Innovation über Intrapreneurship, oder: Warum Sozialarbeiter unternehmerisch Denken sollten!

Inhalt:

VW-Manager wollen nicht auf Ihre Boni verzichten, heißt es in einem ganz aktuellen Beitrag aus dem Spiegel. 

Bei diesen Boni handelt es sich nicht um die Ernennung zum Mitarbeiter des Jahres, mit einem eigenen Bild in der Firmen-Kantine. Nein, vielmehr handelt es sich um Millionenzahlungen. VW-Chef Winterkorn bspw. hat im letzten Jahr drei Millionen Euro an Bonuszahlungen erhalten.

Nur kurz zum Hintergrund, vielleicht für die weniger autobegeisterten Sozialarbeiter (soll es ja geben). Bei VW haben einige Ingenieure, unterstützt und gedeckt durch ein paar Manager – und das ist ein Skandal – in vollem Bewusstsein an der elektronischen Steuereinheit des Motors (ich bin kein Ingenieur) rumgebastelt, um die Abgaswerte zu manipulieren bzw. nur dann zu verbessern, wenn der Wagen auf dem Prüfstand steht. Das ist krass, kriminell, absurd.

Dazu ein Zitat aus dem Spiegel-Artikel:

„Besonders brisant ist eine Sonderzahlung an Hans Dieter Pötsch. Als der Manager im Oktober 2015 vom Vorstand an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte, ließ er sich eine Entschädigung dafür zahlen, dass sein Vorstandsvertrag noch bis 2017 gelaufen wäre und ihm deutlich höhere Einnahmen garantierte. Es soll sich dabei um knapp zehn Millionen Euro handeln. Pötsch hatte damals gesagt, der Volkswagen-Konzern gerate durch den Abgasskandal und die drohenden Strafzahlungen in eine „existenzbedrohende Krise“. Für seine eigene Existenz sorgte er aber offenbar umso eifriger vor.“

Also kurz: Der Laden steht vor dem Aus (ob er da wirklich steht, kann ich nicht beurteilen, ist aber auch egal) und die lieben Manager-Freunde stecken sich noch mal so richtig die Taschen voll.

Ich kann gar nicht soviel (fr)essen, wie ich… Ihr wisst schon!

Spannend wird es aber, wenn man zwischen Managern und Unternehmern unterscheidet.

Manager werden von Unternehmen eingestellt, um die Dinge zu managen, das Geschäft zu führen. Wikipedia definiert Manager als die Menschen, die Managementaufgaben in einer Organisation wahrnehmen. Als Managementaufgaben werden dann Planung, Organisation, Führung und Kontrolle angeführt.

Was aber ist ein Unternehmer?

Die Definition aus dem Buch „Entrepreneurship“ von Urs Fueglistaller et. al definiert den Entrepreneur (Unternehmer im Französischen) als „ein Individuum, das innovative Produkte oder Produktionsmethoden am Markt durchsetzt, neue wirtschaftliche Strukturen etabliert und bestehende, weniger innovative Unternehmen aus dem Markt drängt, jedoch nicht zwangsläufig Inhaber eines Unternehmens sein muss. Entrepreneure verfolgen ihre Projekte mit Konsequenz und sind in der Lage, die notwendigen Ressourcen zur Umsetzung ihrer Ideen zu akquirieren. Unternehmer glauben, dass sie ihr Leben kontrollieren können, und sind in der Lage, Risiken einzugehen.“

Klingt ein wenig gestelzt und macht dahingehend stutzig, dass es in meinen Augen nicht immer um Verdrängung gehen muss.

Ein Unternehmer muss kein Inhaber sein!

Deutlich wird aber hier, dass der Unternehmer nicht Inhaber eines Unternehmens sein muss. Das ist schon mal wichtig. Es scheint also Möglichkeiten zu geben, Unternehmertum auch innerhalb bestehender Organisationen ausleben zu können!

Eine weitere, spannende Definition will ich Euch noch mitgeben:

In seinem Buch »Sozialismus, Kapitalismus und Demokratie« beschreibt Schumpeter (übrigens bereits im Jahr 1942) die Funktion des Unternehmers als „Produktion durch Anwendung einer Erfindung oder einer neuen technischen Möglichkeit zu verändern oder zu revolutionieren, also ein neues Produkt oder ein herkömmliches Produkt auf eine neue Weise zu erzeugen. … Solche neuen Dinge zu unternehmen ist schwierig und begründet eine besondere ökonomische Funktion, erstens weil es außerhalb der Routineaufgaben liegt, auf die sich jeder versteht, und zweitens wegen der mannigfachen Widerstände der Umwelt.“ Und weiter:

Diese Funktion besteht ihrem Wesen nach weder darin, irgendetwas zu erfinden, noch sonst wie Bedingungen zu schaffen die die Unternehmung ausnützt. Sie besteht darin, dass sie Dinge in Gang setzt.

Was also macht einen Unternehmer – kurz zusammengefasst – aus?

Ein Unternehmer

  • kann Inhaber der Organisation sein, genauso gut aber auch Angestellter,
  • handelt innovativ und konsequent,
  • akquiriert die notwendigen Ressourcen,
  • geht Risiken ein und
  • stößt auf Widerstände.

Zunächst einmal, auch wenn das den Lesefluss ein wenig behindert, entschuldigt bitte, dass ich immer von DEM Unternehmer schreibe. Natürlich sind damit auch die UNTERNEHMERINNEN gemeint!

Wichtiger ist aber, dass Unternehmertum keine Routineaufgabe ist, „auf die sich jeder versteht“. Vielmehr werden Widerstände hervorgerufen, die es zu überwinden gilt.

Ein Unternehmer, ein Entrepreneur setzt „Dinge in Gang“, warum nicht auch in der Sozialen Arbeit?!

Jetzt aber mal endlich der Schwenk zur Sozialen Arbeit und insbesondere zu Organisationen der Sozialwirtschaft.

Wichtig ist, zunächst zu unterscheiden zwischen den Social Entrepreneurs, zu denen Ihr hier einen kleinen Beitrag finden könnt. Die meine ich aber jetzt gar nicht.

Mir geht es um Kitas, stationären Jugendhilfeeinrichtungen, Altenhilfeeinrichtungen, Verbänden, Einrichtungen der Drogenhilfe, Wohnungslosenhilfe, von mir aus auch Jugendämtern (wobei die schon wieder kompliziert sind) usw. Also Einrichtungen, in denen „echte“ Soziale Arbeit geleistet wird.

Macht es hier Sinn, über Unternehmer nachzudenken?

In meinen Augen ist es sogar zwingend.

Zum einen werden in den Organisationen der Sozialwirtschaft „Manager“ eingestellt. Angestellte Menschen also, die sich um das große und Ganze kümmern sollen, die – so die übliche Auffassung von Management – planen, organisieren, führen und kontrollieren sollen. Jetzt gibt es die in der Automobilwirtschaft möglichen Bonuszahlungen nicht. Trotzdem gibt es auch in der Sozialen Arbeit immer wieder Geschichten über Menschen, die sich auf Kosten der Organisation bereichert haben. Dazu hier nur ein Beispiel.

Und Unternehmer als Gründer und Eigentümer gibt es in der Sozialen Arbeit verhältnismäßig wenig. Meist ist es so, dass zumindest ein Verein gegründet wird, der einen sozialwirtschaftlichen Zweck verfolgt. Ein Verein hat einen Vorstand, der aus mehreren Menschen bestehen muss, die dann wiederum – sofern die Sache läuft – einen angestellten Manager beschäftigen.

Das führt uns also nicht viel weiter.

Weiter führt uns aber die obige Aussage, dass ein Unternehmer nicht zwingend der Eigentümer einer Organisation sein muss.

In der Literatur spricht man hier von Intrapreneuren oder auch Mitunternehmern, die Unterscheidung fällt nicht ganz leicht. Unabhängig davon lässt sich als Ziel des Intrapreneurship die Förderung von unternehmerischen Kompetenzen wie Engagement, Verantwortungsbewusstsein, Risikobereitschaft, innovativem Denken und Handeln oder Kreativität sehen.

Und zwar bei allen Mitarbeitenden.

Wenn ich mir jetzt anschaue, vor welchen Herausforderungen die Sozialen Organisationen stehen, liegt es auf der Hand, dass die genannten unternehmerischen Kompetenzen auf unterschiedlichsten Ebenen Bedeutung erlangen müssen.

Veränderung geschieht!

Organisationen und insbesondere Organisationen der Sozialwirtschaft müssen sich entwickeln, sie müssen sich den sich wandelnden Bedingungen anpassen. Manchmal muss das schnell gehen, manchmal wird die Veränderungsnotwendigkeit von außen aufgedrückt, manchmal kann die Organisation eher selbst gestalten, die Veränderung also aktiv angehen.

Für jede Veränderung jedoch bedarf es Mitarbeitenden, die die Verantwortung für das Gelingen nicht bei einem „Vorgesetzten“ (alleine das Wort ruft lustige Bilder hervor) abgeben wollen. Es bedarf Mitarbeitenden, die Risiken eingehen wollen, es bedarf Mut und Verantwortungsbewusstsein, es bedarf der notwendigen Konsequenz, auch Widerstände zu überwinden, um im Sinne der Organisation aber auch im Sinne und zum Wohl des Klienten, Veränderungen in eine gute Richtung wenden zu können.

Ob das jetzt „unternehmerisch denkende und handelnde“ Mitarbeitende sind oder einfach nur Mitarbeitende, die Lust haben, Verantwortung zu übernehmen, wie die Mitarbeiter also genannt werden, ist dabei nun wirklich zweitrangig.

Fordern ist leicht!

Das Problem ist jedoch, dass die Forderung von unternehmerischem Denken und Handeln einfach möglich ist. So sind bspw. in Leitbildern von der Caritas zugehörigen Einrichtungen Sätze zu lesen wie:

„Wir, im Caritasverein XXX e.V., pflegen ein partnerschaftliches Miteinander, geprägt von Respekt, Toleranz und Disziplin. Durch zielorientierte Führung fördern und fordern wir unternehmerisches Denken, Verantwortungsbewusstsein und Eigeninitiative.“

Zielorientierte Führung hat jedoch wenig mit unternehmerischem Denken und Handeln zu tun. Zielorientierte Führung setzt auf die Erreichung von Zielen. Klar, dabei hat der Mitarbeiter ein wenig Handlungsfreiheit. Aber das Setzen von eigenen Zielen, das Ausprobieren, zielunabhängig, die Ermöglichung von Innovation, funktioniert so nicht.

Wie aber kann unternehmerisches Denken und Handeln in Organisationen der Sozialwirtschaft verankert werden?

Oder: Welche organisationalen Voraussetzungen sind zu schaffen, damit die Mitarbeitenden wirklich dahin kommen, unternehmerisch zu denken und zu handeln?

Dazu werde ich mir in einem nächsten Beitrag ein paar Gedanken machen… So viel Geduld müsst ihr also mitbringen.


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5 comments on “Innovation über Intrapreneurship, oder: Warum Sozialarbeiter unternehmerisch Denken sollten!

  1. Sabine Depew am

    Toller Beitrag! Ja, jede Organisation ist ein Unternehmen/eine Unternehmung, denn sie muss sich mit Fragen der Finanzierung, des Budgets und Kosten befassen. Auch ein ehrenamtliches Projekt kostet. Sach- und Personalkosten, selbst, wenn sie ehrenamtlich erbracht sind. In den 90ern wurde das Controlling in sozialen Organisationen eingeführt. Das hat zu einem veränderten Kostenbewusstsein geführt. Betriebswirtschaftliches Denken und Handeln war zu lange nicht Bestandteil der Ausbildung bis dahin, dass Sozialarbeitende nicht wussten wie ihre eigenen Stellen finanziert sind. Unternehmerisches Denken und Handeln und Gutes widerspricht sich nicht. Im Gegenteil. Das zeigen uns unter anderem viele Ordensgemeinschaften, die unabhängig von Kirchensteuern agieren. Der Kostendruck entsteht vor allem dann, wenn Leistungen nicht mehr in dem Maße refinanziert werden, wie es für die Erhaltung ihrer Qualität notwendig ist.

    Antworten
  2. Torsten am

    Hat dies auf Elk & Ravenhouse rebloggt und kommentierte:
    Ein feiner und innovativer Beitrag von Henrik Epe…

    Antworten
  3. Torsten am

    Lieber Hendrik,

    dieser Beitrag freut mich wieder sehr. Und als Sozialarbeiter Schumpeter zu zitieren finde ich beachtlich gut. Ansonsten könnte auch ich, Zitat einer Kollegin, bei vielem „Im Strahl k….“. Zumindest erstmal zur Entlastung. Wenn ich mir so meinen Arbeitsplatz anschaue, dann sind meine KollegInnen und ich ein wenig Intrapreneure, nur dass wir das unternehmerische Risiko primär nicht tragen. Sekundär schon eher, weil wir am Ende unsere Stellen verlieren, wenn der Träger nicht vorausschaut, nicht kann, mag oder will… Wir arbeiten in den meisten Primärprozessen selbständig und eigenverantwortlich mit und für die KlientInnen und dem Drum- und mitherum. Weil wir das so machen, sind wir auch als Profis gern gesehen und angesehen. Zumindest verbal bei Betriebsansprachen und in der Außenwirkung. Nun haben wir in den Jahren versucht auch intern Profis zu sein, so mit Mitdenken, Konzeptentwicklung anregen, Warum Fragen stellen und auch kritisch begleiten wollend. Nach einem größeren Konflikt wurde dann eine Matrix-Organisation geformt, mit klaren Hierarchien und Ansagen. Für innovative Ideen gibt es eine e-mail Adresse. Die Ideen werden dann durch die Leitungsebene bearbeitet… Gute kritische KollegInnen gingen, manche wurden krank. Die Organisation selber war vor dreißig Jahren Pionier in ihrem Gebiet, verliert jetzt aber an Boden. Hinweise darauf, woran es liegen könnte und mögliche Schritte zu Lösungen möglich sein könnten werden als persönliche Kritik bewertet und abgewehrt. Selbst eine beachtliche Anzahl an Unternehmensberatungen halfen nur mäßig. Zuletzt ging es da um den „Unternehmenswert Mensch“, mit vielen Arbeitsgruppen, Mitarbeiter-Cafes und so weiter. Das ist auch cool und gut, zeigt aber in der Grundhaltung nicht die Wirkung, die zumindest ich mir erwünschte. Somit ist mein bisher geschriebenes furchtbar subjektiv, auch aufgrund persönlicher Kränkung und Verletzung, weil ich immer und weiter dazu stand und stehe mündiger Kollege und Profi zu sein. So, dieses der emotionale und prosaische Teil zum Verständnis. Trotz allem bin ich aber weiter zutiefst davon überzeugt, dass wir für die Zukunft, Prozesse, Strukturen, Lösungen und Methoden und Haltungen brauchen, die nicht mehr ausschließlich ihre Gründe und Quellen in der Industrialisierung suchen und zu finden glauben, sondern in etwas anderen. Wenn uns das nicht gelingt, obwohl es dazu bereits gute Ansätze gibt, wovon gerade auch du schreibst, dann haben wir nicht nur „ein“ Problem, sondern verspielen auf verschiedenen Ebenen unsere Zukunft. Also bitte, seid weiter kritisch, mündig, klug und mutig als Menschen und Profis…

    Antworten
    • Hendrik Epe am

      Lieber Torsten,

      ganz herzlichen Dank Dir für Deine ausführlichen und tiefen Einblicke in „deine“ Organisation.

      Ich kann Dir hier nur zustimmen und versuchen zu unterstützen: Wir müssen wirklich aufpassen, nicht nur “ein” Problem zu haben, sondern auf verschiedenen Ebenen unsere Zukunft unsere Professionalität zu verspielen.

      Externe Berater und lustige Zertifizierungen helfen da vielleicht, Impulse zu setzen und die interne Kommunikation anzuregen. Diese Kommunikation muss jedoch gewollt und „freigelassen“ werden. Das wird leider oft von den Verantwortlichen nicht beachtet.

      Jetzt aber Dir ein Gutes Wochenende!

      Hendrik

      P.S.: Bin selber gespannt auf den Artikel, wie das Konzept des Intraprenurships in den Sozialen Organisationen umzusetzen ist 😉

      Antworten

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