbasierten, agilen Strategieumsetzung“ erlebe ich häufig, dass „Teilstrategien“ entwickelt werden:

Es wird z.B. in einem Komplexträger der Eingliederungshilfe für eine Abteilung – z.B. dem Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung – eine „Teilstrategie“ erarbeitet, die dann auf die Teams in den jeweiligen Bereichen „heruntergebrochen“ bzw. von den Teams umgesetzt wird bzw. werden soll.

Der Vorteil ist, dass die oftmals sehr abstrakte Gesamtstrategie für die Mitarbeitenden vor Ort deutlich greifbarer wird. So wird bspw. in der Gesamtstrategie die strategische Option „Personal und Führung – professionell gestalten!“ verabschiedet und ggfs. noch mit ein paar Sätzen hinterlegt. Die unmittelbare Übertragung des abstrakten Themas auf den eigenen Bereich ist schwierig.

Wenn aber – um im Beispiel zu bleiben – im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die zu dieser strategischen Option heruntergebrochene Bereichsstrategie „Förderung der Mitarbeiterbindung!“ (Oder wie auch immer) lautet, ist ein „Andocken“ deutlich leichter möglich: Wie können wir im Bereich Wohnen für Menschen mit Behinderung die Mitarbeiterbindung erhöhen?

Problematisch sehe ich jedoch, dass es sich bei Bereichs- oder Abteilungsstrategien nicht mehr um die Gesamtstrategie der Organisation handelt. Der Fokus verschiebt sich auf den eigenen Bereich.

Dem Wunsch nach „siloübergreifender Zusammenarbeit“ kann damit natürlich nicht mehr begegnet werden: Der Anreiz, gemeinsam an der Strategie für die Gesamtorganisation zu arbeiten, entfällt: „Ich arbeite an meiner Strategie für meinen Bereich. Was die anderen machen, interessiert mich nicht.“ Ja klar, das ist etwas radikal formuliert, trifft aber häufig zu und ist aus Perspektive der jeweils verantwortlichen Rolle (bspw. Bereichsleitung) völlig nachvollziehbar.

Das führt auch dazu, dass – sofern dennoch an der Gesamtstrategie der Organisation gearbeitet werden soll – der Koordinationsaufwand deutlich steigt, da Abstimmungen mit anderen Bereichen und Abteilungen schwierig, zeitintensiv und häufig konfliktträchtig sind.

Kurz: Auch hier zeigt sich, dass jede Problemlösung Lösungsprobleme erzeugt – jede Vorgehensweise hat Vor- und Nachteile. Wenn aber in den sowieso sehr dezentral strukturierten, lose gekoppelten Organisationen der Sozialwirtschaft der Wunsch nach einer gemeinsamen strategischen Ausrichtung, der Wunsch nach mehr Identität oder der Wunsch nach interdisziplinären Zusammenarbeit und einem „voneinander Lernen“ besteht, liegen die Vorteile aus meiner Perspektive eher auf Seiten der projektbasierten, agilen Strategieumsetzung.

Strategie in der Krise entwickeln und umsetzen: Die 8 wichtigsten Fragen für Organisationen der Sozialwirtschaft

Hast Du geschafft, bis hierhin dranzubleiben? Respekt, denn es ist doch mehr geworden, als ursprünglich gedacht. Aber halbe Sachen sind auch doof.

Jetzt aber meine „10 wichtigsten Fragen“ rund um die Stratehieentwicklung und -umsetzung, die Du Dir vor und während der Strategiearbeit immer stellen solltest:

1. Was verstehst Du und Deine Organisation unter „Strategie“?

Dem folgend, dass es keine einheitliche Definition von Strategie gibt kannst Du auch nicht davon ausgehen, dass alle Menschen in Deiner Organisation ein einheitliches Verständnis von Strategie haben.

Vor der eigentlichen Strategiearbeit, vor der Strategieentwicklung und -umsetzung also, ist ein gemeinsames Verständnis darüber herzustellen, was ihr unter Strategie versteht.

2. Ist es Dir und Deiner Organisation mit der Strategiearbeit ernst?

Organisationen brauchen eine Strategie, oder?

Mitarbeitende suchen nach Orientierung und wollen wissen, „wo es denn hingeht“, was die größere Linie ist. Genauso beschäftigen sich Führungskräfte gerne in netten Locations, abgekoppelt vom anstrengenden Alltag, mit Fragen der Zukunft. Denn die Zukunft ist – frei nach dem Reiseesel Mallorca – immer da, wo man gerade nicht ist. Du merkst mein Augenzwinkern, aber:

Strategiearbeit, insbesondere der oben beschriebenen Vorgehensweise, macht nur dann Sinn, wenn es ernst wird. Nur dann, wenn wirklich der Wunsch nach gemeinsamem Lernen, nach Entwicklung und partizipativer Umsetzung von Entscheidungen existiert, lohnt sich das „systemische Vorgehen“.

Wie oben geschrieben, ist die „evolutionäre Strategiearbeit“ aka Durchwurschteln deutlich einfacher ebenso wie das Treffen von emotional gesteuerten Top-Down Entscheidungen durch den:die Chef:in oder das Auslagern der Strategie an Expert:innen. Denen kann man dann zumindest die Schuld in die Schuhe schieben, dass es doch nicht so gekommen ist, wie geplant.

Kurz: Ist es Dir und Euch ernst?

3. Ist Strategiearbeit für Dich und Deine Organisation notwendig?

Ist das nicht die gleiche Frage wie oben? Nicht ganz. Bei der Frage nach dem Ernst ging es mir um die Herangehensweise. Hier geht es mir um die Frage, ob Du und Deine Organisation tatsächlich „Not wenden“ muss?

Not wenden – die Notwendigkeit – fokussiert darauf, dass Strategiearbeit wenig Sinn macht, wenn es nicht um wirklich (Überlebens-)Notwendiges geht. Denn dafür ist Strategie, dafür sind strategische Entscheidungen da:

Das Überleben der Organisation in Zukunft zu sichern.

4. Wer profitiert vom Status Quo?

„Wer will Veränderung?“ – Alle Hände gehen hoch.

„Wer will sich verändern?“ – Du kennst die Grafik vermutlich.

Deutlich wird dabei, dass es – auch wenn Strategie für Dich und Deine Organisation notwendig ist und auch wenn klar ist, was ihr unter Strategie versteht – Menschen in der Organisation gibt, die in ihrer Rolle vom aktuellen Zustand profitieren. Die einfache Zuschreibung, dass doch alle bei jeder noch so sinnvollen Veränderung „Widerstand“ aufbringen, reicht hier nicht aus. Die Zuschreibung verändert nichts.

Hilfreicher ist, sich schon vor oder zumindest während der Strategieentwicklung bewusst zu werden, wer warum vom Ist-Stand der Organisation profitiert. Dann wird es möglich, gezielt die Bedenken und Befürchtungen zu thematisieren und Veränderung – zumindest besser – gelingen zu lassen.

5. Wer hat welche Erwartungen an den Strategieprozess?

In eine ähnliche Richtung zielt auch die Frage nach den Erwartungen:

Erst wenn ein klareres Bild davon existiert, wer welche Erwartungen an den Strategieprozess hat, wird eine gemeinsame Arbeit an der Strategie und die Umsetzung strategischer Projekte wahrscheinlicher.

Dabei sind vor allem die informalen Erwartungen, also die Erwartungen, die verdeckt sind, interessant und gleichzeitig schwer zu thematisieren. Allein aber die Reflexion über die Frage, wer welche Erwartungen hat, kann befreiend sein, da überhaupt in diese Richtung gedacht wird.

Um näher an die informalen Erwartungen heranzukommen, hilft die Thematisierung dessen, was nach dem Strategieprozess aus Perspektive der Beteiligten anders sein soll als heute oder danach, was im Strategieprozess auf keinen Fall passieren soll.

6. Hast Du und Deine Organisation alles, was ihr braucht?

Dahinter verbirgt sich die Frage nach den Personen, die aktiv an der Strategieentwicklung und später verantwortlich an der Strategieumsetzung beteiligt sind:

  • Verfügen die Personen, die sich mit der Strategie befassen, über inhaltliche Kompetenzen, um die anstehenden Fragen kompetent beurteilen zu können?
  • Haben sie die Kompetenz, die Methoden, Instrumente und Verfahren auszuwählen und anzuwenden?
  • Können sie mit eventuell auftretenden schwierigen und konfliktreichen Situationen umgehen?
  • Haben sie die Zeit und das persönliche Engagement, sich dem Strategieprozess so zu widmen, wie es erforderlich ist oder werden könnte?

Zwei konkrete Beispiele:

Bei einem Kunden erarbeite ich gerade einen „Crashkurs Strategiearbeit“, in dem es darum geht, allen Führungskräften zumindest über die grundlegenden Kompetenzen der in dieser Organisation angestrebten Strategiearbeit an die Hand zu geben. Ich finde das wunderbar, denn so ist zumindest ein gemeinsames Grundgerüst gegeben, auf das immer wieder zurück gegriffen werden kann. Eine andere Organisation hat ein Programm ins Leben gerufen, dass die Arbeit in Projekten thematisiert, um so in der Gesamtorganisation das Thema Projektmanagement zu verankern.

Ja, das ist Aufwand. Und nein, es ist nicht sichergestellt, dass alle Projekte zum Erfolg führen und die Strategien umgesetzt werden. Aber zu hoffen, dass es auch so irgendwie klappt, ist sicher noch weniger erfolgsversprechend.

7. Wie kommunizierst Du die Arbeit an der Strategie von Beginn an?

Organisationen der Sozialwirtschaft sind komplexe soziale Systeme mit vielen Mitarbeitenden. Da ist es klar, dass nicht alle Mitarbeitenden in gleicher Weise in die Strategiearbeit eingebunden werden können. Nicht alle Mitarbeitende können in Workshops involviert sein, können strategische Optionen erarbeiten, Projektideen aufsetzen oder sich in Projektteams an strategischen Projekten beteiligen.

Entsprechend wichtig ist es, von Beginn an zu überlegen, wer wann wie eingebunden wird, wer wann über welchen Weg informiert wird, wer wann wie beteiligt wird usw.

Es wäre naiv – aber das wurde deutlich, denke ich – im stillen Kämmerlein eine noch so toll klingende Strategie zu erarbeiten, diese auf Hochglanzpapier zu veröffentlichen und dann zu glauben, dass Mitarbeitende die Strategie kennen geschweige denn sich dieser auch nur ansatzweise verbunden fühlen.

8. Brauchst Du und Deine Organisation alle fünf Jahre eine neue Strategie?

Hier bin ich unschlüssig:

Einerseits macht es durchaus Sinn, regelmäßig aus dem Alltag auszusteigen und zu überlegen, was in Zukunft für die eigene Organisation überlebenswichtig sein wird. Genau dazu dienen ja die „Strategieklausuren“.

Aus der oben skizzierten „agilen Strategieumsetzung“ ergibt sich jedoch die Notwendigkeit, kontinuierlich über die Zukunft nachzudenken.

Ernsthaft umgesetzt sollte jede Retrospektive der Leitungsrunde einen Blick in die Zukunft werfen: Sind die laufenden Projekte noch sinnvoll? Wo müssen sie angepasst werden? Was kann und muss weg? Und darüber hinaus plädiere ich eher für regelmäßige, z.B. jährliche Überprüfungen, ob die strategischen Optionen noch den aktuellen Bedürfnissen entsprechen.

Das hat zur Folge, dass nicht mehr alle paar Jahre eine gesonderte Strategieentwicklung notwendig ist, sondern die Strategiearbeit und auch die Anpassung der strategischen Optionen an die aktuellen Bedingungen kontinuierlich erfolgt.

Nebeneffekt ist, dass die Strategie so kontinuierlich auf dem Schirm der Organisation bleibt und nicht nach fünf Jahren, kurz vor dem nächsten Strategiezyklus, hektisch hervorgeholt wird – mit der Feststellung, dass wir eigentlich nicht weitergekommen sind.

Strategie in der Krise – ein ganz kurzes Fazit

Strategie- komplexes Thema, was sich in einem definitiv zu langen Blogbeitrag zeigt. Aber ich hau den trotzdem raus.

Denn meine Hoffnung ist, dass Du darin vielleicht den einen oder anderen Hinweis findest, der Dich in Deiner Strategiearbeit weiterbringt. Und vielleicht hilft es Dir ja auch, über die Fragen am Ende nachzudenken und eigene Antworten für Dich und Deine Organisation zu finden.

Hilfreich für mich wäre aber zu erfahren, was Deine Erfahrungen mit Strategiearbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft sind?

Lass dazu doch gerne einen Kommentar da oder schreib mir gerne – würde mich sehr freuen.

Quellen:

  • Bils, S., Töpfer, G. (2024): Exnovation und Innovation. Synergie von Ende und Anfang in Veränderungen. Schäffer Poeschel.
  • Gesmann, S., Merchel, J. (2021): Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Carl-Auer.
  • Grunwald, K. (2022): Management sozialwirtschaftlicher Organisationen: Eine Einführung. Springer VS.
  • Nagel, R. (2014): Lust auf Strategie: Workbook zur systemischen Strategieentwicklung. aktualisierte Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Nagel, R., Wimmer, R. (2014): Systemische Strategieentwicklung: Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider. 6. Auflage. Schäffer Poeschel.
  • Malik, F. (2017): In: Roehl, H., Asselmeyer, H.: Organisationen klug gestalten. Das Handbuch für Organisationsentwicklung und Change Management. Schäffer Poeschel.

Was wäre wenn, oder: meine Reflexion 2025

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Kurz vorab: Meine Reflexion 2025, die Du hier liest, ist keine fertige Strategie oder sowas… Eher laut gedacht. Wenn Du Lust hast, gerne lesen und kommentieren, bin gespannt auf Deine Gedanken…


Irgendwann dieser Tage kam mir die Idee, jeden meiner Newsletter im Jahr 2025 mit einem (möglichst passenden) Songtitel zu versehen. Die Idee zum Newsletter basiert auf dem Song „Im Zweifel für den Zweifel“ von Tocotronic. Das hörte ich, als ich (nicht nur) über das vergangene Jahr nachdachte, verbunden mit einem Ausblick auf das kommende Jahr – mein Jahr, das politische Jahr, das Jahr der Welt:

„Im Zweifel für den Zweifel
Das Zaudern und den Zorn
Im Zweifel fürs Zerreißen
Der eigenen Uniform
Im Zweifel für den Zweifel
Und die Unfassbarkeit
Für die innere Zerknirschung
Wenn man die Zähne zeigt
Im Zweifel fürs Zusammenklappen
Vor gesamtem Saal
Mein Leben wird Zerrüttung
Meine Existenz Skandal“

Der Duden definiert Zweifel als „Bedenken, schwankende Ungewissheit, ob man jemandem oder einer Aussage glauben darf, ob ein Vorgehen, eine Handlung richtig und gut ist, ob etwas gelingen kann o.ä.“. (klick).

Zweifel sind Zustände der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Hypothesen, da widersprüchliche oder unzureichende Gründe kein sicheres Urteil oder keine sichere Entscheidung zulassen.

Ich füge dem Zweifel ein „Bewußtsein“ hinzu – das „bewußte Zweifeln“.

Denn wenn vertraute Gewissheiten überall und immer in Frage gestellt werden, besteht die Gefahr, in der permanenten Erschütterung gefühlter Sicherheiten, in der permanenten Entscheidungsunsicherheit, im ständigen Abwägen und der Unentschlossenheit zwischen a und b wie Buridans Esel zwischen den Heuhaufen zu verhungern oder eben zu ver-zweifeln.

Verzweiflung jedoch ist alles andere als erstrebenswert, handlungsleitend oder sinnvoll (wenn auch manchmal verständlich).

Und trotz (oder gerade wegen) aller Herausforderungen, Unsicherheiten, Fragen und gefühlten Dramatik der Welt:

Im Zweifel für den Zweifel!

Es gilt, den Zweifel und die Unentschiedenheit zu umarmen und gleichzeitig nicht zu verzweifeln – das ist die große Kunst, die „Zukunftskompetenz 2025“ für unsere „VUCA-Welt“! Wobei, wahrscheinlich kann man auch daran zweifeln 😉 Und wenn ich mein Jahr 2024 reflektiere und gleichzeitig den Zustand der Welt betrachte, ist Ambiguitätstoleranz mehr als wichtig – die Fähigkeit und sozialarbeiterische Grundkompetenz, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen.

Der Blick auf drei Jahre Selbständigkeit hat von mir (und von den Menschen in meiner Nähe) alle Ambiguitätstoleranz im Auf und Ab zwischen himmelhohem Jauchzen, meiner Klarheit und sicheren Erkenntnis, dass ich auf genau dem richtigen Weg bin auf der einen und dem (Gott sei Dank nicht zu Tode) betrübten Zweifel auf der anderen Seite abverlangt.

Der Start ins vierte Jahr der Selbständigkeit ist bei mir natürlich immer noch von Zweifel geprägt. Wahrscheinlich werden die Zweifel nie ganz versiegen, da ich als Selbständiger in einem Angestelltenland wie Deutschland immer irgendwie als Fremdkörper wahrgenommen werde und auch von außen gezweifelt wird:

„Selbständig, wirklich? Selbst und ständig, haha. Immer arbeiten? Keinen Urlaub? Keine gesicherte Rente? Ich könnte das ja nicht!“

Musst du ja auch nicht, alles gut… Hinzu kommt eine Angestelltenlandpolitik, die nicht im geringsten auf die Bedürfnisse selbständig arbeitender Menschen abgestimmt ist. Da soll man nicht zweifeln?

Wobei auch hier wieder Zweifel angebracht sind, denn ist es nicht so, dass das größte Bedürfnis aller Eltern ist, dass die Kinder selbständig werden – solange, bis sie tatsächlich selbständig werden wollen?

„So hab ich das ja nicht gemeint…!“ Jaja…

Ich könnte noch lange meinen Gedanken freien Lauf lassen. Anstatt aber meine random Gedanken zu lesen willst Du wahrscheinlich (und ich selbst auch) lieber wissen, wie es mir so ergangen ist im letzten Jahr und wie mein Ausblick aussieht, oder?

Also strukturierter. Im Sinne einer „Start-Stop-Continue“-Retrospektive möchte ich daher in meiner Reflexion 2025 nur formulieren, was ich im Jahr 2025 neu beginnen, womit ich aufhören und was ich aus 2024 beibehalten möchte:

Start: Was ich 2025 neu beginnen und/oder ausprobieren will!

Das Problem vorab: Ich bin Neu-Beginner by nature.

Es fällt mir schwer, Nein zu sagen. Das ist auf der einen Seite schön und super hilfreich. Dadurch stolpere ich immer wieder in neue Projekte, neue Herausforderungen und neue Lernmöglichkeiten. 

Um nur ein paar Beispiele zu nennen habe ich 2024…

  • …neu begonnen, mich in das Arbeitsfeld der stationären Altenhilfe einzuarbeiten und Einrichtungen in der Veränderung der Arbeitsabläufe bzgl. des Personalbemessungsverfahrens (Modellprogramm nach § 8 Abs. 3b SGB XI) begleiten dürfen (hier mehr dazu).
  • …neu begonnen, nicht mehr alleine, sondern mit (m)einer (Premium-)Praktikantin Marion zu arbeiten – ein, wenn nicht das, Highlight des Jahres (Danke für Deine Zeit, Geduld und alles andere 😉 
  • …18 neue Blogbeiträge (hier entlang) und vier Podcast-Episoden (hier entlang) veröffentlicht. 
  • …das Fachcamp Soziale Arbeit gemeinsam mit Christian an den Start gebracht (der hier noch einmal eine schöne Zusammenfassung verfasst hat). 
  • …ein paar Fachbeiträge verfasst und veröffentlicht (hier mehr dazu).
  • …exakt 50 Newsletter neu geschrieben und zuletzt an mehr als 750 Menschen verschickt.

Und 2025?

Schön wäre, wenn mich der hilfreiche Satz „Stop starting, start finishing!“ leiten würde – aber da sind sie wieder, die Zweifel…

Ich versuche es trotzdem und will 2025 damit beginnen, weniger zu beginnen und mehr fertig zu stellen! Wobei – eine paar neue Ideen hab ich da im Hinterkopf 😉

Wieder mehr Sport!

Klar ist, dass ich wieder mehr Sport treiben will – das klingt nach Standardvorsatz, aber ich meine es ernst, denn ich habe meinen Körper 2024 tatsächlich etwas vernachlässigt.

Professioneller arbeiten!

Ich mache mir schon länger Gedanken, wie es gelingen kann, meine Leistungen und Angebote zu professionalisieren und damit noch effektiver und effizienter zu gestalten. Klingt vielleicht komisch, so als wäre ich nicht professionell, effektiv oder effizient unterwegs.

Aber mir geht es darum, noch besser zu erkennen, wie es gelingen kann, mit meinen Kund:innen an den für sie wirklich relevanten Themen und Herausforderungen zu arbeiten. Das erhöht zum einen meine eigene Zufriedenheit. Vor allem aber erhöht es den Nutzen für die begleiteten Personen, Teams und Organisationen.

Gerade in Zeiten wachsender Herausforderungen, knapper Budgets und schwieriger Rahmenbedingungen sind Effektivität („das Richtige tun!“) und Effizienz („das Richtige richtig tun!“) mehr als relevant.

Stationäre Altenhilfe vertiefen!

Und dann gibt es da noch die Arbeit in den Organisationen der stationären Altenhilfe. Fachlich unterstützt durch einen Pflegewissenschaftler, der lustigerweise direkt um die Ecke wohnt, werden wir in die Organisationsentwicklung rund um die Personalbemessung in der Altenhilfe verstärkt einsteigen. Hier habe ich – wie oben geschrieben – im letzten Jahr bereits erste, spannende und sehr erfolgreiche Schritte unternommen. Und wir wollen dieses zukünftig hochgradig relevante Themenfeld weiter ausbauen.

Falls Du also Lust hast auf erste Einblicke, schau doch mal unter www.percura.de vorbei. Und falls Du Menschen aus der stationären Altenhilfe kennst, für die das Angebot interessant sein könnte, sag gerne Bescheid!

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das nicht alles gewesen sein. Dazu kenne ich mich und meinen Kopf zu gut (auch wenn er immer mal wieder nervt).

Stop: Was ich 2025 anders machen und/oder womit ich aufhören will!

Klar, nicht mehr soviel gleichzeitig, siehe oben. Aber das klappt vermutlich sowieso nicht 😉

Nicht mehr immer schnell alles alleine machen

Bislang habe ich Ideen und Projekte sehr schnell und effizient umgesetzt – aber eben alleine. Das hat auch seine Berechtigung und ich bin nicht umsonst als „Solopreneur“ unterwegs.

Aber das letzte Jahr und die Zusammenarbeit mit Marion hat mir gezeigt, dass es nicht nur Spaß macht, Dinge stärker im Team zu machen, sondern auch die Ergebnisse für meine Kund:innen deutlich verbessert – auch wenn es mehr Abstimmung, Diskussion und Verständigung braucht und damit der Aufwand und am Ende natürlich auch die Kosten höher sind.

Entsprechend steht der Versuch an, die Zusammenarbeit mit anderen Menschen – einmal für IdeeQuadrat und dann auch bei percura.de – zu stärken.

Vielleicht als Vorsatz formuliert:

Bei Ideen, Projekten und Aktivitäten kurz nachdenken: Ist es gut, wenn ich das schnell alleine mache und dann ist es vorbei – oder dient es meinen Kund:innen mehr, wenn ich – statt meine Energie direkt in die Umsetzung zu stecken – sie lieber erst einmal dafür einsetze, das Vorhaben mit anderen Menschen anzugehen, um dadurch mehr Wirkung zu erzeugen?

Schlechte Gewohnheiten und Routinen verändern

Manchmal komme ich mir vor wie der Schuster mit den falschen Schuhen:

Ich plädiere für die Gestaltung funktionaler Strukturen in den Organisationen, die ich begleite. Ich plädiere für Rollenklarheit, für die Einführung sinnvoller Regeln und Vorgaben, dafür, „den Menschen aus dem Mittelpunkt zu nehmen, damit die Organisation funktioniert“. Statt an die Menschen zu appellieren, endlich eine andere „Haltung“ einzunehmen, plädiere ich für die Gestaltung der Verhältnisse. Ich schreibe sogar vom „end of new work as we know it…“ und bin davon sehr überzeugt.

Im Kern geht es in vielen Punkten meiner Arbeit darum, gute Organisationsgewohnheiten zu gestalten und dysfunktionale Organisationsgewohnheiten abzustellen bzw. zu verändern.

Gleichzeitig sind viele meiner persönlichen und beruflichen Strukturen, Regeln und Gewohnheiten wenig förderlich. Das liegt daran, dass ich ein ziemlich ungeregeltes Leben führe. Ich stehe nicht jeden Morgen zur gleichen Zeit auf, nehme meine Brotdose und gehe ins Büro.

Jeder Tag ist anders, manchmal radikal anders – von Tagen, an denen ich keinen einzigen Termin habe und eigentlich im Bett bleiben könnte, bis hin zu Wochen, in denen ich jeden Tag an einem anderen Ort bin, verbunden durch mehr oder weniger planbare Zugverbindungen.

Neben der Unterschiedlichkeit meines Leben hat das mit den Gewohnheiten aber auch damit zu tun, dass ich für mich persönlich noch kein gutes System gefunden habe, um an meinen Gewohnheiten zu arbeiten und sie zu verändern. Ich würde mich als undisziplinierten Menschen definieren, aber alle Literatur zu diesem Thema sagt, dass es viel weniger auf Disziplin ankommt, als auf die Gestaltung von Systemen zur Gewohnheitsänderung – sag ich ja (zumindest gegenüber meinen Kund:innen ;-).

Als Vorsatz formuliert:

Im Jahr 2025 will ich unangemessene, schlechte, ungesunde Gewohnheiten reduzieren, indem ich für mich bessere Systeme schaffe, die mir helfen, diese Gewohnheiten einzuhalten. Und dieser Vorsatz hat dann auch wieder viel mit dem „professionellen Arbeiten“ zu tun (s.o.).

Continue – Was war hilfreich und was will ich fortsetzen?

Ehrlich gesagt würde es mir sehr reichen, wenn mein Jahr 2025 ähnlich verlaufen würde wie 2024.

Nach dem privat-emotional verkackten Jahr 2023 war 2024 für mich persönlich wirklich gut – familiär, wirtschaftlich, gesundheitlich. Somit erstmal auf Holz klopfen – ein ähnliches Jahr wäre schon was, aber wie 2023 familiär und wie auch 2024 politisch gezeigt hat, ist die Zukunft nicht planbar – VUCA-Welt und so.

Meine Branche

Ja, ich habe oben von der Entwicklung hin zur stationären Altenhilfe gesprochen, das ist ein neues Arbeitsfeld innerhalb meiner Branche, aber eben keine neue Branche.

Ich bin – wie schon oft gesagt – davon überzeugt, dass die Gesundheits- und Sozialwirtschaft vor enormen Herausforderungen steht.

Und ich möchte trotz aller Herausforderungen, schwieriger Rahmenbedingungen, knapper Budgets, bürokratischer Vorgaben etc. weiterhin meinen Beitrag dazu leisten, diese Herausforderungen anzugehen und aus Perspektive der Organisationsentwicklung zu begleiten – weil es Sinn macht!

Arbeit mit Führungskräften

2024 durfte ich einzelne Führungskräfte, Führungsduos und Führungsteams auf verschiedenen Ebenen über einen längeren Zeitraum begleiten.

Abgesehen davon, dass diese individuelleren Begleitungen sehr viel Spaß machen, werden in Zukunft die Menschen an den entscheidenden Stellen (an denen formale Entscheidungen getroffen werden können) gefordert sein, ihre Teams und Organisationen bei allen Herausforderungen zu begleiten.

Und auch hier würde ich gerne meinen Betrag (weiterhin) leisten und vielleicht hier und da ausbauen (sag‘ Bescheid, wenn das für Dich interessant ist)…

Als Fazit meiner Reflexion 2025 – mein Jahresmotto!

Eingestiegen in diese Reflexion bin ich ja mit dem Zweifel. Beim Zweifel sind immer mehrere Perspektiven denkbar. Um es einfach zu halten: Nach hinten und nach vorne. Das Ganze kombiniere ich jetzt mit meinem Jahresmotto. Darüber bin ich bei Nele Hirsch gestolpert, die ein Jahresmotto für 2025 ausgewählt hat (hier mehr dazu). Die Idee dahinter finde ich spannend und interessant vor allem, ob im Rückblick auf dann 2025 das Jahresmotto getragen hat.

Ich habe die Weihnachts- und Dazwischentage genutzt um über mein Jahresmotto nachzudenken. Gar nicht so einfach, ehrlich gesagt, aber ich bin zu folgendem Motto gekommen:

„What if…“

Das Motto passt zum Zweifel. Und der Blick nach hinten wäre die negative Perspektive auf „What if…?“: Was wäre gewesen, wenn ich mich anders entschieden hätte – hätte, hätte, Fahrradkette…

Aber der Blick nach vorne ist spannender:

„Was wäre (in Zukunft) möglich, wenn…?“

Und diese Brille mit dem Blick nach vorne will ich hier auflassen und zum Beispiel für mich persönlich überlegen:

  • Was wäre (in Zukunft) möglich, wenn ich mit meiner Arbeit nicht nur meine Familie ernähren, sondern auch so arbeiten könnte, dass ich die negativen Seiten der Arbeit so weit wie möglich reduzieren kann?
  • Was wäre möglich, wenn es mit IdeeQuadrat und den Zielen dahinter wirklich klappen würde?
  • Was wäre möglich, wenn ich mit meiner Arbeit wirklich etwas bewirken und – wie in meiner Vision formuliert – einen Beitrag für soziale Organisationen leisten könnte, die als Vorreiter gesellschaftlicher Transformation ihren wirkungsvollen Beitrag für eine lebenswerte Gesellschaft nachhaltig leisten?

Der Blick kann aber auch nach außen gerichtet werden, auf die Sozialwirtschaft insgesamt zum Beispiel:

  • Was wäre möglich, wenn die Player der Sozialwirtschaft noch stärker als bislang zusammen arbeiten und die Herausforderungen gemeinsam angehen würden?
  • Was wäre, wenn die großen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, gelöst werden?
  • Was wäre, wenn wir die Wohlfahrt wirklich mutig neu denken, wie es bspw. Jonas hier in dem Podcast sehr treffend auf den Punkt bringt?
  • Was wäre, wenn der Fachkräftemangel nicht zum Kollaps, sondern zu neuen, innovativen wie exnovativen Lösungen führt?

Und so weiter und so fort…

Dann gilt es noch, vom Denken ins Handeln zu kommen, aber ohne die Vorstellung einer denkbaren Zukunft wird’s nix mit der Realisierung der Zukunft…

What if…?

Abschließend bin ich gespannt, ob ich das mit den Liedtiteln durchhalte – bei theoretisch rund 50 Newslettern, die ich im Jahr 2025 schreiben will – ich habe aber schon mal auf Spotify meine Newsletter-Playlist begonnen – gerne folgen 😉

P.S.: Und falls Du Lust hast, im Jahr 2025 an dem „What if…“ für Deine Organisation zu arbeiten, sag‘ gerne Bescheid

Adaptive Strategiearbeit in Sozialen Organisationen – Ansätze, Herausforderungen und Lösungen

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Der Beitrag „Adaptive Strategiearbeit in Sozialen Organisationen – Ansätze, Herausforderungen und Lösungen“ ist mein Skript bzw. eine Verschriftlichung meiner Gedanken, die ich zur BEB Fachtagung Dienstleistungsmanagement mitgebracht habe. Mein Impuls befasste sich mit „adaptiver Strategiearbeit“, agiler Strategieentwicklung und Strategieumsetzung (und irgendwas mit New Work ;-). Hier (und entsprechend in meinem Impuls bei der Tagung) habe ich dazu vier Fragen beantwortet, die ich hier gerne teilen will:

  1. Wozu brauchen wir ein neues Verständnis von Strategiearbeit – und was ist das eigentlich?
  2. Wie entwickelt man adaptive Strategien in Zeiten des Wandels?
  3. Warum ist Strategieumsetzung in sozialen Organisationen so schwierig?
  4. Was Sie trotzdem tun können!

Wozu brauchen wir ein neues Verständnis von Strategiearbeit – und was ist das eigentlich?

Der erste Teil der ersten Frage ist eigentlich schnell beantwortet:

Wir befinden uns in einer Krisenzeit, in der der Krisenbegriff an die Grenze kommt:

Eine Krise, so findet man in Wikipedia, „ist im Allgemeinen ein Höhepunkt oder Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung in einem natürlichen oder sozialen System, dem eine massive und problematische Funktionsstörung über einen gewissen Zeitraum vorausging und der eher kürzer als länger andauert.“

Wenn die Krise zum Normalzustand wird, ist es keine Krise mehr, sondern das „neue Normal“, unsere geteilte Wirklichkeit, in der wir uns befinden.

Diese neue Normal besteht aus einer Aneinanderreihung, mehr noch, aus einer Überlagerung von Krisen und damit von gefährlichen Konfliktentwicklung in verschiedenen natürlichen oder sozialen Systemen.

Hier muss man nicht mehr in die Tiefe gehen, allein die Aufzählung der Begriffe Demokratiekrise, Fachkräftemangel, Haushaltskürzungen, Klimakatastrophe, Krieg, und Künstlicher Intelligenz (in alphabetischer Reihenfolge) reicht aus, um das Problem zu skizzieren.

Aber es bleibt nicht bei der Überlagerung von Krisen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass durch die Synchronisation der Krisenphänomene von deren gegenseitiger Beschleunigung und Verstärkung ausgegangen werden kann (vgl. Homer-Dixon et. al, 2022).

Vor diesem Hintergrund kommt der klassische Strategieegriff massiv an seine Grenzen. Wobei: Was ist eigentlich Strategie?

Was ist eigentlich Strategie?

Interessanterweise wird in der Literatur über Strategie sehr viel vermischt:

Da wird kaum zwischen den Begriffen Plan, Taktik, Strategie unterschieden (vgl. auch Kühl, 2016, 8). Es geht aber um die Verwirklichung von (längerfristigen) Unternehmenszielen bzw. – etwas theoretischer formuliert – um die „Suche nach geeigneten Mitteln zur Realisierung eines vorher definierten Zwecks“ (ebd., 9), soviel scheint klar zu sein.

Aus dieser Perspektive wäre „Strategieformulierung (oder Strategieentwicklung) (…) der Prozess der Suche nach dem geeigneten Mittel (…). Strategieumsetzung (oder Strategieimplementation) wäre der Prozess des Einsatzes der als geeignet identifizierten Mittel, um den vorher definierten Zweck zu erreichen“ (ebd.).

Es ergibt sich ein zweckrationales Strategieverständnis, das von einem Oberzweck der Organisation ausgeht und dann nach geeigneten Mitteln gesucht wird, diesen Zweck zu erreichen. Dieses zweckrationale Verständnis ist wunderbar nach unten zu skalieren, indem auch die Bereiche, Abteilungen und einzelnen Teams Ziele und Zwecke definieren, für deren Erreichung dann geeignete Mittel gesucht werden.

Spätestens angesichts der skizzierten Polykrisen jedoch kommt dieses alleinig zweckrationale Vorgehen massiv an seine Grenzen. Die langfristige Planung von Unternehmenszielen und die darauffolgende Suche nach Mitteln, um die definierten Zwecke zu erreichen, funktioniert nicht mehr, da sich das neue Normal so schnell ändert, dass eine alleinige Fokussierung der Organisation auf die Erreichung strategischer Ziele nicht mehr gelingen kann.

Es kommt heute und zukünftig darauf an, Strategieprozesse aus beiden Perspektiven zu denken und so anzulegen, dass für strategische Ziele geeignete Mittel gesucht werden können und Organisationen gleichzeitig offen dafür bleiben, für bereits in der Organisation existierende Mittel bzw. schon vorhandene Ressourcen geeignete Ziele, Probleme und Einsatzmöglichkeiten zu suchen.

Beim zweiten Ansatz wird gefragt, „welche Mittel in der Organisation vorhanden sind, auf deren Basis man verschiedene, unterschiedliche Ziele anstreben kann“ (ebd., 64).

Die Kombination beider Perspektiven wird dann zur „adaptiven Strategiearbeit“ (oder auch zur agilen, iterativen oder anpassungsfähigen Strategiearbeit).

Dieser Ansatz klingt in der Beschreibung einfach, kehrt jedoch die klassische Denkweise der Strategiearbeit um. Es gilt, mit kleineren Maßnahmen (Inkremente, Experimente) zu beginnen, noch bevor die Bewertung von zig Alternativen stattgefunden hat.

Dazu bedarf es die kontinuierliche, ganzheitliche Einbeziehung der Organisation in die Strategiearbeit und – wie gesagt – eine Abkehr des Denkens der Strategie „von oben nach unten“.

Die ganze Organisation kontinuierlich in den Blick nehmen

Was ist aber „die ganze Organisation“?

Hierzu lohnt ein Blick auf verschiedenen Management-Modelle – hervorzuheben ist aus meiner Sicht das St. Galler Management Modell. Und trotzdem habe ich, wie es sich für einen guten Berater gehört ;-), die „IdeeQuadrat New Wort Canvas“ erarbeitet – eine Kombination verschiedener Ansätze, die mir hilfreich erschienen. Hier findest Du mehr zur „IdeeQuadrat New Wort Canvas“ (inkl. Download und Co.).

Dieses Modell betrachtet eine Organisation aus den Kategorien:

  • Zweck: Wofür treten wir an?
  • Ressourcen: Was und wen haben wir zur Verfügung?
  • Optimierung und Innovation: Wie lernen wir?
  • Strukturen, Prozesse und Mandate: Wie organisieren wir uns?
  • Umweltsphären: Wo spielen wir?
  • Kultur: Wie sind wir (und wie wollen wir sein)?
  • Stakeholder: Wer hat Interesse an und Einfluss auf uns?

Wichtig ist vor allem, dass in jeder Kategorie strategische Entscheidungen im klassischen Sinne (Wo wollen wir hin? Wie kommen wir dahin?) getroffen werden können. Und gleichzeitig können in jeder Kategorie Entscheidungen in der anderen Richtung getroffen werden (Was haben wir? Was können wir damit erreichen?).

Und zur Orientierung lassen sich auf all diesen Ebenen „Markierungen“, „Optionen“ und „Arbeit“ finden.

„Markierungen“, „Optionen“ und „Arbeit“

Die Unterscheidung von „Markierungen“, „Optionen“ und „Arbeit“ findet sich bei Darkhorse (vgl. 2023).

  • Markierungen lassen sich als Erzählungen über die Identität einer Organisation in einer zu gestaltenden Zukunft beschreiben. Sie sind vergleichbar mit (aber nicht gleich) „der einen Vision“ oder „dem einen Nordstern“ einer Organisation. Sie sind deutlich breiter gedacht und liefern damit einen Rahmen für Entscheidungen über die Optionen.
  • Optionen sind die Möglichkeiten, die einer Organisation in einer bestimmten Situation zur Verfügung stehen. Optionen sind nicht alternativlos, sondern bieten Möglichkeiten, Korrekturen auch im laufenden Geschäft vorzunehmen. Und diese Korrekturen sind es, die zeitgemäße und damit anpassungsfähige Organisation brauchen.
  • Und die Thesen, die die Optionen versprechen, werden durch Arbeit überprüft. Hier zeigt sich die Parallele zu den „Inkrementen“ von oben ebenso wie zu Überlegungen rund um agiles Arbeiten oder der Denkhaltung „Effectuation“.

Strategie wird damit über drei Perspektiven gedacht, an denen adaptive Startegiearbeit in den einzelnen Kategorien ansetzen kann.

Dabei aber ist wiederum zu bedenken, dass adaptive Strategiearbeit nicht nur top-down (von Markierungen zur Arbeit), sondern eben auch von der Arbeit zur Entwicklung der Markierungen gedacht und gelebt wird.

Aber wie sieht das etwas konkreter aus, oder:

Wie entwickelt man adaptive Strategien in Zeiten des Wandels?

Die Entwicklung adaptiver Strategien erfolgt aus zwei Perspektiven, die im Folgenden skizziert werden:

Vorgehen aus beiden Perspektiven

Zunächst wird (klassisch) überlegt, welche Ziele und Zwecke die Organisation in den nächsten Jahren erreichen soll. Hier dienen die Markierungen als Ausgangspunkt für Fragen wie „Wer sind wir heute und in Zukunft?“

Aus diesen Markierungen, die die Zwecke der Organisation beschreiben, lassen sich dann Optionen gestalten, die für die Erreichung der Zwecke notwendig sind.

Ein Beispiel:

Die Mitarbeitenden einer Einrichtung aus der Eingliederungshilfe erzählen stolz über die innovativen Lösungen, die sie immer wieder für ihre Bewohner:innen finden. Eine Markierung im Bereich der „internen Stakeholder“ wäre damit bspw. „Wir sind innovativ im Sinne unserer Bewohner:innen“.

Angesichts des Fachkräftemangels stellt sich entsprechend die Frage, wie es gelingen kann, diesen innovativen Anspruch trotz Personalengpässen zu halten. Daraus ergeben sich verschiedene Optionen: Verstärkte Suche nach Fachkräften, Bindung der bestehenden Fachkräfte, Reduzierung des Angebotsspektrums, um die Kernleistungen bestmöglich zu erfüllen, Überdenken der Formalstruktur der Organisation, um darüber klare Orientierung für die Mitarbeiter:innen zu schaffen usw… Jede dieser Optionen kann dann im Sinne iterativen Vorgehens vor dem Hintergrund des Zwecks (aufrechterhalten der innovativen Qualität) getestet werden. Die erfolgsversprechendsten Experimente (Arbeit) lassen sich dann in das regelhafte Angebot der Organisation übernehmen. Kurz: Für den angestrebten Zweck werden geeignete Mittel gesucht.

Die umgekehrte Perspektive ist, über die Arbeit, das Tun, über die vorhandenen Mittel und Ressourcen zu gehen und zu überlegen, welche Optionen sich daraus ergeben, die zu einer Neuorientierung der Organisation führen können.

In unserem Beispiel ist denkbar, dass Mitarbeiter:innen in einem Team der Organisation aus der Not des Fachkräftemangels eine Tugend gemacht haben und neue Wege gehen, die für dieses Team sehr erfolgsvorsprechend sind. Das Denken und Handeln aus den vorhandenen Möglichkeiten des Teams, sichtbar in der geleisteten Arbeit, führt zu neuen Optionen wie bspw. der Rekrutierung von Quereinsteiger:innen, der Verbindung der Einrichtung mit der Kita im Ort, der Entwicklung neuer, ressourcenschonender Dienstplanlösungen, der Reduzierung der Beschäftigung mit internen Prozessen zugunsten echter Arbeit an und mit den Menschen usw. Aus den Optionen ergeben sich dann – mittelfristig – neue Markierungen, die die Gesamtorganisation prägen (bspw. Stärkerer Einbezug des Sozialraums der Organisation).

Und wer hat den Hut auf?

Aus der beschriebenen Logik folgt, dass Strategiearbeit nicht mehr reine „Chefsache“ ist. Top-Down allein reicht nicht mehr (und reichte ehrlich gesagt noch nie wirklich).

Darkhorse (vgl. 2023) unterteilt hier sinnvollerweise in „Strategietreibende“ und „Strategiestakeholder„.

  • Strategietreibende sind Teams oder Mandate (Rollen, Verantwortungsbereiche), die explizit bezogen auf die jeweiligen Optionen gebildet werden und sich um die Optionen kümmern und deren Umsetzung vorantreiben! In unserem Beispiel wäre es ein Team (oder Arbeitsgruppe „Fachkräftemangel“).
  • Strategiestakeholder sind Mandatsträger:innen, die bei Feedbackschleifen involviert werden. Sie bieten Leitplanken für die Strategietreibenden. Idealerweise sind die Gruppen der Strategiestakeholder besetzt mit Mandaten, die nicht nur aus der „Ebene der Markierungen“ (Vorstand, GF, Leitung) bestehen, sondern auch die „Ebene der Arbeit“ miteinbeziehen (Mitarbeiter:innen). Spannend im Sinne einer Open Stategy (und der Teilhabe der Klient:innen Sozialer Organisationen) ist natürlich auch die Einbeziehung von Nutzer:innen in die Gruppen der Strategiestakeholder.

Das konkrete Vorgehen der adaptiven Strategiearbeit orientiert sich damit an einer Verbindung aus Top-Down und Bottom-Up Ansätzen. Wer sich mit Effectuation oder auch mit OKR – Objectives an Key Results – beschäftigt, erkennt die Nähe dieser Modelle zum adaptiven Strategieansatz.

Probleme der Strategieumsetzung in sozialen Organisationen

Die vorherigen Ausführungen sind aller Wahrscheinlichkeit nach nachvollziehbar, oder? Sie machen auch Sinn, oder? Naja, zumindest für mich 😉 Aber die Realität in sozialen Organisationen zeigt, dass es mit der Umsetzung von Strategien nicht so einfach ist.

Das hat viele verschiedene Ursachen (unter anderem Abhängigkeit von Gesetzen und Kostenträgern, enorme Komplexität der Arbeit mit Menschen usw.). Eingehen will ich hier aber insbesondere auf eine These, die ich in einem anderen Beitrag ausdifferenziert habe. Die These lautet (angepasst auf Strategiearbeit in sozialen Organisationen):

„Weil in sozialen Organisationen die Informalität dominiert, ist Strategiearbeit ungleich schwieriger als in privatwirtschaftlichen Organisationen.“

Um den Beitrag noch halbwegs lesbar zu halten, gehe ich hier nicht in der Tiefe darauf ein, was Informalität ist und warum diese in allen Organisationen vorkommt. Nur soviel:

Die Informalität der Organisation meint die Aspekte in einer Organisation, über die keine formale Entscheidung getroffen wurde – sog. unentschiedene Entscheidungsprämissen.

„Von Informalität als Teil der Organisationsstruktur kann man sprechen, wenn eine nicht in der Formalstruktur erwartete Handlung mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt. Erst wenn ein Deutungsmuster sich nicht nur bei einem einzigen Mitglied findet, sondern sich in Teilen der Organisation als erwartbar eingeschlichen hat, hat es den Status einer informalen Erwartung. Erst wenn die kurzfristige Abstimmung mit der Kollegin in der Nachbarabteilung nicht ausnahmsweise vorgenommen wird, sondern wiederkehrend als ‚kurzer Dienstweg‘ zur Abstimmung genutzt wird, hat man es mit einer informalen Struktur zu tun“ (Kühl, 2016).

Diese personenorientierten Routinen und Gewohnheiten werden oft und etwas verkürzt als Organisationskultur definiert: „So machen wir das hier eben, damit es funktioniert.“

Die Herausforderung besteht jetzt darin, dass bewusste, zielgerichtete Gestaltung einer Organisation nur über das Treffen formaler Entscheidungen gelingt.

Wenn jedoch die formalen Entscheidungen vergleichsweise wenig Gewicht haben und die eingeschliffenen Muster unabhängig von den formalen Entscheidungen weiterleben (bspw. durch die Einarbeitung von neuen Mitarbeiter:innen, denen die eingeschliffene Kultur mit auf den Weg gegeben wird), ist Arbeit an den sich aus der Strategiearbeit ergebenden Aufgaben, die ja formale Entscheidungen sind, schwieriger.

Dazu schreibt Rudolf Wimmer, dass es nicht funktional ist, in der Gestaltung von Organisationsdesigns auf die Personenorientierung (gemeint ist die Orientierung an den Mitarbeiter:innen) zu setzen, da das Organisationsprinzip „Personenorientierung“ „nur bis zu einem gewissen Komplexitätsgrad erfolgreich ist“ (Wimmer, 2019).

Dem folgend „wird damit auf der Personenseite die Illusion genährt, dass die Organisation sich um die eigenen Anliegen und Wünsche herum entwickelt – d. h. die Organisation tritt in den Dienst der Bedürfnisse ihrer Beschäftigten. Diese Illusion hat katastrophale Auswirkungen auf die Organisation“ (ebd.).

Wimmer schließt die Ausführungen mit dem Bezug zu Non-Profit-Organisationen, die aus seiner Perspektive „per se veränderungsresistent [sind], weil sie keinen Aufgabenfokus jenseits der persönlichen Bedürfnisse mobilisieren können“ (ebd.).

In sozialen Organisationen zeigt sich jedoch die Personenorientierung (zu verstehen aus Perspektive der Mitarbeiter:innen und im Gegensatz zur Aufgabenorientierung) an vielen Stellen – von der Gründungsgeschichte sozialer Organisationen basierend auf individuellen Erlebnissen der Gründer:innen über die auf ehrenamtliche Beteiligung angewiesenen Rechtsformen sozialer Organisationen bis hin zur auf die intrinsische Motivation setzende professionelle Identität der in den Sozialen Berufen Beschäftigten.

Im Vorfeld des Vortrags hatte ich ein kurzes Gespräch, in dem ein Mitarbeiter einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung die Hauptproblematik bzgl. gelingender Organisationsentwicklung darin gesehen hat, dass „vor allem die langjährigen Mitarbeiter:innen nicht von ihrem „Expertenstatus“ („Ich weiß, was für die Menschen richtig ist!“) abweichen können!“ Auch dies ist ein wunderbares Beispiel für die vor der Aufgabenorientierung (in diesem Fall Teilhabe ermöglichen) stehende Personenorientierung („Ich weiß, was für dich richtig ist!“).

Noch einmal etwas überspitzt zusammenfasst:

Die Arbeit an den mit der Strategiearbeit verbundenen Aufgaben, das Verfolgen von Zielen, das Suchen nach innovativen Lösungswegen, die klassische ebenso wie die „adaptive Strategiearbeit“ kommen an ihre Grenzen, wenn jede:r macht, was er:sie will.

Wie adaptive Strategiearbeit in sozialen Organisationen gelingt

Abschließend lege ich Handlungsoptionen dar, wie adaptive Strategiearbeit trotz (oder gerade wegen) der skizzierten Herausforderungen gelingen kann.

Den Menschen aus dem Mittelpunkt nehmen

Adaptive Strategiearbeit

Das klingt komisch (und ist bewusst provozierend formuliert). Es ist aber recht einfach erklärt:

Wenn auch soziale Organisationen damit beginnen, die „Menschen aus dem Mittelpunkt“ und deren Verantwortungsbereiche (Rollen oder Mandate) in den Mittelpunkt zu stellen, wird deutlich, dass es in Organisationen um die Erfüllung von Zielen und Zwecken geht. Das ist auch nicht „unmenschlich“, im Gegenteil:

Wenn der:die Mitarbeiter:in als „ganzer Mensch“ in die Organisation inkludiert wird, besteht keine Grenze mehr. Burnout ist vorprogrammiert und völlig logisch. Wenn aber zwischen Mandat und ganzem Mensch unterschieden wird, kann zum einen über die Aufgaben im Mandat und zum anderen – an anderer Stelle, zu anderen Zeiten – über das individuelle Befinden und die „menschliche Seite“ gesprochen werden.

Organisationsbewusstsein entwickeln

Selbstverständlich gehört auch der erste Aspekt – die Trennung zwischen Person und Verantwortungsbereich – zur Entwicklung eines Organisationsbewusstseins. Hier will ich aber weitere Punkte aufführen, die zur Entwicklung eines Organisationsbewusstsein beitragen:

Dazu ist es a) zunächst wichtig, Ziel und Zweck der Organisation bzw. des Bereichs oder der Abteilung bzw. des Teams zu klären und transparent zu machen! Wozu ist die Organisation da? Was ist Kernaufgabe der Organisation? Erst daran orientiert kann „klassische Strategiearbeit“ gelingen. Wenn Ziel und Zweck nicht klar sind, kann nicht daran gearbeitet werden, diesen über die Suche nach geeigneten Mitteln zu erreichen.

Außerdem sollten b) die Entscheidungswege der Organisation geklärt sein und für alle Mitarbeiter:innen verständlich dargelegt werden (dabei muss es sich übrigens nicht nur um „Vorgesetzte“ handeln. Auch selbstbestimmt agierende Teams haben über die Festlegung von Mandaten klare Entscheidungswege). Wer darf was entscheiden? Solange dies unklar ist, kommt es zu einer Verantwortungsdiffusion, die aller Wahrscheinlichkeit nach darin endet, dass keine Entscheidungen getroffen werden.

Ebenso sind c) die Prozesse der Organisation transparent zu definieren, die kausal bearbeitet werden können. Was passiert, wenn in einer Organisation ein bestimmter Impuls auftritt? Zu diesen Prozessen gehören bspw. viele Verwaltungsprozsse, aber auch Prozesse wie die Neuaufnahme von Klient:innen, die Festlegung des Ablaufs von Teamsitzungen oder die Dauer von Iterationen bezogen auf bestimmte Projekte. Wichtig ist, dass erst dann, wenn klar ist, wie Prozesse ablaufen, kann an deren Weiterentwicklung gearbeitet werden.

Sicherlich nicht unbedingt beliebt ist d) die Definition von Konsequenzen, die regeln, was passiert, wenn im jeweiligen Verantwortungsbereich der definierten Verpflichtung nicht nachgekommen wird. Und auch hierbei geht es nicht um willkürliche Sanktionierung, sondern um Transparenz und Klarheit.

Über die Aspekte a – d wird deutlich, was die Organisation von den Mitarbeiter:innen will und was – aus der anderen Perspektive – der:die Mitarbeiter:in von der Organisation erwarten kann. Dieser Klarheit, was Organisationen sind und welche Regeln wie durch wen zu befolgen sind, sind sich viele Menschen in sozialen Organisationen nicht (immer) bewusst.

Verbundenheit herstellen um Komplexität zu gestalten

Das Cynefin-Framework (vgl. näher bspw. hier) unterscheidet vier (bzw. fünf) Arten von Aufgaben:

  1. Einfache Aufgaben: Für Aufgaben dieser Domäne sind Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gut bekannt und klar. Zur Aufgabebearbeitung sind bestehende Best Practices und Standardverfahren, klare Prozesse und Checklisten geeignet.
  2. Komplizierte Aufgaben: Aufgaben dieser Domäne verfügen zwar über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, aber diese sind nicht offensichtlich. Die Bearbeitung dieser Aufgaben benötigt die Expertise von Fachleuten und das Anwenden von analytischem Denken, um eine Lösung zu finden.
  3. Komplexe Aufgaben (worunter auch die agile Strategiearbeit fällt): Komplexe Aufgaben umfassen viele unbekannte Faktoren. Es gibt keine vordefinierten Lösungen. Die Aufgabenbearbeitung benötigt iterative Experimente, Lernen und Anpassung. Tragfähige Lösungen für komplexe Aufgaben zeigen sich erst im Laufe der Zeit. Wichtig ist hier, möglichst viele Perspektiven und damit viele Mitarbeiter:innen miteinzubeziehen.
  4. Chaotische Situationen: Chaotische Situationen sind durch völlige Unordnung und fehlende Kontrolle gekennzeichnet. In solchen Momenten ist es notwendig, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu stabilisieren, bevor man in eine der anderen Domänen wechseln kann.

Zwischen diesen vier (Aufgaben-)Bereichen findet sich im Cynefin-Framework der aporetische Bereich (die „fünfte Aufgabenart). In diesem Bereich befinden sich Probleme, die noch so unklar sind, dass nicht entschieden werden kann, in welchen Bereich sie fallen. Entsprechend geht es hier darum, Fragen zu stellen und zu reflektieren, anstatt nach endgültigen Antworten zu suchen.

Deutlich wird, dass vor allem komplexe Aufgaben die Beteiligung von vielen Menschen voraussetzen, um zu neuen Perspektiven, Ideen, Hypothesen usw. zu gelangen, die dann in iterativen Experimenten getestet werden können. Da Strategiearbeit immer komplex ist (sonst wäre sie unnötig), macht es Sinn, die Mitarbeitendenschaft der Organisation möglichst breit zu beteiligen.

Wichtiger als die breite Beteiligung ist aber der Aspekt, dass Krisen, neue Herausforderungen, Wandel und damit komplexe Situationen und Aufgaben immer Unsicherheit erzeugen. Der Blick in „unsere Gesellschaft“, das Wählerverhalten, die Suche nach eindeutigen (und damit in Komplexität immer falschen) Antworten zeigt dies eindrücklich.

Gleiches gilt in Organisationen: Auch hier erzeugt hohe Komplexität Unsicherheit, die sich oftmals im Erstarren und im Widerstand der Mitarbeiter:innen äußert.

Der erfolgreiche Umgang mit Komplexität hingegen erfordert – den Ausführungen des Cynefin-Frameworks folgend – genau das Gegenteil des Erstarrens: Ausprobieren, Innovation, Experimentierlaune, Mut, Neulernen.

Entsprechend ist es relevant, einen sicheren Rahmen in der Organisation zu schaffen, innerhalb dessen die Mitarbeiter:innen gemeinsam, verbunden über Experimente, an neuen Ideen arbeiten und neue Lösungen hervorbringen können.

Fazit – adaptive Strategiearbeit in sozialen Organisationen

Sehr kurz zusammengefasst braucht erfolgreiche adaptive Strategiearbeit Arbeit an der Arbeit ;-), den Optionen und den Markierungen – in beiden Richtungen. Man merkt sofort: Ganz ohne Arbeit wird es nix mit der Strategie.

In sozialen Organisationen gelingt dies, wenn die Aufgabenorientierung in den Vordergrund gerückt wird.

Dazu braucht es Organisationsbewusstsein, eine Stärkung der formalen Seite der Organisation, Klarheit über die Aufgabenarten sowie Sicherheit und Verbundenheit bei der Beteiligung an der Strategiearbeit!

Quellen

  • Dark Horse Innovation (2023): Future Organization Playbook – Die unverzichtbare Anleitung für innovative Unternehmen in der Transformation. Murmann Publishers.
  • Homer-Dixon, T., Renn, O., Rockstrom, J., Donges, J., Janzwood, S. (2021): A Call for An International Research Program on the Risk of a Global Polycrisis. ID 4058592. Social Science Research Network, Rochester, NY, 2021, doi:10.2139/ssrn.4058592 (ssrn.com [abgerufen am 3. Mai 2022]).
  • Kühl, Stefan (2016): Strategien entwickeln. Wiesbaden: Springer VS.
  • Wimmer, R., von Ameln, F. Agilität, Ambidextrie und organisationale Veränderungskompetenz. Rudi Wimmer über Erbe und Zukunft des Change Managements. Gr Interakt Org 50, S. 211–216, 2019. https://doi.org/10.1007/s11612-019-00458-0.

Wie sind Deine Erfahrungen mit der Strategiearbeit (Entwicklung und Umsetzung) in Deiner Organisation? Lass doch gerne einen Kommentar da oder schreib mir auf den Sozialen Medien (oder hier per Mail).

Mein OKR-Set bis Dezember 2023

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What??? Ein OKR-Set und das bis Dezember 2023 bzw. bis zum Ende des Jahres? Manchen OKR-Profis wird es wahrscheinlich die Haare aufstellen, aber ich muss irgendwie realistisch an meine Entwicklungen rund um IdeeQuadrat rangehen. Denn:

Mein Alltag frisst mich auf.

Und – so zumindest mein Verständnis von OKR – der Alltag gehört nicht in die OKR. Die OKR sind dafür da, meine strategischen Entwicklungen voranzutreiben.

Das kann man anders sehen, je nach Autor:in und Verständnis. Für mich zeigt sich aber, dass es überhaupt wichtig ist, meine Strategie – in kleinen Schritten – zu verfolgen (entsprechend gab es schon länger keine wirkliche Strategieplanung). Ich muss kleinere Brötchen backen, als ursprünglich geplant. Aber besser kleine als keine Brötchen.

Vielleicht stehst Du aber gerade vor der Frage, wovon ich überhaupt spreche? OKR??? OKR ist das Framework, das ich zur Strategielplanung und -umsetzung nutze (bzw. zu nutzen versuche). OKR heißt Objectives and Key Results. Und hier findest Du nähere Infos dazu, falls es Dich (vielleicht auch für Deine Organisation) interessiert.

Vorab noch einmal eine kurze Darlegung, wie ich meine OKR für mich strukturiere.

Meine Struktur der OKR

In meiner letzten Strategieplanung und den Veröffentlichungen dazu (hier ein Einblick) findest Du noch die Überlegung, meine Objectives nach Fokusbereichen zu untergleidern.

Fokusbereiche waren a) New Social Work (mein Kerngeschäft bzw. meine Aktivitäten und Angebote rund um die Organisationsentwicklung sozialer Organisationen, außerdem Fragen zum Geschäftsmodell, Marketing, Wertversprechen und Co.), b) New Social Learning (Aktivitäten zum Aufbau von offenen und internen Weiterbildungsangeboten), die ich mit IdeeQuadrat realisieren will), c) New Social Projects (Angebot zur Begleitung von Organisationen bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Projekten und neuen Dienstleistungen und d) Private (meine persönliche Entwicklung im Rahmen der Selbständigkeit). Zu jedem Bereich habe ich versucht, jeweils ein Objective mit entsprechenden Key Results zu definieren.

Kurz: Das System hat nicht funktioniert. Es war zu viel, neben Arbeit, Familie und dem, was sich irgendwie Leben nennt.

Entsprechend werde ich mich bis Ende des Jahres auf ein OKR-Set fokussieren und darüber versuchen, mich zu beschränken und realistisch zu bleiben. Denn, das haben die letzten Wochen eindrücklich bewiesen:

„Leben ist das, was passiert, während Du andere Pläne machst.“

OKR-Set August – Dezember 2023

Objective: Ich habe einen vollständig automatisierbaren Online-Kurs entwickelt und eingeführt.

KR1: Abschluss der Entwicklung und Bereitstellung aller Kursmodule bis zum festgelegten Stichtag.

KR2: Sicherstellung einer positiven Nutzererfahrung (UX) durch die Durchführung von Usability-Tests mit mindestens 10 potenziellen Teilnehmern und einer Bewertung von mindestens 4 von 5 Punkten.

KR3: Implementierung einer automatisierten Test- und Qualitätskontrollstrategie, um sicherzustellen, dass der Kurs reibungslos funktioniert und Fehler minimiert werden.

KR4: Bereitstellung einer klaren und verständlichen Anleitung für die Teilnehmer, um sicherzustellen, dass sie den Kurs problemlos nutzen können.

Und jetzt bin ich sehr gespannt, wie es mit IdeeQuadrat zum Ende des Jahres aussieht, ich werde berichten…


P.S.: Im Beitrag zu den Objectives and Key Results findest Du auch ein OKR Canvas, das ich zur Entwicklung auch meines OKR-Set genutzt habe.

Die IdeeQuadrat-Strategie 2025, oder: Verführungen am äußeren Rand der Panikzone

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tl:dr: Ich mache mich mit IdeeQuadrat im Jahr 2022 – also jetzt – komplett selbständig. Ich verlasse meine Komfortzone und begebe mich in neue Abenteuer am Rande der Panikzone und weiter. Das ist mit Blick auf die Historie nachvollziehbar: Mit IdeeQuadrat bin ich schon eine Weile unterwegs. Mein Fokus hat sich dabei nicht geändert. Ich bin immer noch und zunehmend überzeugt davon, dass Soziale Organisationen, Bildungseinrichtungen und kommunale Verwaltungen „New Work Vorreiter“ sein können (wenn nicht gar müssen). Und am Rande der Panikzone – in meiner Arbeit – will die Organisationen dahin verführen, ihren Zweck bestmöglich zu erfüllen. Hinzu kommen Bildungsangebote und die Begleitung bei der Projektentwicklung. Kurz: Hier ist meine IdeeQuadrat-Strategie für die kommenden Jahre.

Drei Gründe, warum Objectives and Key Results sinnvoll für soziale Organisationen sind

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Führung mit Zielen oder MbO – Management by Objectives – kennen viele Führungskräfte aus ihrer Führungskräfteausbildung (falls sie eine hatten). Dort haben sie wahrscheinlich davon gehört, dass Anweisung und Kontrolle jetzt nicht so super sind, es aber Sinn macht, den Mitarbeiter* innen Ziele zu geben, die sie dann „eigenverantwortlich“ umsetzen sollen. Eigenverantwortlich heißt in diesem Kontext, dass es sogar egal ist, wie, wann und wo die Ziele umgesetzt werden. Echte Freiheit wird postuliert, endlich können die Mitarbeiter* innen im Sinne des Unternehmens das tun, was sinnvoll ist. Wenn überhaupt einmal im Jahr, in den Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgesprächen, werden die Ziele überprüft, im Extremfall werden Boni ausgeschüttet für „erfolgreiche Zielerreichung“ und dann geht es weiter ins nächste Jahr. Und jede Führungskraft weiß im Inneren genau, dass dieses Theater Quatsch ist:

Ziele werden entweder so verhandelt, dass sie auf jeden Fall erreicht werden oder dass sie schon bei Vereinbarung erreicht wurden. Wenn die Ziele im Laufe des Jahres nicht erreicht werden, wird der*die Mitarbeiter*in für etwas verantwortlich gemacht, das in einem sozialen System immer (!) systemische Gründe hat. In Verbindung mit individuellen Boni wird es übrigens katastrophal, da Mitarbeiter*innen dann ausschließlich für den Boni und nicht mehr für das Team oder die Organisation arbeiten. Und Unvorhergesehenes, wie bspw. eine kleine Pandemie zwischendurch, kann mit den jährlich festgelegten Zielen nicht erfasst werden.

Oder wie hast Du Dir 2020 vorgestellt?

Objectives and Key Results

Open Strategy in der Sozialwirtschaft

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Strategieentwicklung geschieht – leicht überspitzt – so, dass eine Auswahl meist hochrangiger Mitarbeiter* innen, Führungskräfte, Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat… in geschlossenem Kämmerlein sitzen und sich Gedanken um die Zukunft der Organisation machen: Was sind die zukünftig wichtigen Themen, mit denen sich unsere Organisation befassen muss? Wie gelingt es, die strategisch relevanten Themen in Ziele und diese dann in operationalisierbare Teilziele herunterzubrechen? Heraus kommen oft Hochglanzbroschüren mit der neuen Strategie oder die Strategie wird in hübscher Form auf der Homepage präsentiert oder bei der nächsten Jahreshauptversammlung vorgestellt. Vielmehr passiert … genau … nicht.

Wichtig ist also, die Umsetzung der Strategie vor die Aufhübschung der Strategie zu stellen, damit überhaupt etwas passiert. Dazu legt man – so mein Verständnis – Verantwortliche fest, die die einzelnen Themen „unter sich“ haben (klingt immer noch bewusst sperrig). Die Verantwortlichen suchen sich dann die für die Umsetzung wichtigen Menschen im Unternehmen und beginnen, möglichst iterativ, also in kurzen Schleifen, an der Umsetzung zu arbeiten. Gegen dieses Vorgehen der Strategieentwicklung und -umsetzung nicht sonderlich viel einzuwenden. Ich habe dazu schon ein paar Beiträge verfasst.

Open strategy als Kritik an der geschlossenen Strategie

Einzuwenden ist jedoch, dass der Prozess bis zur fertigen Strategie, die Strategieentwicklung also, von wenigen Menschen der Organisation allein, im mehr oder weniger stillen Kämmerlein, im Elfenbeinturm oder in der Einöde (je nach Organisation) durchlaufen wird. Hier setzt der Ansatz „open strategy“ an.

Open Strategy ist die Abkehr von der skizzierten Norm, dass Strategien immer vom oberen Management zu entwickeln sind. Open Strategy ist damit zum einen ein inklusiver und transparenter Ansatz zur Formulierung einer Strategie, bei dem möglichst alle, interne wie externe, Stakeholder der Organisation miteinbezogen werden und zum anderen ein Ansatz zur transparenten Darstellung der Strategie nach außen, um darüber wieder Feedback der Umwelt aufnehmen zu können.

Open Strategy, digitale Transformation und soziale Organisationen

Die Vorteile eines entsprechenden, meist über interne Blogs, Wikis, Enterprise Social Networks (ESN) etc., also IT-gestützten, Prozesses liegen auf der Hand: Es wird das kreative Potenzial aller an einer Organisation interessierten Stakeholder aufgegriffen und mit einbezogen. Strategische Entscheidungen haben darauf basierend deutlich mehr Rückhalt bzw. Akzeptanz im Unternehmen.

Für die hier spezifisch im Fokus stehenden Organisationen der Sozialwirtschaft ergeben sich aus einem möglichst offenen Vorgehen und einer Transparenz in der Darstellung der Strategie mindestens die Aspekte Öffentlichkeit, gesellschaftliche Veränderungen und organisationsinterne Besonderheiten sozialer Organisationen, die beachtenswert sind. Hinzu kommt noch ein kurzer Blick auf Selbstorganisation und den open strategy Ansatz.

Open strategy und öffentliche Interessen an sozialen Organisationen

So ist zum einen das Interesse der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der Politik an den Entwicklungen sozialer Organisationen von besonderer Bedeutung, da soziale Organisationen im Wesentlichen über externe Gelder, Steuergelder etc., finanziert werden. Die Frage also, welche Investitionen bspw. ein Wohlfahrtsverband in Zukunft plant, ist für mehr Menschen von Interesse, als die Frage, ob der Fliesenleger um die Ecke eine gute Auftragssituation hat. Spannend ist dies auch, da in einigen Regionen Deutschlands einzelne Wohlfahrtsverbände bzw. Soziale Träger beinahe als Monopolisten die soziale Versorgung gewährleisten und darüber auch eine enorme Arbeitsmarktrelevanz besitzen. Der Stellenabbau von Mercedes trifft Stuttgart genauso wie die neue Strategie der Caritas in Region XY die jeweilige Region beeinflusst.

Open Strategy und gesellschaftliche Entwicklungen

Zum anderen ist der Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen insgesamt zu richten: Davon ausgehend, dass an dem VUKA-Narrativ irgendwas dran ist, stellt sich die Frage, wie mit zunehmender Komplexität, die zu einer höheren Unsicherheit und Mehrdeutigkeit in Verbindung mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit führt, umzugehen ist. Ja, hier spielt auch die digitale Transformation mit rein, aber eben nicht nur. Digitalisierung, verstanden als eine Möglichkeit, das Leben der Menschen zu verbessern, existiert – gerade aus Blick sozialer Organisationen – nicht „an sich“, sondern entfaltet die Möglichkeiten in der Frage, wie wir in der Nutzung von Technologie das Leben von Menschen wirklich verbessern können. Digitalisierung ist Werkzeug, das wir für unsere Zwecke nutzen können und müssen, nicht Zweck an sich.

Kurz: Der Umgang mit Fragen gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die für Soziale Organisationen viel unmittelbarere Auswirkungen haben als für andere Unternehmen und Funktionssysteme, gelingt nur gemeinsam, im Austausch, im Abgleich der Interessen, in Kooperation, im Wir. Oder noch konkreter: Wer Digitalisierung als ein Strategiefeld der aktuellen Unternehmensstrategie formuliert oder gar eine eigene Digitalisierungsstrategie erarbeiten will, ist gut beraten, nicht die IT-Abteilung (die Digitalisierungsexperten) allein mit der Umsetzung zu beauftragen. Viel sinnvoller ist es, die Entwicklung und Veröffentlichung der eigenen Strategie mit möglichst vielen Interessengruppen gemeinsam in crossfunktionalen Teams zu verwirklichen.

Open Strategy und der Blick in Soziale Organisation

Der Blick in soziale Organisationen zeigt abschließend, dass das Interesse der Mitarbeiter* innen an den Entwicklungen der eigenen Organisation hoch und oftmals höher als in „normalen“ Organisationen ist. Hintergrund sind hier wiederum mindestens zwei Sichtweisen:

Zum einen identifizieren sich die Mitarbeiter*innen in sozialen Berufen stärker über ihren Beruf, ihre Profession. Die Berufliche Identität ist ein viel diskutierter Aspekt in der Sozialen Arbeit. Entsprechend wählerisch sind die Menschen in dem, was die Organisationen als Visionen, Strategien, Werte und Ziele nach außen vermitteln und nach innen leben. Eine Organisation in konfessioneller Trägerschaft tut gut daran, die entsprechenden Werte nicht nur ins Leitbild zu schreiben oder im Verhältnis zu Nutzer *innen, sondern auch im Verhältnis zu den eigenen Mitarbeiter*innen zu leben. Und genauso interessiert sind die Mitarbeiter*innen an der Mitgestaltung der zukünftigen Ausrichtung der Organisation.

Zum anderen findet die Wertschöpfung sozialer Organisationen als „front-line organizations“ an der Basis statt: Der Erzieher am Kind ebenso wie die Beraterin in der Drogenberatung ist Ausweis der Qualität der sozialen Organisation. Die Geschäftsführung leistet – etwas überspitzt – reine Unterstützungsarbeit, damit die Menschen an der Basis ihre Arbeit möglichst gut machen können. Die Menschen an der Basis jedoch nicht (oder kaum) in den Entwicklungsprozess der Strategie mit einzubeziehen, ist fahrlässig. Wiederum das Thema Digitalisierung als Beispiel aufgreifend ist es notwendig, die Fachkräfte mit in die Frage einzubinden, ob und wie digitale Technologien jetzt und in Zukunft zu nutzen sind. Ansonsten wird der Widerstand der Mitarbeiter* innen groß sein.

Open Strategy und Selbstorganisation

Hier noch abschließend ein weiterer Gedanke: Viele Organisationen rufen gerade händeringend nach selbstbestimmt, eigenverantwortlich oder gar autonom arbeitenden Mitarbeiter* innen. Wie jedoch sollten Mitarbeiter* innen selbstorganisiert arbeiten können, wenn ihnen eine Strategie vor die Nase gesetzt wird, an der sie nicht im Ansatz beteiligt waren? Kurz: Selbstorganisation erfordert Transparenz und Beteiligung – das gilt auch für den Prozess der Entwicklung und der Veröffentlichung der Strategie. Nur aus Transparenz und Beteiligung erfolgt dann auch selbstorganisiert Strategieumsetzung.

Die Jungs von „Corporate Rebels“ schreiben zu radikaler Tranparenz:

After visiting 100+ pioneering organizations around the globe we found radical transparency to be an important characteristic of the progressives. Simply, people are more involved, perform better, and have higher trust if their leaders foster a culture of transparency (instead of a traditional culture of secrecy).

Grenzen des open strategy Ansatzes?

Open strategy setzt – in der Entwicklung und der Verbreitung – auf Partizipation und Transparenz. Das leuchtet ein und (hoffentlich) jeder wird die skizzierten Vorteile zumindest intellektuell verstehen (was noch nicht „umsetzen“ bedeutet).

Gleichzeitig zeigt uns Corona gerade, dass viele Notwendigkeiten im Kontext der Digitalisierung sozialer Organisationen „unter Zwang“ umgesetzt wurden. Partizipation war angesichts der unmittelbaren Notwendigkeit der Umstellung auf Distanz, Homeoffice etc. ein irgendwo im Hinterkopf schlummerndes Konzept, das jedoch nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stand. Daraus folgt zumindest die Frage, wo strategische Entscheidungen ohne Beteiligung umzusetzen und die Schmerzen und den Widerstand auszuhalten sind, um dafür wirklich einige Schritte weiterzukommen?

Anders gewendet zeigt sich jedoch, dass Veränderungen, auch und gerade strategische, langfristige und umfassende Veränderungen, immer einen Anlass, ein Anliegen bzw. ein echtes Problem brauchen:

Wir können noch so lange über Digitalisierung reden und theoretisch Digitalisierungsinitiativen fordern. Wenn es eigentlich noch kein Problem gibt, Veränderung also auf Einsicht basieren muss, wird es nicht leicht. Wenn also Kostenträger keine Finanzierung von digitaler Infrastruktur ermöglichen, die Mitarbeiter* innen im Studium kein Wort zur Digitalisierung hören, die Organisationen Faxe verschicken usw. bleibt unklar, warum Digitalisierung wichtig sein sollte. Erst dann, wenn das Problem jedoch unmittelbar an die Tür klopft, wird es notwendig, sich wirklich zu bewegen.

Und dann wiederum macht es mehr Sinn, sich gemeinsam, offen und transparent zu bewegen. Das kann man bspw. durch open strategy Ansätze im Kleinen wie im Großen lernen.

Und wie jetzt?

Abschließend wird in Blogs ja immer gefordert, irgendwelche Handlungsanleitungen mit an die Hand zu geben. Das ist berechtigt, jedoch angesichts der Komplexität des Feldes kaum erfolgsversprechend. So sehe ich auf die Frage „Und wie jetzt?“ die Antwort „Kommt drauf an!“ als leider passend an. Denn es kommt an auf

  • Eure Organisation: Wer seid ihr? Wohin wollt ihr? In welcher Umwelt agiert ihr?
  • die Kultur Eurer Organisationen: Wie offen lebt ihr Beteiligung bislang?
  • Strukturen und bisherige Strategien: Wie funktioniert ihr als Organisation? Wie digital seid ihr?
  • die Zukunft: Wie transparent, partizipativ und offen wollt ihr sein? Und warum überhaupt?

Im bereits zitierten Beitrag auf dem lesenswerten Blog „Corporate Rebels“ heißt es als abschließender Tipp sehr passend:

„Pioneering organizations believe radical transparency is vital, at all levels of the organization and on almost all topics. The starting point is simple: all information should be made public.“

Radical Transparency: Powerful Example of How to Fight a Toxic Workplace

Das ist einfach(er gesagt als getan): Alles öffentlich machen. Und damit auch die Strategie! Auf geht’s…

Und mehr folgt hoffentlich in weiteren Beiträgen zum Thema…


Wie läuft die Strategieentwicklung und -umsetzung bei Euch ab? Wo seht ihr Chancen und Möglichkeiten eines entsprechend offenen Ansatzes der Strategieentwicklung? Und wo sind Grenzen? Diskutiert gerne hier im Blog oder sonstwo im Netz… 😉

Hier könnt ihr Euch übrigens an einen kleinen Austausch zum Thema bei Twitter beteiligen (open, halt…):

Zitiervorschlag: Epe, Hendrik (2020): „Open Strategy in der Sozialwirtschaft“. In: IdeeQuadrat – Beratung, Entwicklung, Inspiration. (Abgerufen unter: https://www.ideequadrat.org/open-strategy-sozialwirtschaft/)

Inspect and Adapt, oder: Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die (Zeit nach der) Krise

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In der Coronakrise wird alles auf den Kopf gestellt: Menschen müssen von zu Hause arbeiten, auch wenn die eigene Organisation nicht im Traum daran gedacht hat, ein HomeOffice Konzept zu erarbeiten. Die Digitalisierung und selbst die Digitalisierung der Sozialen Arbeit, bekommt unfreiwillig einen Boost, den wir mit noch so vielen Vorträgen und Workshops nicht hinbekommen hätten. Menschen müssen Menschen „remote“, also aus der Distanz beraten, begleiten, schützen, fördern, obwohl der analoge Beziehungsaufbau eines der wesentlichen Werkzeuge sozialer Arbeit war, ist (und aller Voraussicht nach bleibt).

Zwangsagilisierung führt zu neuer Organisationskultur

Das ist alles spannend, schön und nett und funktioniert sogar so beängstigend gut, dass wir nach der Krise nicht wieder einfach so zur 8-Stunden Präsenz am Schreibtisch im Büro zurückkehren können, nur damit der Chef oder manchmal auch die Chefin das eigene Gefühl bestätigt sieht, die Schäfchen im Trockenen zu haben aka die Angestellten vor den Bildschirmen sitzen zu sehen.

Auch langwierige, Kaffee- und Keks-geprägte Teamsitzungen, die besser eine E-Mail geworden wären, lassen sich zukünftig nur noch schwer realisieren, wenn es gleichzeitig möglich ist, Veranstaltungen der Sozialen Arbeit mit mehr als 200 Teilnehmer*innen zielführend und komplett online durchzuführen.

Die durch die Krise geforderte Zwangsagilisierung der Organisationen wird neue Organisationskulturen hinterlassen, sofern, ja, sofern die Organisationen noch bestehen.

Denn – auch wenn es hart ist – wird auch dies in der Krise deutlich: Organisationen, die schon vor der Krise hinsichtlich ihrer ökonomischen Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells „auf Kante genäht“ waren, werden nach der Krise nicht mehr existieren. Das trifft, so hart es ist, nicht nur lustige StartUps in Berlin, sondern auch soziale Organisationen.

Lösungsorientierte Kurzzeitstrategie für die Zeit nach der Krise

Entsprechend ist es schon jetzt, während der Krise, relevant, aktuelle, in der Krise aufkommende Probleme anzugehen und Strategien sowie Strukturen Ihrer Organisation für die Zeit nach der Krise, für morgen und übermorgen, zu gestalten.

Das klingt jedoch einfacher als die Bearbeitung dann in der Realität ist.

Denn bislang musste Strategieentwicklung doch irgendwie ein langwieriger Prozess sein, der immer in einer Hochglanzbroschüre endet, die niemand liest, geschweige denn die darin enthaltenen Aspekte umsetzt, oder?

Aktuell brauchen wir eine andere, eine kompakte und radikal lösungsorientierte Vorgehensweise der Strategie- und Organisationsentwicklung.

Strategieentwicklung und -umsetzung anhand von „Inspect and adapt“

Sehr einfach formuliert (und mehr ist es auch tatsächlich nicht) lässt sich das Vorgehen an dem Scrum-Event „Inspect and Adapt“ orientieren:

In diesem Event in der agilen Methode Scrum prüft (inspect) das Team nach jedem Sprint, also jeder iterativen Schleife, wo es aktuell steht und was erreicht wurde. Dabei werden Aspekte deutlich, die zu verbessern sind, noch fehlen, die Schmerzen bereiten oder auch unbedingt in die Zukunft geführt werden sollten.

Entsprechend werden Maßnahmen zur Umsetzung der Veränderungen vereinbart (adapt).

Dieses einfache Vorgehen lässt sich für die Strategie- und auch einige Aspekte der Organisationsentwicklung wie folgt adaptieren (adapt, haha…):

1. Den Status Quo und aktuelle Erkenntnisse erfassen (inspect)

Das klingt immer so lapidar: Natürlich bist Du als Führungskraft im Status Quo drin. Du siehst doch das Chaos um dich herum. Und von Problemen hast Du echt genug. Warum also damit beginnen, den Status Quo und damit die Erkenntnisse (ein anderes Wort für Probleme, aber eben auch für Innovationen) zu erfassen?

Weil es enorm wichtig ist, gerade in der Krise (oder spätestens kurz danach) einen Schritt zurück zu treten und genau zu beleuchten, was denn jetzt gerade vorgefunden wird. Hilfreiche Fragen dazu sind:

  • Wie sieht der Status Quo aus?
  • Wo genau liegen unsere aktuellen Schwierigkeiten und Probleme?
    • Als hilfreiches Tool zur Orientierung greife ich in Beratungen gerne auf das St. Galler Management Modell zurück, da es sehr ganzheitlich die Organisation in den Blick nimmt und nichts vergessen wird.
    • Leistungserbringung (bspw. Geschäfts-, Führungs- und Unterstützungsprozesse, Strategie, Struktur, Personal, finanzielle Ressourcen…)?
    • Anstehende Entscheidungen (bspw. bezogen auf das Personal, auf Investitionen, Projekte, zeitliche Fristen…)
    • Interne Kommunikation (bspw. Meetingkultur, Home Office…)
  • Was läuft gerade außerordentlich gut (bspw. Solidarität, Kooperation)?
  • Lassen sich Muster erkennen?

Praxistipp: Wo sammelt ihr in deiner Organisation aktuelle Fragen, Probleme und neue Ideen, die nicht unmittelbar angegangen werden können, aber auch nicht verloren gehen dürfen?

Da Du jetzt sicherlich irgendwie digital arbeitest, macht es Sinn, an einem Ort (bspw. in deinem Notizprogramm, Evernote, OneNote o.ä. oder als Team) eine Themensammlung aufzumachen. Diese kann beim nächsten Strategiereview durchgegangen werden.

2. Ableitung von Hypothesen

Spannungen, Probleme, Herausforderungen aber auch neue Praktiken und Innovationen gibt es gerade angesichts der aktuellen Krise zuhauf. Diese, positiven wie negativen, teilweise Widersprüchen Entwicklungen, zu erkennen, ist gut und wichtig. Ohne Konflikte und Dissens jedoch ist das Treffen von guten Entscheidungen schwer möglich.

  • Aber wie stehen die Herausforderungen und Konflikte, die Spannungen etc. zu Ihrer Arbeit, zu Deiner Organisation oder noch globaler: zum Zweck der Organisation?
  • Und was lässt sich daraus ableiten? Was ist zu tun, um die Probleme zu bewältigen und was ist zu tun, um die Innovationen zu bewahren? Und natürlich:
  • Welche Chancen lassen sich erkennen und welche Lösungsansätze werden gesehen?

Diese Fragen sind Teil des 2. Schritts:

Der Bewertung der unter Schritt 1 gewonnenen Aspekte und der Ableitung daraus gewonnener Erkenntnisse, neuer Ideen und Praktiken.

Dabei ist es relevant, jede Spannung, Herausforderung und neue Idee kurz in den Blick zu nehmen und eine Hypothese abzuleiten: „Wenn wir dies tun, passiert dies.“ „Wenn dieses Szenario eintritt, kommt es zu folgenden Auswirkungen.“ „Wenn wir uns um dieses Thema nicht kümmern, passiert dies.“ Es gilt hier, verschiedene Szenarien, Ideen für den jeweiligen Aspekt, zu entwickeln.

Und auch dieser Schritt muss nicht in langen Diskussionen enden, sondern kann sehr schnell gehen 😉

3. Iterativ testen, was wie wirklich wirkt (adapt)

Für die in Schritt 1 gesammelten und anhand der Kategorien des St. Galler Management Modells systematisch geordneten durch die Krise entstandenen Aspekte, die sich ggf. auch in Clustern abbilden lassen, wurden in Schritt 2 Hypothesen gebildet, die in Schritt 3 getestet werden:

  • Treten die in den Hypothesen formulierten Vorannahmen ein oder nicht?
  • Welche erwünschten oder auch unerwünschten Nebenwirkungen treten ein?
  • Welche überhaupt nicht berücksichtigten Wirkungen treten ein?
  • Was lässt sich daraus ableiten?

Um aber diese Fragen beantworten zu können, ist es wichtig, für die einzelnen Themenbereiche Verantwortliche festzulegen, die sich um die Umsetzung der Themen kümmern. Wieder mache ich gerne den Vergleich zu Scrum auf: Die Verantwortlichen lassen sich mit den „Product Ownern“ vergleichen: Sie müssen nicht selbst das Ergebnis umsetzen, sondern sind vielmehr verantwortlich dafür, dass die Umsetzung angemessen und im Sinne der Organisation läuft.

Die Verantwortlichen sollten sich ein passendes Team suchen, das die für die Umsetzung notwendigen Kompetenzen mitbringt. Hier macht es deutlich mehr Sinn, auf Freiwilligkeit zu setzen. Zwang senkt die Motivation, aber dazu muss man nicht so viel sagen.

Du solltest nur ebenfalls bei den sog. „Zuständigkeiten“ vorsichtig sein. Derjenige, der für Thema XY zuständig ist, muss in der aktuellen Krise nicht der Beste für das Thema sein. Denn aktuell werden viele Einrichtungen so durchgeschüttelt, dass sich auch die angeblich strukturgebenenden Zuständigkeiten neu mischen (müssen).

Wer für was zuständig ist, lässt sich nicht mehr einfach sagen. Und diese Unsicherheit gilt es auszuhalten.

(Virtuelle) Rahmenbedingungen

Kurzzeitstrategie

Noch ein paar kurze Infos, wie ich die Begleitung bei den vorgestellten Punkten aktuell online sicherstelle (was natürlich auch einfach kopiert werden kann ohne Begleitung):

Da analoge Treffen aktuell eher schwer möglich sind und im kompletten Führungskreis einer Organisation auch nicht sinnvoll erscheinen, arbeite ich natürlich digital. Die Möglichkeiten sind faszinierend und – ein paar Aspekte (stabiles Netz bspw.) vorausgesetzt, nicht so kompliziert.

Ich arbeite mit Bluejeans als tool für die Videokonferenz. Parallel dazu baue ich eine Online-Whiteboard mit Mural, einer für die Basics kostenfrei gut nutzbaren App zur Visualisierung von Arbeitsergebnissen.

Damit gelingt die Kommunikation mit Blick in die Augen und gleichzeitig die Visualisierung der Diskussion und der Ergebnisse.

Zeitlich sind aus der bisherigen Erfahrung Sitzungen mit drei Mal zwei Stunden Länge sinnvoll: Zwei Stunden sind lang genug, um einzuchecken, Nebengespräche zu führen und gut digital zu arbeiten. Sie sind aber auch kurz genug um die Fokussierung, die bei den Videokonferenzen krass ist, aufrecht zu erhalten. Und die Durchführung anhand von drei Sitzungen ermöglicht die Reflexion zwischen den Sitzungen.


Macht das für Deine Organisation Sinn? Dann kurz anrufen oder ne Mail schreiben. Ich freu mich auf Dich und Deine Einrichtung!

Prinzipien agiler Strategieentwicklung

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Gefühlt wird alles irgendwie agil. Unser Omma war lange agil und die Organisation soll zumindest irgendwann mal agil werden. Ihre auch, oder? Und jetzt auch noch die Strategie?

Mit diesem Einleitungssatz will ich nur hervorheben, dass mir die Diskussionen um den inflationär verwendeten Begriff sehr bewusst sind. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, den Begriff zu verwenden, solange klar definiert ist, worüber gerade gesprochen wird.

Agilität: Individuum, Produkt oder Organisation?

Ich unterscheide hier zwischen den drei Ebenen Individuum, Produkt (bzw. Dienstleistung) und Organisation.

Ebene Individuum: Beim Individuum steht unser schon angesprochene Omma im Vordergrund, oder kurz: Menschen können agil sein.

Ebene Produktentwicklung: Beim Produkt steht die Produktentwicklung und Umsetzung mittels Methoden des agilen (Projekt-)Managements im Vordergrund (Design Thinking, Scrum, Kanban und Co. lassen sich hier verorten).

Ebene Organisation: Und bzgl. der Organisation geht es um die Anpassungsfähigkeit der Organisation an sich zunehmend schneller verändernde, unsichere und mehrdeutige Umwelten. Hier steht die Frage im Vordergrund, wie mit zunehmender Komplexität umgegangen werden kann.

Agile Strategieentwicklung?

Und wo, bitte, fügt sich die Strategieentwicklung in diesem Kontext ein? Ohne hier in die Tiefe gehen zu wollen, lohnen sich zur Definition die Ausführungen von Stefan Kühl dazu:

„Aus einer systemtheoretischen Perspektive bezeichnet Strategie das Suchen nach geeigneten Mitteln zur Realisierung eines vorher definierten Zwecks. Strategieformulierung (oder Strategieentwicklung) wäre aus dieser Perspektive der Prozess der Suche nach dem geeigneten Mittel (…). Strategieumsetzung (…) wäre der Prozess des Einsatzes der als geeignet identifizierten Mittel, um den vorher definierten Zweck zu erreichen. Das, was quasi im Schatten der offiziellen Suche nach Mitteln zur Erreichung eines festgelegten Zwecks abläuft, würde man als Prozess der Strategieformulierung bezeichnen“ (Kühl, 2016, 9f).

Ich würde nur ergänzen, dass bei der Strategie einer Organisation oft mehrere Zwecke in den Blick genommen werden: Der Zweck „Digitalisierung“ steht unter anderem ebenso im Fokus wie der Zweck „Personalentwicklung“ oder „Nachhaltigkeit“ (hoffentlich).

Definition der Zwecke

Wichtig für die Strategieentwicklung und -umsetzung ist, dass die Zwecke (oder Ziele) sehr präzise spezifiziert werden müssen. Nur so lässt sich feststellen, ob sie erreicht wurden oder nicht:

„Dafür muss der Inhalt (Was soll erreicht werden?), das Ausmaß (Wie viel soll erreicht werden?), der zeitliche Rahmen (Wann soll etwas erreicht werden?), der personelle Bezug (Wer ist verantwortlich, dass der Zweck erreicht wird?) und der räumliche Bezug (Wo soll er erreicht werden?) bestimmt werden“ (ebd., 10).

Kühl schreibt in seinem lesenswerten Buch weiter, dass es häufig wichtig ist, nicht nur nach Mitteln für zu definierende Zwecke, sondern in der Organisation auch nach Zwecken für vorhandene Mittel zu suchen. Die Methode Effectuation kommt ins Blickfeld. Das soll hier aber nicht Thema sein.

Anpassungsfähige Strategieentwicklung und -umsetzung

Thema ist vielmehr, wie es gelingt, die Strategieentwicklung und -umsetzung so zu gestalten, dass schnell und anpassungsfähig für die Organisation gute Ergebnisse erzielt werden können und die Strategie damit nicht nur Hochglanzpapier bleibt und von der Realität schneller überholt wird, als sie gedruckt werden kann, oder, um der Definition zu folgen: Wie gelingt es, die Mittel für die Zwecke (oder umgekehrt) schnell und passgenau zu finden und umzusetzen?

Hier kommen Methoden des Projektmanagements zum Einsatz, da die von Kühl gestellten Fragen aus meiner Perspektive wunderbar für ein Projekt anwendbar sind:

  • – Was soll erreicht werden?
  • – Wie viel soll erreicht werden?
  • – Wann soll was erreicht werden?
  • – Wer ist verantwortlich, dass der Zweck erreicht wird?
  • – Wo soll er erreicht werden?

Da alle Aspekte offen sind und auch die Frage, was erreicht werden soll, oftmals eher vage, denn sehr konkret beantwortet werden kann, ist ein agiles Vorgehen in der Entwicklung und Umsetzung zu bevorzugen.

Agile Strategieentwickung und -umsetzung konkret

In einem konkreten Fall der Strategieentwicklung mit einer sozialen Einrichtung (Träger unterschiedlicher Organisationen, knapp 1.000 Mitarbeiter*innen) haben wir in einem zweitägigen Einstiegsworkshop mit der Führungsebene der Organisation die zu erreichenden Zwecke im Sinne von Strategiefeldern definiert und dabei auch direkt auf die vorhandenen Mittel geschaut: Worin ist die Organisation bereits gut und was lässt sich daraus für die Zukunft ableiten?

Erarbeitet wurden in dem Workshop sieben Strategiefelder, von der Digitalisierung über Personal- bis hin zur Produktentwicklung. Ohne dies explizit zu benennen, lief für die Erarbeitung der Strategiefelder im Hintergrund die Gliederung des „Product Vision Boards“ mit: Wer ist Zielgruppe des jeweiligen Strategiefelds? Was sind deren Bedarfe? Welche Anforderungen hat das jeweilige Strategiefeld? Welche Zielsetzungen sind mit der Arbeit am Strategiefeld für die Organisation konkret verbunden?

Jedem Strategiefeld hat sich eine Führungskraft im Sinne des „Product Owners“ zugeordnet. In je dreimonatigen „Strategie-Sprints“ gemeinsam mit selbst zusammengestellten, hierarchieübergreifenden Teams wurde dann an der Umsetzung gearbeitet.

Das Arbeitsergebnis der verschiedenen Teams ist – naturgemäß – unterschiedlich. Insgesamt, für die Kürze der Zeit, aber beeindruckend. Aktuell bereiten wir den zu Beginn des kommenden Jahres anstehenden Strategiereview vor, der – ähnlich einer Retrospektive – wiederum in einem zweitägigen Workshop die Strategiefelder auf den Prüfstand stellt, Ergebnisse feiert und Anpassungen vornimmt. Ich freu mich drauf.

Werte der agilen Strategieentwicklung

Im Manifest für Agile Softwareentwicklung sind die folgenden vier Werte festgeschrieben:

  • – Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
  • – Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
  • – Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
  • – Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

Wie aber lassen sich diese Werte an die Strategieentwicklung angleichen? Aus meiner Sicht wäre folgendes denkbar:  

  • – Umsetzung relevanter Themen mehr als langwierige Entwicklung der Strategiefelder
  • – Partizipation und Akzeptanz mehr als Öffentlichkeitswirkung
  • – Spüren und Antworten mehr als Vorhersagen und Kontrollieren
  • – Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans

In einem folgenden Beitrag werden ich näher auf diese Werte und meine dahinterstehenden Überlegungen eingehen, um zu verdeutlichen, was damit im Kern gemeint ist (und wo noch Entwicklungen notwendig sind).

Prinzipien der agilen Strategieentwicklung

Die Werte im agilen Manifest werden auf 12 Prinzipien agiler Arbeit heruntergebrochen. Wenn Du Dich für die ursprünglichen Prinzipien interessierst, kannst Du diese hier nachlesen. Das lohnt sich grundsätzlich, um agiles Arbeiten zu verstehen. Diese Prinzipien sind natürlich auf die Softwareentwicklung ausgerichtet.

Aber wie lassen sich die Prinzipien auch auf die Strategieentwicklung umbrechen? Was kommt dabei heraus? Das versuche ich im Folgenden:

Prinzip 1: Unsere höchste Priorität ist es, den Zweck des Unternehmens durch kontinuierliche Umsetzung der in den Strategiefeldern spezifisch formulierten Anforderungen zu erfüllen.

Prinzip 2: Änderungsnotwendigkeiten der in den Strategiefeldern formulierten Anforderungen werden zu jedem Zeitpunkt willkommen geheißen. In der agilen Strategieentwicklung und -umsetzung werden Veränderungen der Anforderungen im Sinne der Zweckerfüllung der Organisation bewertet.

Prinzip 3: Die Umsetzung und gemeinsame Überprüfung der in den Strategiefeldern formulierten Anforderungen erfolgt iterativ in kurzen, maximal dreimonatigen Sprints.

Prinzip 4: Für die Umsetzung der in den Strategiefeldern formulierten Anforderungen bilden sich Teams, die aus fachlicher Perspektive die Umsetzung gewährleisten können.

Prinzip 5: Die Teams für die Umsetzung der in den Strategiefeldern formulierten Anforderungen arbeiten und entscheiden autark.

Prinzip 6: Die Teams kommunizieren während der Strategiesprints regelmäßig (und möglichst von Angesicht zu Angesicht).

Prinzip 7: Nach jedem Sprint wird eine Retrospektive durchgeführt, in der Herausforderungen und Umsetzungsschwierigkeiten angesprochen werden. Neue Teamzusammensetzungen sind möglich.

Prinzip 8: Halb soviel aber doppelt so gut!


Es ist auch hier notwendig, die Prinzipien zu spezifizieren. Wie gesagt, das erfolgt in einem nächsten Beitrag. Entsprechend siehst Du:

Es passt (noch) nicht perfekt und es ergeben sich sicherlich Fragen und Veränderungen im Verlauf der Strategieentwicklung und -umsetzung anhand des skizzierten Vorgehens.

Für die im obigen Beispiel angesprochene Organisation und die dabei beteiligten Mitarbeiter*innen und Führungskräfte hochgradig spannend sind aber die bisher, innerhalb eines Jahres, erreichten Ergebnisse: Wer Organisationen kennt, oder besser noch:

Wer soziale Organisationen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen kennt, weiß, dass ein Jahr kein wirklich langer Zeitraum ist.

Kurzes Fazit:

Auch wenn sich vielleicht an agile Methodenfreaks an den Ausführungen aufhängen werden (oder sich im Grabe herumdrehen, je nach zeitlicher Perspektive), ist aus der Umsetzung in sozialen Organisationen für mich jedoch klar erkennbar, dass die oben skizzierten (und nach auszuformulierenden) Werte und Prinzipien agilen Vorgehens bei der Strategieentwicklung hochgradig hilfreich sind.

Es geht nicht mehr um die oftmals völlig an den Haaren herbeigezogene Vorhersage von ggf. niemals zutreffenden Entwicklungen. Es geht nicht mehr um das Erzwingen von Zuständen, die nicht der Organisation, ihrem Wesen und Zweck entsprechen.

Es geht vielmehr darum, die Strategieentwicklung und vor allem die Strategieumsetzung dazu zu nutzen, zu spüren, wo welche wirklich wichtigen Bedarfe der Organisation zum jeweiligen Zeitpunkt liegen. Daraus resultiert eine Kontinuität im Zusammenspiel aus Entwicklung und Umsetzung, die in Zeiten zunehmender Komplexität unabdingbar ist.


Ich bin aber schon jetzt gespannt, was das bei Dir und bei Euch auslöst. Entsprechend freue ich mich auf die Kommentare: Wo seht ihr Schwierigkeiten? Wo steht ihr in der Strategieentwicklung? Welches sind Themen, die aufgegriffen werden müssen? Und vor allem, wie würdet ihr die oben skizzierten Werte und Prinzipien anpassen?

Strategieentwicklung für zeitgemäße Organisationen: Warum der Fokus auf die Digitalisierung allein gefährlich ist

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Das Leben ist eins der Schwersten. Als Entscheider*in, als Führungskraft und Managerin ist es heute mehr als relevant, „die“ Digitalisierung auf dem Schirm zu haben. Sie brauchen digitale Kompetenz als Mensch, Sie brauchen Digitale Führungsfähigkeiten im Sinne eines digital leaderships, Sie müssen digital kommunizieren und selbstverständlich muss Ihre Organisation digital fit sein – whatever that means – um in der digitalen Transformation nicht unterzugehen. In diesem Gewusel habe ich selbst vor Kurzem noch geschrieben, dass es digitaler Strategien für Ihre Organisation bedarf und ich stehe immer noch dazu. Sogar auf meinem Laptop steht der Spruch „Digitalisiert’s eich!“

Und gleichzeitig schreibe ich hier, dass der Fokus auf das Thema Digitalisierung gefährlich sein soll?

Der Fokus auf die Digitalisierung allein ist gefährlich?

Spätestens hier bedarf es einer Erläuterung: