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Das GRPI-Modell zur Teamentwicklung

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In meiner Arbeit in sozialen Organisationen habe ich es in den allermeisten Fällen mit Teams zu tun. Und in den wiederum allermeisten Fällen geht es darum, die Zusammenarbeit der Menschen in den Teams zu verbessern – durch die Einführung von Strukturen der Selbstorganisation, durch das Finden eines gemeinsamen Zwecks, durch die Entwicklung von Leitlinien, die Klarheit und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit schaffen sollen und so weiter und so fort… Aber vor der Einführung von neuen Strukturen, Methoden und Co. steht die Frage: Wo liegen eigentlich die Probleme genau, die behoben werden sollen? Um diese Frage zu klären, nutze ich unter anderem gerne das GRPI-Modell.

Dieses einfache, aber wirkungsvolle Modell will ich im Folgenden vorstellen. Dabei werde ich zunächst darlegen, was das Modell ist, um dann zu beschreiben, wie ich damit arbeite. Vielleicht ergeben sich daraus ja hilfreiche Optionen für die Arbeit in deinem Team und/oder Deiner Organisation?

GRPI-Modell – was ist das eigentlich?

Das GRPI-Modell wurde vom amerikanischen Organisationstheoretiker Richard Beckhard im Jahr 1972 entwickelt. Damit an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zum 50sten Geburtstag!

Das Modell lässt sich dazu verwenden, Ursachen von Problemen und Funktionsstörungen in Teams zu diagnostizieren.

Basierend auf der Diagnose kann dann die Effektivität, Produktivität, Qualität und die Effizienz der Teams gesteigert werden.

Das Modell nimmt die vier Schlüsseldimensionen Ziele (Goals), Rollen (Roles), Prozesse (Processes) und Beziehungen (Interpersonal Relationships) in den Blick, die aus Perspektive von Beckhard Konflikte in Teams verursachen, sofern diese nicht klar und transparent sind.

Sehr einfach stellt das Modell die folgenden Fragen:

  • „Tun wir die richtigen Dinge?“ (Goals)
  • „Tun die richtigen Menschen die richtigen Dinge?“ (Roles)
  • „Tun wir die richtigen Dinge richtig?“ (Processes)
  • „Tun wir die richtigen Dinge miteinander richtig?“ (Interpersonal Relationsships)

Etwas differenzierter ist unter den vier Dimensionen Folgendes zu verstehen:

  • Goals (Ziele) fragt nach dem Zweck des Teams: Wozu existiert das Team und was ist dessen Existenzberechtigung? Was soll es erreichen? Dabei geht es außerdem, darum, wer die Stakeholder des Teams sind, wer also was von den Ergebnissen des Teams hat.
  • Roles (Rollen) nimmt die Verteilung der Aufgaben im Team in den Blick. Dabei steht vorab die Frage im Zentrum, welche unterschiedlichen Rollendefinitionen es im Team gibt und wie klar oder wie unklar diese formuliert sind?
  • Processes (Prozesse) fokussiert auf die Arbeitsabläufe, Arbeitsmethoden, Regeln und Vorgaben, an denen sich das Team in seiner Arbeit orientiert. Wiederum steht im Zentrum, ob und wie klar diese Konditionalprogramme (wenn-dann-Regeln) formuliert sind und wie effektiv bzw. effizient diese sind.
  • Interpersonal Relations (Beziehungen) fragt nach der Atmosphäre im Team: Wie wird das Miteinander, der Teamgeist, Zusammenhalt und das gemeinsame Vertrauen bewertet und wo liegen Interventionsnotwendigkeiten?

Interessant an dieser Stelle finde ich die Überschneidung zu den Ergebnissen der Aristotle-Studie von Google, zu der Du hier mehr Informationen findest. Nur kurz:

In der Studie wurden etwa 180 Google-Teams untersucht, um Muster zu finden, die zeigen, warum einige Teams scheitern, während andere Bestleistungen erreichen. Relevant für gute Zusammenarbeit im Team ist demnach, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen und der Umgang miteinander respektvoll und geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit ist (Interpersonal Relationsships). Außerdem sind Klarheit und Struktur relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit (Goals, Prozesses, Roles).

Arbeiten mit dem GRPI-Modell

Zu Beginn habe ich geschrieben, dass ich das Modell implizit oder explizit in meiner Arbeit mit Teams nutze.

Implizit meint, dass ich es bei bestimmten Themenstellungen einfach „in meinem Kopf“ als Hintergrundfolie mitlaufen lasse:

  • Was ist das für ein Team, das ich hier vor mir habe?
  • Wo könnten Fragen liegen, die das Team beschäftigen?
  • Wie agieren die Teammitglieder miteinander?
  • Wo – an welcher Stelle des GRPI-Modells – liegen die größten Herausforderungen?

Basierend darauf entwickeln sich dann Hypothesen, die ich durch gezielte Nachfragen teste, um daraus für das Team, aber auch für mich bessere Handlungsoptionen zu generieren.

Explizit meint, dass ich das GRPI-Modell zu Beginn einer Zusammenarbeit als Grundlage für die Analyse des Teams nutze.

Dazu stelle ich – bspw. in einer Teamklausur – das Modell in einem ersten Schritt kurz vor und erläutere den Nutzen und die im Folgenden dargelegten Fragestellungen. Es ist von Vorteil, dass das Modell einfach zu verstehen ist. Und gleichzeitig ist zu betonen, dass es ein Modell ist und entsprechend niemals die komplexe Realität eines Teams vollständig erfassen kann.

An die Vorstellung des Modells anschließend werden die vier Dimensionen des Modells in der Tiefe beleuchtet. Dabei nutze ich die folgenden Fragestellungen.

Goals

Unklare Ziele und ein unklares Verständnis der gemeinsamen Ausrichtung und des Zwecks – den „purpose“ – des Teams führen zu enormer Ineffizienz und bieten ein großes Konfliktpotential.

Entsprechend gilt es, ein gemeinsames Verständnis von Zielen und dem Zweck des Teams zu generieren. Dazu sollte sich jedes Teammitglied zu Beginn allein und dann in Kleingruppen und abschließend des Gesamtteams über die folgenden Fragen verständigen (angelehnt an die Methode 1 – 2 – 4 – all aus den Libertin Structures):

  • Was ist der Zweck unseres Teams? Welchen Zweck wollen wir für wen erreichen?
  • Was genau soll das Ergebnis für die Nutzer_innen sein? Was wird sich für die Nutzer_innen verändert haben, wenn wir unser Ergebnis erreicht haben?
  • Wie messen wir unseren Fortschritt? Welche messbaren oder beobachtbaren Indikatoren legen wir an?
  • Welche Ziele, die wir erreichen wollen, leiten sich aus dem Zweck ab? Wie unterteilen wir die Ziele in Teilziele? Wie und wie oft finden Retrospektiven bezogen auf unsere Ziele und Teilziele statt?
  • Stehen unsere Ziele und die Art, wie wir an den Zielen arbeiten noch im Einklang mit unserem Umfeld? Werden die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Stakeholder erfüllt?
  • Stehen alle im Team hinter unseren Zielen?

Roles

Ein klarer Zweck und daraus abgeleitete Ziele allein reichen noch nicht aus, um wirklich gut zusammen arbeiten zu können.

Wenn die Struktur des Teams sowie die Rollen und Verantwortungsbereiche unter den Teammitgliedern nicht klar sind und außerdem den Kompetenzen der Rolleninhaber_innen entsprechen, ergeben sich Probleme, Konflikte und Schuldzuweisungen.

Insbesondere stelle ich in der Arbeit mit Teams fest, dass Konflikte häufig auf sich überschneidende Verantwortungsbereiche zurückzuführen sind, die zu Machtkämpfen zwischen den Rolleninhaber_innen führen können.

Die Beantwortung der folgenden Fragen kann Klarheit über die Gestaltung funktionaler Rollen und Verantwortungsbereiche im Team bringen:

  • Welche Aufgaben fallen bei uns an, um unsere Ziele zu erreichen? Tragen die Aufgaben dazu bei, unsere Ziele zu erreichen oder beschäftigen wir uns vornehmlich mit uns selbst bzw. den internen Referenzen der Organisation?
  • Wer soll was tun? Wer ist für welche Aufgaben verantwortlich? Wer in unserem Team hat welche Befugnisse?
  • Sind unsere Rollen klar beschrieben und verstehen alle im Team ihre eigenen Rollen und Verantwortungsbereiche? Sind sich alle Teammitglieder über die Rollen und Verantwortungsbereiche der anderen Teammitglieder im Klaren?
  • Sind alle Teammitglieder mit ihren Rollen und Verantwortlichkeiten zufrieden? Passen die Rollen der einzelnen Teammitglieder mit ihren persönlichen Ambitionen (Wollen) und Fähigkeiten (Können) zusammen?

Processes

Unter den Prozessen sind alle formal beschriebenen (Routine-)Vorgänge (Konditionalprogramme) zu verstehen, die dem Team ermöglichen, Entscheidungen zu treffen, Konflikte zu lösen, Informationen auszutauschen etc.

Klar definierte und beschriebene Prozesse ermöglichen eine wirksame Zusammenarbeit bei der Problemlösung sowie eine offene Kommunikation.

Und die meisten Teams sozialer Organisationen, die ich kennenlernen durfte, verfügen nicht über ein klar definiertes Set an Prozessen, um ihre Routinetätigkeiten effizient zu organisieren.

Helfen können die folgenden Fragen:

  • Haben wir klar definierte Regeln und Vorgehensweisen für die Bearbeitung der Wertschöpfung der Norm (Routinen)?
  • Auf welche Weise teilen und speichern wir Informationen (bspw. aus Teamsitzungen)?
  • Wie gehen wir vor, wenn wir in einer Sache nicht einer Meinung sind und keine gemeinsame Basis finden können?
  • Wie bilden wir die „Schnittstelle“ zur Außenwelt? Wie sammeln wir irritationsrelevante Informationen und geben sie weiter? Wie gehen wir mit Einmischungen von außen um?
  • Wie gut sind wir in der Lage, Regeln für nicht standardisierte Themen (Wertschöpfung der Ausnahme) zu finden?

Interpersonal Relations

Teams sind keine Maschinen und lassen sich entsprechend nicht wie Maschinen denken, geschweige denn „steuern“.

Entsprechend gilt es, die Art und Weise, wie die Teammitglieder miteinander und mit der Gemeinschaft umgehen, in den Blick zu nehmen. Sie hat einen großen Einfluss auf den Geist, die Atmosphäre, die Teamkultur, das emotionale Wohlbefinden und die allgemeine Effektivität des Teams.

Hier lohnt wieder der Blick auf die Studie von Google, die dem Thema „Umgang miteinander“ enorme Bedeutung zuweist, wenn es um das Funktionieren von Teams geht:

Wie oben kurz angedeutet hing der Erfolg der Teams und damit die gute Zusammenarbeit nicht an der Zusammensetzung der Teams oder dem Führungsstil der Vorgesetzten und ebensowenig daran, dass ein bestimmter Persönlichkeitstyp in den Teams vorherrschend war („Wir brauchen nur die richtigen Menschen!“). Der Erfolg der Teams hing auch nicht daran, ob diese selbstbestimmt agierend, mit wenigen Hierarchien oder – ganz traditionell – streng „top down“ geführt waren. Relevant für gute Zusammenarbeit im Team war laut der Studie, wie die Teammitglieder miteinander umgingen: In guten Teams kamen alle zu Wort, der Umgang miteinander war respektvoll, geprägt von Sicherheit und Verlässlichkeit. Klarheit und Struktur war relevant sowie ein Empfinden von Sinn und Selbstwirksamkeit.

Damit rücken hier die folgenden Fragen in den Blick:

  • Wie interagieren die Teammitglieder miteinander?
  • Wie sehr unterstützen sie sich gegenseitig?
  • Gibt es eine solide Grundlage für gegenseitiges Vertrauen? Wie viel Vertrauen besteht zwischen den Teammitgliedern?
  • Wie steht es um die psychologische Sicherheit im Team?
  • Wie respektvoll ist die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern sowie zwischen Teammitgliedern und Führungskraft?
  • Wie ist die allgemeine Atmosphäre innerhalb des Teams?
  • Wie viel zwischenmenschliche Konflikte gibt es und wie wird damit umgegangen?

An dieser Stelle ist es relevant zu betonen, dass sich Probleme und Konflikte zwar in den allermeisten Fällen auf Ebene der Interpersonal Relations zeigen, diese aber fast immer ihren Ursprung in unklaren Strukturen, Prozessen oder dem Zweck des Teams haben.

Entsprechend gilt der Grundsatz:

„change the System – not the people!“

Fazit

Ich hoffe, dass Dir das Modell und die Fragen helfen, Dein Team besser zu verstehen und vielleicht sogar die richtigen Interventionen an der richtigen Stelle vorzunehmen? Eine Rückmeldung zu Deiner Arbeit mit dem Modell würde mich sehr freuen – gerne direkt in den Kommentaren!

Eine Intervention kann sein, Leitlinien für die Teams zu erarbeiten. Dabei kann das GRPI-Modell gut als Gliederung dienen. Mehr zur Erarbeitung von Leitlinien in Teams findest Du hier.

Das GRPI-Modell ist ein – genau – Modell. Es hilft, die komplexe Realität zu vereinfachen und sprachfähig zu werden. Es ist aber nicht die Realität. Es eignet sich aus meiner Sicht sehr gut, ein tieferes Verständnis der Funktionalitäten und der Dysfunktionalität innerhalb von Teams zu bekommen. Aus diesen Entdeckungen lassen sich dann Hypothesen ableiten, die zu Interventionsmöglichkeiten werden können, um den Dysfunktionalitäten zu begegnen.

Aber ich will hier noch einmal betonen, dass wir zwar die Tendenz haben, Probleme auf der gleichen Ebene lösen zu wollen, auf der sie sichtbar werden. Die Quelle der zwischenmenschlichen Konflikte zwischen Teammitgliedern und zwischen Führungskräften und Teammitgliedern liegt aber in den allermeisten Fällen auf einer anderen Ebene, und eben meist auf der G-, R- und/oder P-Ebene.

Entsprechend ist es ratsam, bei der Analyse von Problemen, Konflikten und Dysfunktionalitäten im Team das gesamte GRPI-Modell zu betrachten und nicht nur die Ebene, auf der sich das Problem manifestiert. Und das Problem beginnt sehr, sehr häufig mit unklaren und nicht abgestimmten Zielen, unklaren Prozessen und/oder nicht transparenten Rollen und Verantwortungsbereichen.

Change the system – not the people!


Hast Du das Modell mal auf Dein Team übertragen? Und welche Ergebnisse haben sich gezeigt? Hinterlasse doch einen Kommentar, damit wir alle etwas von Deinen Learnings haben…