Leseempfehlung: Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken

Innovation - Streitschrift für barrierefreies Denken

Inhalt:

Allein die Idee, einen Text von Wolf Lotter rezensieren zu wollen, ist nicht zwingend gut. Ein Buch von ihm zu rezensieren macht es nicht besser. Wolf Lotter, für diejenigen, die ihn nicht kennen, ist Mitbegründer der Zeitschrift „brand eins„, wo er die zu den Schwerpunktthemen schreibt. Diese Artikel, so heißt es auf Wikipedia, begründen seinen Ruf „als einer der führenden Publizisten auf dem Gebiet der Beschreibung der Transformation von der alten Industriegesellschaft hin zur neuen Wissensgesellschaft“ (Wikipedia). Jo, und ich will sein Buch rezensieren. Und das nur, weil es den mehr als ansprechenden Titel „Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken„* trägt und ich mich ja auch irgendwie mit Innovation beschäftige.

Innovation – neu?

Nun gut, was soll’s, mehr als blamieren kann ich mich nicht. Oder ist das etwa schon ein Teil einer neuen, vielleicht gar innovativen (?) Art, sich bestimmten Themen zu widmen?

Wo es vormals gesellschaftlich nicht akzeptiert war, sogenannte „Experten“ in Frage zu stellen oder zu kritisieren, ist es durch die netzbasierten Zugangswege zu Wissen viel einfacher möglich, sich bestimmten Themen zu widmen. Hinzu kommt, dass es über das Web 2.0 (Blogs, soziale Medien etc.) möglich geworden ist, Inhalte mitzugestalten und eben nicht mehr auf die „Experten“ angewiesen zu sein.

Als Beispiel heranziehen lassen sich die 83jährige App-Entwicklerin  ebenso wie der 15jährige Agenturgründer: Die Entwicklung funktionierender Geschäftsmodelle basiert nicht mehr auf formaler Qualifikation, sondern zunehmend über die Frage, wie sich Menschen ganz individuell (auch) über die Möglichkeiten des Internets weiterentwickeln. Und die Rezension eines Buchs von Wolf Lotter ist möglich, so dass es auch viele andere Menschen lesen können.

Innovation – Vergessen lernen!

Meine Beschäftigung mit dem Thema Innovation fokussiert im Wesentlichen auf die Fragestellung, wie es sozialen Organisationen gelingen kann, ihre Innovationsfähigkeit zu steigern. Und die Frage nach dem, was Innovation eigentlich ist, habe ich in meiner Master-Thesis mehr oder weniger „abgehandelt“.

Und hier liefert Lotter mit seinem Buch eine ganz neue Perspektive auf den Begriff „Innovation“ an sich und die Bedeutung von Innovation für unsere Gesellschaft. Es ist eine andere Flughöhe, eine lohnenswerte Flughöhe. Dies macht allein das das Buch einführende Zitat von Keynes deutlich:

»Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken als in der Befreiung von den alten.« (Keynes, Allgemeine Theorie, 1936).

Dieses Zitat lässt sich auf all unsere Lebensbereiche beziehen:

Wie denke ich als Mensch von mir und meinem Leben, wie von mir im Kontakt zu meinen engsten Mitmenschen, meiner Frau, meinen Kindern, meiner Familie, Freunden und Bekannten? Welche Glaubenssätze schleppe ich mit mir herum, wie blockieren sie mich und noch wichtiger: Wie lasse ich diese los?

Der Übertrag auf Organisationen ist einfach, der Übertrag des Zitats auf die Gesellschaft nicht mehr ganz so: Welches gesellschaftliche Modell ist denkbar, wenn wir das aktuelle System einfach mal (kurz) vergessen? Oder in den Worten von Lotter:

„Organisationen, Methoden und Denkarten, die im 19. Jahrhundert entstanden, als die industrielle Revolution triumphierte, sind im 21. Jahrhundert untauglich geworden. Innovation aber wird verhindert, wenn das nicht erkannt und als Grundlage des Denkens verstanden wird. Denn wie das alte Sprichwort sagt: Für einen Hammer sieht alles wie ein Nagel aus.“ (S. 14).

Innovation – Hoffnung!

Besonders gut gefällt mir der auf das Zitat folgende Satz zur Frage, was Innovation ist:

„Innovation ist, in einem Satz, der berechtigte Anlass für die Hoffnung, dass es besser wird“ (ebd.).

Genauer: Innovation bedarf demnach eines Anlasses: Innovation im luftleeren Raum ist sinnlos. Innovation ist auch berechtigte Hoffnung. Sonst würde sich niemand auf den Weg begeben. Ohne berechtigte Hoffnung. Und Hoffnung impliziert immer, dass etwas besser wird. Innovation ist der berechtigte Anlass für die Hoffnung, dass es besser wird!

Innovation – Zukunftsmacher!

Wer aber betreibt Innovation? Wer ist ein „Innovator“?

Diese Frage ist mehr als berechtigt, auch vor dem Hintergrund, dass Organisationen zunehmend damit beginnen, Manager für Innovationen einzustellen. Dies lässt sich allein aufgrund des Begriffes kritisieren. Innovation und Management widersprechen sich – eigentlich. In Umwelten jedoch, in denen bislang jedoch ganz wenig Innovation notwendig war – dazu zähle ich auch die Sozialwirtschaft – wird die Gestaltung der basalen Rahmenbedingungen zur Ermöglichung von Innovation relevant.

Hier kommen dann „Innovationsmanager“ zum Einsatz, verstanden eher als „Innovationsscouts“, die den Weg für Innovationen bereiten. Lotter schreibt, dass die Menschen, die Innovation ernsthaft betreiben, Außenseiter sind, Menschen, die stören. Und in den geschilderten Umwelten sozialer Organisationen geraten Menschen, die schon nur an die Veränderung denken und diese ernsthaft thematisieren, in diese Positionen. Die genannten „Innovationsscouts“ bedürfen somit ziemlicher Nehmerqualitäten, um in den eher rauen Umgebungen der Innovation von tradierten Systemen zu überleben.

So ist die Aufgabe des Innovativen „Systemstörung, nicht Systemzerstörung. Die Störung verfolgt den Zweck, auf vorhandene Defizite und Defekte hinzuweisen. Auf überholte Codes, auf Regeln, die mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen“ (S. 33). Nicht einfach, aber mehr als sinnvoll.

Aus dieser Perspektive wird durch die Störung die Lebensfähigkeit des Systems eher gestärkt denn gefährdet. Und die Aufgabe der Menschen, die Innovationen hervorbringen, ist es damit, zu stören und gleichzeitig „Grundvertrauen herzustellen. Denn Innovationen haben in der Menschheitsgeschichte viel Gutes gebracht. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Welt zum Besseren zu verändern. Das ist der Lackmustest der Innovation, der bestanden ist, wenn es gelingt, das Leben von immer mehr Menschen zum Guten zu wenden. Diesem Kern einer inklusiven Innovationskultur sollten wir unsere Aufmerksamkeit schenken.“ (S. 34).

Kein leichter und wahrscheinlich überhaupt kein Job, aber hochgradig spannend und nutzbringend. Lotter nutzt hier den Begriff der „Zukunftsmacher“, der mir sehr gut gefällt:

„Eine klare Botschaft: Zukunftsmacher, hört den Leuten zu, für die ihr Zukunft machen wollt. Verordnet nicht.“ (S. 41).

Innovation – Erfahrung!

Wie gesagt, die Flughöhe, die Lotter in seinem Buch einnimmt, liegt weit über der üblichen Machbarkeitsliteratur. Lotter stellt die Grundlagen des Innovationsbegriff infrage, wie er in der Wirtschaft (oftmals noch) gilt.

Neu ist – und das ist wiederum auch für soziale Organisationen mehr als relevant – nicht immer besser. Es muss darum gehen, Erfahrung mit dem Neuen zu verbinden, als beides gegeneinander auszuspielen. Als Beispiel lässt sich der „Digitalisierungshype“ auch für soziale Organisationen nur dann sinnvoll nutzen, wenn es zu echter Kooperation zwischen Jung und Alt kommt.

Bedenken, Fragen ebenso wie Kritik an Neuem sind nicht falsch. Sie sind wichtig, um das Neue, was immer es ist, so zu gestalten, dass es Menschen nutzt. Zu denken ist – explizit wieder mit Blick auf soziale Organisationen – daran, wie es diesen  gelingt, das Wissen und die Erfahrung der in Zukunft die Organisationen verlassenden Mitarbeiter zu halten.

Warum sollte der „Digital Coach“ einer sozialen Organisation nicht gerade der Senior Expert sein, der seinen „Ruhestand“ sinnvoll gestalten will? Nur mal drüber nachdenken…

Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken!

Sie sehen: Lotter regt zum Nachdenken an. Sein Buch „Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken“ regt dazu an, zu hinterfragen, wie wir unser aktuelles Leben gestalten und wie wir die berechtigte Hoffnung leben können, dass es besser wird. Ich könnte auch hier weitermachen und darüber schreiben, welche Haltung Lotter zu Visionen und Utopien hat („Wer Utopien oder Dystopien beschwört, empfiehlt sich oft als Löser der Probleme, die er beständig wiederholt, aber nicht lösen mag oder kann.“ S. 41). In diesem Sinne: Lesen Sie das Buch selbst, oder, in den Worten von Lotter:

„Get the work done – das bedeutet nicht: die Arbeit erledigen. Sondern sie in einem ständigen Erneuerungsprozess zu immer besseren Ergebnissen zu führen – und wer damit mehr Profite meint, ist auf dem Holzweg“ (157).


Hier können Sie das Buch übrigens käuflich erwerben.* Und: *Das ist ein affiliate-Link, Werbung, sozusagen. Ich bekomme ein paar Cent, wenn Sie das Buch über diesen Link kaufen.


Sie sind interessiert an einer Zusammenarbeit mit mir? Vielleicht einen Impulsvortrag oder einen Workshop zu Fragen der Innovationsfähigkeit Ihrer Organisation? Oder auch eine persönliche Begleitung in der Frage, wie Sie wieder “sozial arbeiten” können? Nehmen Sie einfach Kontakt auf, ich freue mich auf Sie.

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